Kapitel 3.3 - Luke

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Ihre Brust spannte. Sie wusste nicht wie weit sie gerannt war, ob das grauenhafte flammende Brennen in ihrer Lunge davon herrührte, dass sie schon vorher völlig fertig gewesen war. Ihre Arme und Beine fühlten sich an wie Gummi, ihre Finger schmerzten. Obwohl es kalt war, glühte ihr ganzer Körper- und das sicherlich nicht von den beiden Mänteln den sie trug.

Sie presste sich gegen das Holz in ihrem Rücken. Beinahe kühl war der Baum im Gegensatz zu ihrem erhitzten Leib, während ein sachter Wind die Blätter über ihr und um sie herum rascheln ließ. Als ob der frische Wind zwischen ihnen hindurch schlüpfen wollte, um ihr über die feuchte Stirn und dann über die glühenden Wangen zu streichen. Ein ziependes Kribbeln lag an mehreren Punkten ihres Körpers, verriet ihr, dass sie sich vielleicht hier oder da die Haut aufgeschürft oder sie zu sehr gereizt hatte. Wie kleine feine Nadeln, die ihr auch in die hitzigen Wangen stachen.


Luke regte sich nicht, wagte ebenso wenig die Augen zu schließen und einen neuen Versuch zu starten, tiefer durchzuatmen. Um sie herum war das Rascheln zu hören. Fern, zum Glück weit genug an Distanz, dass es ihr nicht gefährlich werden konnte, hörte sie Piraten in rauen Stimmen fluchen. Schimpfwörter, die jede englische Lady erröten lassen könnten, brandeten gegen die Bäume und mischten sich zu den Geräuschen knackenden Unterholzes. Blätter knisterten unter schweren Stiefeln, begleiteten kleine Lichtpunkte, wenn einer der Piraten mal eine Laterne oder Fackel bei sich trug, statt blindlings in die Nacht zu stapfen...


Doch die Laute entfernten sich und sie stieß zitternd den Atem aus, während sie eine Hand auf ihre Brust legte. Gerade als sich die Geräusche entfernten und sie aufatmen wollte... war da doch ein Klang. Leiser als die anderen und doch knackten kleine Zweige und Blätter raschelten ihr leise wilde Warnungen in einer ihr unbekannten Sprache ungehört entgegen und als sie sich zur Seite beugte, schien ihr Herz stehen zu bleiben.
Unmöglich. Wie konnte er von ALLEN Verlorenen ausgerechnet ihr...?
In dem Moment, in dem die Frage wie ein Blitz in ihren Verstand geschossen kam, flimmerte ihr schon die Antwort wie das Donnern hinterher: der Mantel!


Sie blickte an sich herunter, beinahe giftig auf den leuchtend roten Stoff des Kapitänsmantels, als könnte sie ihn damit bestrafen und als wäre er an allem Übel dieses Abends sowie ihrem Unglück schuld. Ein lautloser Fluch entwich ihr, ehe sie den Hinterkopf gegen den Baumstamm zurückfallen ließ und das Gesicht zu einer Grimasse verzog. Bitte... verdammt geh einfach weiter! Flehte sie still in die Nacht, bat vielleicht alle Sterne, Götter und sonst etwas das ihr helfen könnte, das Raubtier von ihrer Fährte abzuleiten. Doch die Schritte zogen nicht einfach vorüber... sondern bremsten.


OhGottbittebittenichtdasdarfdochnichtwahrsein!


Sie verlagerte das Gewicht- und ihr Stiefel verlor den Halt, rutschte über eine der Wurzeln. Nur kurz, eine flüchtige Bewegung, ehe sie sich mit wild klopfendem Herzen wieder an den Baum drückte. Nein. Er KONNTE sie nicht gesehen haben. Der Wald war voller Geräusche. Überall verursachten die Piraten Lärm. Der Wind fuhr in das Dickicht, ließ die Blätter rascheln und tanzen... dazu der Klang der Wildnis. Sie drückte die Lippen zusammen, damit ihr schwerer Atem sie nicht verriet. Presste sie zu einem schmalen Strich zusammen und kniff die Augen zu, als könnte es etwas ändern.


Aber... als sie das nächste Mal unter dem wildem Trommelschlag ihres Pulses zur Seite spähte- blicke sie ihm direkt ins Gesicht. Entschlossene Züge, genauso eisern wie bereits auf der Jolly Roger. Der sturmgraue Blick einer geschliffenen Klinge, eines tödlichen Jägers, dem das Mondlicht in den Rücken fiel und ihm einen unheimlichen Schatten wie einen Umhang für einen König um die Schultern legte.

A Neverland Tale - HOOKED (de)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt