A Neverland Tale - HOOKED (de)

Kapitel 7.9 - Peter Pan

Das Band zwischen Zwillingen... es war dicker, fester geknüpft als jedes Hanfseil der Ureinwohner. Man konnte ihre Seelen nicht trennen – selbst das Vergessen Neverlands hatte es in all den Jahren nicht geschafft. Nog und Fog waren ein guter Beweis dafür, denn man fand den einen nie ohne den anderen. Ständig rannten sie irgendwo gemeinsam herum, im Kampf war es als teilten sie denselben Verstand, sähen den Gedanken des anderen noch bevor er ihn selbst sah. Eine Seele in zwei Körpern und mit dem gleichen, manchmal hellwachen und manchmal einfach nur dämlichen Verstand.

Oh ja, es gab Dinge die vor dem Einfluss der Insel geschützt waren, auf die jene Essenz sich nicht legen konnte – die Neverland niemals durchtränken würde. Aber wie konnte das möglich sein? Eine so klare Antwort gab es darauf nicht. Peter hatte lange versucht zu verstehen, warum das feine Gold nach manchen Banden so leicht die Finger ausstreckte um sie zu zerschneiden... und sich an anderen kraftlos zeigte. 

Nachdenklich ruhte sein Blick auf Jake, der verzweifelten Mine des älteren Bruders die von mehr als nur Sorge zeugte. In den geweiteten Pupillen stand... Todesangst. Peter konnte ihn verstehen, sehr gut sogar. Wie oft hatte war er selbst im Hangman's-Tree angekommen, völlig erschöpft von dem langen Sprint durch die Wälder oder einem weiten Flug, über das Abenteuer lachend, dass sich noch nicht gänzlich verflüchtigt hatte... und erst da war ihm aufgefallen, dass nicht mehr alle Jungen hinter ihm liefen. Und dabei konnten es immer auch eingefleischte Verlorene sein, die ihren Weg zurück in den Tree nicht mehr fanden – weil das Schicksal sich anders entschied. Mit dem drückenden Gefühl von Unwohlsein war Peter noch nie gut zurechtgekommen, die hektische Frage: Wann habe ich ihn zuletzt gesehen?

Und dann musste alles Revue passieren lassen. Doch meistens gab es da keine wertvollen Details mehr, die einen zu der Antwort führten. Er konnte diese Panik auch in Jakes Zügen erkennen, die sich erhärteten als Nibs sprach. Wie die Muskeln des Pips spannten, sich seine Finger leicht zuckend zur Faust ballten und der giftige Blick über die Schulter zu dem Älteren flog. Diese Sticheleien und Grabenkämpfe waren normal – selbst in solchen Situationen. Auch Peters Blick glitt einen Moment zu Nibs, der ihm mit augenscheinlich fester Mine entgegensah, seine Zweifel noch immer nicht vor Jake zu verbergen versuchte. 

Und er hatte recht, ob es dem Neuling schmeckte oder nicht. Den Wald nach Luke zu durchkämmen war ein großes Risiko, vor allem, weil sie sich nicht auf den Baumwipfeln hätten bewegen können. Zu dicht standen Büsche, niedrige Bäume und Grünzeug auf dem Boden... sodass ein niedergestreckter Körper von oben kaum zu erkennen gewesen wäre. Doch unten, zwischen tiefgrünen Wedeln und trockenem Laub, das die Schritte ungeschickter Sucher leicht hörbar machte, lauerte die Gefahr. Und alles was wirklich hungrig war, würde keinen Unterschied zwischen einem Reh und einem strampelnden Verlorenen machen. Sie mochten vielleicht allesamt geschickt sein, gute Kletterer und schnell in einem Versteck untergetaucht – doch ihren Geruch und erschrockene Atemzüge waren nicht zu verbergen. Erwischten einen die Bestien erst einmal oder tappte jemand aus Ungeschicktheit in eine Falle – dann wäre schon ein zweiter Junge verletzt. Nibs stechender Blick war also nicht völlig unbegründet, doch auch Peter waren die Streitereien zwischen ihm und den Pips nicht neu.

Die goldglühenden Augen flogen von Jake zu Slightly, der mit ernster Miene vortrat. Es war ein seltsamer Anblick, den heiteren jungen Mann nicht lächeln zu sehen – normalerweise wurden die verschmitzten Züge immer von einem breiten Grinsen verzogen. Ein kleines Warnsignal für Peter, das er nicht vorhatte zu übergehen. Fragend legte sich nun seine Aufmerksamkeit auf Nibs, dessen Rechtfertigung nicht lange auf sich warten ließ. Peter Brauen zogen sich in einer Mischung aus Ernst und Nachdenklichkeit zusammen, während er den Verlorenen zuhörte.