Chapter 6.8 - Filou

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Finsternis lag da, wie eine Wand aus undurchdringlichem Nebel. Wabernd, raunend, hin und wieder an manchen Stellen Schlieren ziehend, die preisgaben, dass dort nicht nur reine Finsternis liegen konnte. Doch sobald man sich den Schemen gewahr wurde, waren jene geisterhaften Phantome bereits wieder verschwunden. Kalter Frost lag auf sonst so warmen Rindenrüstungen, deren Nadelkronen und Blätterkleider zitterten. Doch nun waren die schwarzen Wolken aufgebrochen, hatten wärmenden Strahlen glühender Morgensonne erlaubt durch die Fronten zu brechen und in die Welt darunter zu fallen. 


ES erwachte nicht blinzelnd aus einem tiefen Schlummer. Es schlief niemals tief, niemals so fest, bei keinem der Piraten- und vermutlich auch keinem anderen Mann hinter den Nebeln. Die Bestie zuckte mit der Nase, kräuselte sie und bleckte begierig die Zähne. Ein wilder Instinkt, der lange unterdrückt und in schwere Eisenketten gelegt worden war und dessen Augen gierig funkelten, als der Lichtschimmer auf die müde blinzelnde Welt herabfiel.


Tief atmete er ein – der ungezähmte Urinstinkt eines Mannes - roch Lust und Erregung, während ihr Atem heiß bebend gegen seine Lippen und ihr Zittern unter seinen Fingern wie ein Schnipsen gegen Kristall ausufernde Wellen schlug. Er schmeckte die würzige Erkenntnis auf der Zunge: Sie wollte ihn... er merkte es daran, wie ihre Brust sich hob und senkte und die Hitze zwischen ihren Schenkeln gegen das fast schon schmerzhaft drängende Ziehen an seinen Länden pochte. Es lag in der Luft wie ein eigener, feiner Duft den sie verströmte um klare Gedanken zu überlagern und Synapsen zu verkleben, ehe sich die geschliffenen Blitze hindurchbewegen konnten. Schwarzes Fell sträubte sich unter den Flüssen heißer Schauer, als hätte man ihm ein verlockend blutiges Stück Fleisch vor die Nase geworfen, wo viel zu lange Enthaltsamkeit und ein unberechenbarer Hunger geherrscht hatte. 


Eine karge, kalte Welt, in welcher dieses Aufbegehren von Hitze... verheerend sein konnte. Für sie. Und für ihn selbst. Wenn einmal ein erster Stein ins Rollen geriet, konnte er nach wenigen Metern stoppen und wieder still und folgenlos verharren. Doch viel öfter, vor allem dann, wenn er einen gewaltig aufgetürmten Berg herunter kullerte, riss er weiteres mit sich. Aus einem Steinchen wurde eine Welle, eine Verbindung einer neuen Wucht die alles unter sich fortriss und zum Einsturz brachte. Eine Kraft die nicht so leicht aufzuhalten war, verwurzelte Bäume wie schwere Felsen fortriss und unter der Wucht begrub. Doch... nicht diesmal. Diesmal verhakte sich der Stein zwischen Gras und anderem Geröll.


Ketten klirrten. Dunkles, schweres Eisen, dass in seiner Kälte genauso stechend in seinen Verstand fuhr und die Bestie dunkel Knurren ließ. Ein finsterer Klang, der über die messerscharfen Zähne rollte, die im Licht gefährlich schimmerten, ehe es sich wieder auf die Tatzen heruntersinken ließ. Lauernd, grollend... wissend, dass es einen anderen, passenderen Augenblick geben würde.


Er entfernte sich von ihr, trat zurück und brachte Abstand zwischen sie. Obwohl es nicht kalt war, schlug die Luft kühl wie Eiswasser über ihm herein, kribbelte über seine Haut und ließ seine Hände in dem Instinkt zucken, wieder zurück zu ihr zu gehen- und fortzuführen, was sie begonnen hatten. Aber das hier... war kein Traum. Auch wenn Neverland dazu einlud schnell zu vergessen – vor allem was auf dem Spiel stand – so war das hier keine watteweiche Welt voller bunter Farben und Flüssen voller Honigmilch. Schon lange nicht mehr. Es gab keinen Geruch von Zuckerwatte in der Luft, keine Blumenwiesen voller leuchtender Farben, welche die tiefste, dunkelste Nacht in ein Farbenmeer verwandelten.


Filou blickte sie an, die Augen auch jetzt noch verdunkelt vor Begehren, das Pochen in seinen Adern voller Glut und Feuer. Rauschend wie ein Fluss, in dem er sich gerade krampfhafter Finger an einige Wurzeln klammerte. Das letzte Mal als eine Frau... falsch – ein Mädchen – in Neverland gewesen war, brachte sie ein verheerendes Durcheinander in diese Welt. Herzen die leer waren verzehrten sich nach einer Mutter, nach Zuwendung, wie sie nur Frauen geben konnten. Zarten Fingern, sanfter Stimme, nach Geschichten und einer Wärme, welche nur die Anwesenheit von Frauen ausstrahlte. Heute... war vieles anders. Sehnsucht nach Geborgenheit war da immer noch- aber die Dunkelheit des verblassenden Sterns hatte andere, verdorbene Begehren voran geschoben und die kindliche Unschuld verblassen lassen. 

A Neverland Tale - HOOKED (de)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt