A Neverland Tale - HOOKED (de)

Kapitel 1.6 - Kapt. J. Hook

Hooks POV

Eine kleine Weile hörte er dem Geschehen außerhalb der Kapitänskajüte einfach nur zu. Säbel und Degen klirrten aneinander, Schreie krakelten durch das Dunkel unter kaltem Stahl, Kleidung zerriss über verletzlicher Haut. Wie viel Ordnung in diesem heillosen Chaos steckte. Zu hören, wie sich ein Muster durch die Unordnung an Deck zog... es gab Hook die Kraft einen klaren Kopf zu bewahren. Fast immer. Wo andere den Überblick verloren und in dem plötzlich Verlangen ganz woanders zu sein, verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammenschlugen... da blickte er dem Durcheinander furchtlos entgegen.
Ah, der Kampf war doch was ihn letztendlich all die Jahre am Leben gehalten hatte. Das bisschen Spannung, dass es ihm unter die Haut pflanzte, wenn Metall auf Metall schlug und zwei feurig hasserfüllte Blicke einander kreuzten. Es war die leise Ahnung von Tod in der Luft wie ein vertrauter Geruch, Nuancen die er zu oft gerochen hatte um sich wahrlich daran zu stören. Das Adrenalin und der Schmerz einer Verletzung. Gleichzeitig der honigsüße Geschmack von Triumph, von Sieg und auf der anderen Seite der Medaille die bittere Abfindung mit Verlust und Niederlage. Alles zusammengezogen auf die Sekunde des Kampfes. Den Atemzug, in dem sich alles und nichts entschied. Für einen Sekundenbruchteil trug man das blanke Leben in den eigenen Händen, wie noch in keinem Moment zuvor. Es war vielleicht die einzige Freiheit, die einem niemand nehmen konnte.

James Hook atmete tief durch und hob den Degen etwas höher, während der junge Mann vor ihm ganz offensichtlich versuchte sein Gewicht langsam nach hinten zu verlagern um aus der Reichweite der tödlichen Klinge zu entkommen. Glaubte er tatsächlich, Hook würde nicht bemerken wie die blauen Augen des Kindes an ihm vorbei huschten... ihn betrachteten, dann eine Fluchtmöglichkeit suchten? Einen Ausweg um dem Schicksal zu entrinnen, dem der Junge unweigerlich in die Arme gelaufen war? Neverland hatte schon immer seine grausame Ironie besessen. Ein köstliches Gift, über das zu lachen mit einem hohen Preis bezahlt wurde. Schleichend fraß es sich durch die Köpfe der Menschen, bis jede morbide Art von Gewissen zerstört war und abgetötet wie körperlicher Schmerz mit dem lockenden Morphium. Auch der Junge hätte diese Lektion lernen müssen – sein Leben oder Moral, beides konnte er nicht behalten. Doch dazu würde es nie kommen, denn bevor er diese unschuldige Nase in noch mehr Dinge stecken konnte die ihn nichts angingen, würde James ihm den Säbel in die Brust stoßen. Die simple Gleichung animalischer Naturgesetze, der Starke frisst den Schwachen.

»Ah... merkt man das?« (...) »Das ich nicht so sehr wie die anderen stinke, oder dass ich so unheimlich sauber bin, hat mich verraten hab ich Recht?«

Versuchte das armselige Exemplar von einem Kind gerade tatsächlich, seinen Humor als Ablenkung aufzutischen? Hook legte den Kopf schief, betrachtete dieses... erstaunlich gefasste Lumpenbündel, das seine Angst so tapfer zu verbergen versuchte und etwas regte sich in seinem Inneren. Eine Ahnung, dass dieser Junge nicht so ganz zu sein schien wie die anderen Verlorenen. Er zappelte weniger herum, flehte nicht um Gnade, hatte den Captain bisher kein einziges Mal beleidigt und stolperte nicht über die eigenen Füße vor Angst. Nachdenklich betrachtete er den Burschen ohne zu antworten, ließ den Sekunden quälenden Raum um ihre volle Unsicherheit in den zierlichen Gliedmaßen zu verbreiten. Viele Worte, viele Floskeln... der Versuch Zeit zu schinden, sich herauszureden oder vielleicht einfach nur ihn abzulenken? James hatte nicht vor, auch nur auf einen Teil des Geschwätzes ernsthaft einzugehen. Der einzige Grund warum er noch nicht zugestochen hatte, war die Tatsache, dass sich Blut nicht sonderlich gut aus rotem Brokat waschen ließ und sein Mantel ihm genug am Herzen lag, dass er ihn vor diesem Schicksal bewahren wollte. Doch schließlich stimmte ihn ein kleines Sandkörnchen in den Worten des Burschen um – eine Lektion, die er vielleicht mit ins Grab nehmen sollte, bevor Hook ihm die Kehle aufschlitzen würde.