Kapitel 7.6 - Peter Pan

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Ein kalter Nachtwind hatte die Wärme des Tages zu späterer Stunde verdrängt und entlockte jeder armen Seele ein Frösteln, die sich jetzt nicht ausreichend warm eingepackt hier draußen herumtrieb. Nur die kuschligen Behausungen der Verlorenen, spitzen Tipis und Bauten von Ureinwohnern, Hütten und Häuser der Seestädter sowie die Unterdecks der Schiffe boten jetzt Schutz vor der Kälte der Nacht. In Neverland konnte man nie ganz sicher sein welches Wetter einen zu Bett brachte und am nächsten Morgen begrüßte. An manchen Tagen kitzelten Sonnenstrahlen die Jungen wach, nur damit Schneeflocken sich wie ein süßer gute Nachtkuss auf die geröteten Nasen legen konnten. 


Es war auch schon vorgekommen, dass die Neverseas innerhalb längerer Winterzeiten von einer immer dicker werdenden Eisschicht zugedeckt wurden. Dann waren die Jolly Roger und alle anderen Schiffe gefangen auf dem Ozean und leichtere Beute für die Verlorenen – und auch sonst jeden der sie überfallen wollte. 


Oh, Peter hatte viele schöne Erinnerungen an den Winter, genauso wie den Sommer, Herbst und Frühling. Es verschwamm alles ineinander, der Beutel von Murmeln aus dem jeden Tag eine herausfiel, weil neue sich hineindrückten. Und Peter ließ es geschehen, versuchte nicht krampfhaft nach dem zu greifen was ihm entglitt... vielleicht nahm er gerade diese befreite Leichtigkeit, die ihn von so vielen anderen unterschied? 


Sein Gemüt war immer sonnig, er konnte immer Scherzen – selbst wenn das eigene Blut ihm übers Kinn lief oder er kaum geradestehen konnte. Peter war ein Optimist, vom Glück geküsst und er blies niemals echte Trübsal. Spiel und Spaß waren sein Zepter und Reichsapfel... das Lachen seine Krone. Welcher echte König im Reich der Narren trug schon eine Krone? Oh ja, der Verlorene konnte prächtig über sich selbst lachen, er war nicht sonderlich nachtragend und Scherze auf seine Kosten verstand er ebenfalls (Wenn sie gut waren). 


Doch genauso bitter konnte es schmecken, wenn sein Hohn sich gegen einen der Jungen richtete der besonders ungeschickt oder tapsig war. Ob es ihm egal war oder nur nicht auffiel, er schonte die schwachen unter den jungen Männern absichtlich nicht – denn später würde genau diese Schwäche entweder ihnen oder jemand anderem zum Verhängnis werden. Bei dem Versuch sein eigenes Leben zu verteidigen, bedeutete ein Versagen, dass man den Preis bezahlen musste den man selbst gesetzt hatte – einen Preis, den niemand anders für einen einbringen konnte. Doch Jungen, die sich für Schwächere vor die zuschlagende Klinge warfen... sie bezahlten mit ihrem Leben für eines anderen Schuld. So hart es klang, doch wenn man von Anfang an dafür sorgte, dass alle an ihren eigenen Schwächen arbeiteten hatte man später weniger Ärger. Peter wusste das und er sorgte auf seine eigene Weise dafür, dass die Burschen es verstanden.


Der wachsame Blick schweifte durchs Unterholz, während Peter sich flüssig von Schatten zu Schatten bewegte, an manchen Stämmen kurz Inne hielt und bei verdächtigen Geräuschen sofort hinter einem großen Busch oder Baum in Deckung ging. Man wusste nie was sich in den Wäldern herumtrieb, welche hungrigen Bestien sich hinter dem nächsten Felsen verschanzten und nur darauf warteten eine unvorsichtige Beute zu kosten. Ah, Peter hatte sie schon gesehen... Körper, bedeckt mit glänzend schwarzem oder rostbraunem Fell, manchmal sogar weiß. Feste Muskeln, die unter dem schimmernden Weich spannten, ausgefahrene Krallen deren Spitzen leise auf Stein klickten oder im Laub raschelten. Gerundete Ohren, völlig zerfetzt von Kämpfen alter Zeiten, gespickt mit rosig wulstigen Narben... mindestens ebenso viele wie die tödlich scharfen Reißzähne ihren Opfern beigebracht hatten. 


Immer wieder kam es vor, dass ein Verlorener nicht von seinen Streifzügen zurückkehrte und irgendwann seine verrottenden Konchen in der Nähe des Berges oder der Jagdgründe jener Biester gefunden wurden. Dieses Schicksal wollte Peter nicht teilen und daher kletterte er schon bald einen der nahen Bäume nach oben. Ast für Ast zogen sich die kräftigen Arme höher, sehnige Muskeln spielten unter gebräunter Haut fließend ineinander – zeugten von den tagelangen Streifzügen durch Wälder, abenteuerlichen Kämpfen gegen Piraten und Ureinwohner, der freundschaftlichen Balgerei zwischen den Jungen oder schlichtweg einer Runde Schwimmen am Fuße des Plateaus unter dem Island. 

A Neverland Tale - HOOKED (de)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt