Während James Hook den Jungen mit sich durch Unterholz, tiefhängende Zweige und Blattwerk zerrte, behielt er wachsam sein Umfeld im Blick. Mit dem Jungen war er langsamer, auffälliger weil er ihn festhalten und seine Aufmerksamkeit teilen musste. So wenig man es von einem imposanten Mann – der für gewöhnlich über das Deck der Jolly Roger stolzierte – erwarten mochte, bewegte sich der Captain doch erstaunlich leise. Kein Vergleich zu den Indianern natürlich, aber dennoch unauffällig genug um nicht sofort gehört zu werden.
Je näher sie der Palmengrenze zum Strand kamen, desto sicherer wurde James, dass es eine Verschwendung gewesen wäre den Jungen sofort zu töten. Er war froh, dass es ihm noch rechtzeitig aufgefallen war, aber noch etwas anderes kratzte und schabte in seinem Inneren. Der Bursche war anders, zu interessant um ihn einfach laufen (was ohnehin nicht in Frage kam) oder in der Blich verrotten zu lassen. Hrm... der Kleine hatte durchaus Mut bewiesen, er verlangte eher um einen schnellen Tod als um sein Leben zu betteln – eine Eigenschaft, die durchaus anerkennenswert war und für die Hook seinen Respekt übrighatte.
„Was habt ihr vor?! Mich an die Krokodile verfüttern? Mich aufhängen?!" (Luke)
Ein leises Schnauben, mehr bekam er nicht zur Antwort. Hook wollte vorankommen, denn sie hätten längst zurück beim Schiff sein sollen. Die kleine Verfolgungsjagd war sicher nicht unbemerkt geblieben, einige der Bestien hier draußen hatten verflucht gute Ohren und Hook besaß kein gesteigertes Interesse an einer Begegnung mit den klauenbepackten Ungeheuern.
Erst der helle Schrei ließ ihn herumfahren, bevor die schmale Hand zupackte und ihn nach hinten zerrte. In unmittelbarer Nähe raschelte es leise, ein Seil wurde durch eine Lasche gezogen und plötzlich gaben Zweige und Geäst ächzend nach.
Hook starrte in die Dunkelheit und... tatsächlich, dort öffnete sich ein Loch wo vorher geschickt Blätter und Farne ausgebreitet gewesen waren. Die Fallgrube war mit spitzen Pfählen versehen und eigentlich hätte James sie bemerken müssen. Das kam davon, wenn man eilig durch die Nacht huschte um den Gefahren zu entkommen. Man stolperte in die nächstbeste Falle. Verfluchte Rothäute... oder Verlorene? Es hätte beides sein können, denn die Ureinwohner wie Peters Haufen von Bälgern bedienten sich dieser dreckigen Fallenstellerei. Nur manche Mechanismen waren an Aufwand und Tarnung kaum noch zu überbieten, dann handelte es sich eindeutig um das Werk der Ureinwohner.
Diese Szene besaß etwas Ironisches, so bitter wie der Humor der Insel. Hrm... wie schnell hatte Luke wohl gemerkt, dass das hier seine Chance auf Freiheit gewesen wäre? Missmutig drehte James den Kopf und warf dem Jungen einen finsteren Blick zu. In einer leidigen Geste hatte Luke die Hand übers Gesicht gelegt und den unterdrückten Laut von Resignation hörte James sehr wohl. Oh, der Bursche hatte gerade einen gravierenden Fehler gemacht und es war amüsant zu beobachten, wie ihm das klar wurde.
Hooks Mundwinkel zuckten, dann lachte er leise. Es war eine Seltenheit ihn überhaupt mit einem milden Lächeln zu sehen und auch diesmal wirkte es bitter. Ein weiterer Beweis für die Naivität des Burschen war sein leidenschaftlicher Impuls, einen Menschen vor dem sicheren Tod zu bewahren... anscheinend auch dann noch, wenn es sich dabei um James Hook handelte. Die wenigsten in Neverland mochten sich an eine derartig sensible Moral überhaupt noch erinnern.
„Ich schätze damit sind wir jetzt quitt. Dein Leben gegen meines.", brummte er mit schräg gelegtem Kopf und betrachtete den Jungen eine Weile. Schicksaal oder Zufall, dass Luke ihn gerettet hatte? Hrm, vielleicht würde er es irgendwann einmal erfahren. Doch dieser Tag lag noch in weiter Ferne. So griff er den Jungen wieder am Arm (diesmal weniger grob) und folgte ihm nach. In gewisser Weise hätte man es als Feigheit bezeichnen können, dass James den Burschen voran schob... doch der Kapitän war schlichtweg zu klug um anzunehmen, Luke würde denselben Fehler zweimal machen.
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A Neverland Tale - HOOKED (de)
Fantasy** Nur eines kann den Untergang Neverlands noch verhindern: In den finsteren Zeiten, in denen das Licht eines Sterns erlischt, muss ein neuer gefunden werden! ** Neverland - eine Welt, in der einfach alles möglich war, solange man es sich nur erträu...