Eine entsetzliche Angst drückte mit einem Mal jede Luft aus ihren Lungen und ließ Fionas Adern zu Eis gefrieren. Als würden kleine Splitter ihre Haut durchbohren, krampfte sich der Schmerz in die erschöpften Glieder und lähmten sie. Nur steif und ungelenk schaffte sie es beim zweiten Versuch auf die Beine, als die Schatten in Bewegung kamen und Fiona begriff, dass sie umzingelt worden war ohne es wirklich zu bemerken.
Kommentare flogen um sie herum hin und her, Worte bei denen sie viel zu lang brauchte um deren Bedeutung zu erfassen. Erneut machte sie einen Schritt zurück, trat auf den Saum des Kleides und kam ins Schwanken, bis sich eine kräftige Hand um ihren Arm schloss. Jemand zog sie ruckartig nach oben in den Stand. Fiona stolperte mit der Bewegung, schaffte es zwar auf den Beinen zu bleiben, aber das Zittern konnte sie nicht unterdrücken.
Um sie herum bewegten sich fünf, vielleicht sechs oder mehr... Männer. Es waren ausnahmslos Männer. Sie trugen Kleidung die an vielen Stellen bereits zerfetzt, löchrig oder schmutzig war. Mehr konnte sie in der Dunkelheit nicht erkennen und es reichte auch nicht aus um eine Ahnung zu bekommen, wer diese Kerle waren. Fiona schluckte, versuchte stammelnd sich zur Wehr zu setzten und dem festen Griff irgendwie zu entschlüpfen, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen waren da grobe Hände, die sich unter ihr Kleid wühlten und den Stoff höher zogen. Der Kerl griff nach ihr, wie nach einem Stück Fleisch und bei der Selbstverständlichkeit mit der er sie berührte, entglitten Fiona die Züge.
Nimm deine verfluchten Finger weg!
Sie versuchte es zu sagen, doch die Angst schnürte ihr die Kehle zu und lähmte jeden Muskel. In der aufsteigenden Panik versuchte sie die Hand wegzuschlagen, sich zu befreien... aber... er war nicht nur einen guten Kopf größer, sondern vermutlich drei Mal so kräftig wie Fiona. Ein ersticktes Schluchzen saß ihr in der Kehle, als sie immer verzweifelter versuchte sich loszureißen.
Und dann war sie frei. Eine warme Hand griff um ihre Taille, die widerlichen Finger zogen sich so plötzlich zurück, dass man sie für einen bösen Traum hätte halten können. Metall schabte über Leder, eine Klinge wurde gezogen. Ob die Waffen schon wieder gegen sie gerichtet wurden, vermochte Fiona einen Augenblick lang nicht sicher zu sagen. Doch irgendwann begriff sie, dass der Säbel zu dem Schatten vor ihr gehörte. Er hatte sie hinter sich geschoben, stand als einziger Schutz zwischen der jungen Frau und den anderen Kerlen. Fiona bemühte sich, nicht schon wieder zu Boden zu sinken und zwang ihre Konzentration auf das Geschehen vor sich. Die Männer sprachen über einen Captain, genau genommen dieselbe Stimme die sie geweckt hatte. Er klang ruhiger als zuvor, entschieden. Vielleicht war es der Anführer dieser Bande von Wilden?
Einen Kapitän gab es auf einem Schiff und Schiffe für gewöhnlich auf dem Meer. Kurz rutschte ihr Blick zu den silbrigen Wellen über denen ein gespenstischer Nebel tanzte. Natürlich musste es Schiffe geben – aber wo? Und wollte sie wirklich an Bord sein? Wenn die Crew nur aus solchen Hunden bestand? Hierbleiben und erfrieren wollte sie allerdings ebenso wenig und vielleicht konnte man ihr dort sagen wo sie war... was geschehen war. Die Liste von Dingen die Fiona wissen musste war endlos, denn ihrem Verstand entwanden sich nur mehr und mehr Kleinigkeiten je länger sie darüber nachdachte.
Aus dem Wortegefecht ließ sich deutlich die Unzufriedenheit heraushören. Natürlich. Diese Kerle wollten ihren Spaß, wenn sie es richtig verstanden hatte – und keine Frau die noch ganz bei Trost war oder nicht dafür bezahlt wurde, hätte sie freiwillig amüsiert. Fiona versuchte sich umzudrehen, in der schwarzen Nacht etwas auszumachen und doch war da nichts als glänzende Wellen. Ihr Blick glitt zurück zu dem Mann, der sie vorerst gerettet hatte... mehr oder weniger jedenfalls. Einen kurzen Moment betrachtete er sie, dann schoben sich starke Arme unter ihren Körper. Unter der plötzlichen Bewegung entkam ihr ein leiser Schrei und Fiona zuckte erschrocken zurück, doch da hatte er sie schon hochgehoben.
DU LIEST GERADE
A Neverland Tale - HOOKED (de)
Fantasía** Nur eines kann den Untergang Neverlands noch verhindern: In den finsteren Zeiten, in denen das Licht eines Sterns erlischt, muss ein neuer gefunden werden! ** Neverland - eine Welt, in der einfach alles möglich war, solange man es sich nur erträu...