Kapitel 3.8 - Luke

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Als das Dickicht schließlich aufbrach und den Sandstrand offenbarte, entwich ihr ein hörbares, leidiges Stöhnen. Als ihr Blick jedoch auf die Männer mit den Fackeln und Waffen fiel, spannte sich ihr Körper sofort wieder an und sie wollte zurückweichen - prallte aber gegen die Brust des Mannes hinter ihr, sodass Hook sie den nächsten Schritt vorwärts stoßen musste. Instinkt von der Gefahr zurückzuweichen. Aber sie hatte keine Wahl, alles andere wäre eine Illusion. Hook führte sie durch die Reihen der knurrenden und bedrohlichen Männer bis hin zu einem Beiboot an dem sich die Wellen brachen. Inzwischen war Nebel aufgezogen, waberte bis an den Strand und hüllte alles in eine unheimliche Atmosphäre.


Einer der Piraten trat an sie heran und Luke konnte erst Verwunderung und dann Kälte in den Augen des Mannes erkennen, die in der Dunkelheit der Nacht schwarz wie die eines Dämonen wirkten. Trotzdem mochte jeder der Freibeuter, so eine grauenhafte Gestalt sie abgeben mochten, narbig oder grimmig, neben Hook verblassen. Grobe Hände machten sich sofort daran sie als erstes zu entwaffnen - trug sie noch immer ihren Säbel an der Hüfte, den er ihr nun aus der Scheide zog und ihn fast achtlos in den hinteren Teil des Bootes warf. Einen Moment zeichnete sich Unruhe und Panik in ihren Zügen ab, als er nach ihr fasste um sie wegen weiterer Waffen abzutasten. Gehetzt ruckelte ihr Herz, ließ ihr kurz schwindlig werden und das Blut aus ihren Gliedern weichen.
Wie genau würde er sie filzen?! Was wenn er sie abtastete und ihr Geheimnis bemerkte?! Ihre Gedanken überschlugen sich... doch zum Glück glitten seine Hände nur oberflächlich an ihrer Silhouette entlang.


Steif von dem Schreck, der ihren Kopf leergefegt hatte, wackelten ihre Schritte, als sie zum Beiboot geschubst wurde. An den Seiten des kleinen Bootes mit der wankenden Laterne, die an einem langen Stab gefestigt und in einen Haken eingehakt worden war, fanden sich hier und da Kratzspuren im Holz. Sirenen oder Meerjungfrauen, schoss es ihr in den Kopf und das flaue Gefühl in ihrem Magen wurde schlimmer, wenn sie daran dachte, jetzt über das Meer zu paddeln. Doch lange hatte sie keine Zeit zu zögern, während sie nach vorn in das wankende Beiboot trat und auf den feuchten Boden heruntergedrückt wurde. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Finger krampfhafter erst in den roten Stoff, dann haltsuchend an den Rand des Bootes gruben, um sich daran zu halten. Ihre Nasenspitze wurde noch einen Hauch bleicher, während sie die Lippen zusammenpresste um das Gefühl niederzudrücken, das sie einnahm.


Sie konnte nicht einfach ins Wasser springen. Dort würfen sie die Sirenen oder Krokodile, die nun durch den Kampf schon aufgescheucht waren zu schnell erwischen. Sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Biester sich schon sattgefressen hatten und sie deshalb nicht behelligen würden. Zudem... war sie alles andere, als eine gute Schwimmerin. Diese Fluchtmöglichkeit fiel also wie überreifes Obst. Wenn die Jolly Roger nun inzwischen bei dem Piratenlager von Hook am Heimathafen dort in der Cannibal Cove angelegt hatte, führte der einzige Weg an Land (erneut) durch die Mitte der Piraten. Gefangen von den Piraten. Diesmal aber wäre sie allein und ein leichtes Ziel. Auch das war also unwahrscheinlich.


Sie war gefangen, wurde zurück auf das Schiff gebracht und dann war da noch Hook. Das war auf mehr als nur eine Weise übel und sie wusste bei bestem Willen nicht, wie sie sich aus dieser Lage wieder hinausmanövrieren sollte.
Das Boot wurde von drei Piraten in das Wasser geschoben die nach wenigen Schritten in den Wellen bereits eilig in das Innere sprangen. Salzwasser schwappte mit hinein, sammelte sich am Boden des Bootes, dass dabei wild schwankte, bis es sich wieder ein wenig unter den kräftigen Zügen der Paddel in Position gebracht hatte. Sie spürte wie ihr Magen rebellierte, presste die Lippen zusammen und mahnte sich, dass es jetzt Schlimmeres gab als Seekrankheit.


"Mal sehen wie viel du deinem heiligen Pan wert bist. Ich wette er kennt nicht einmal deinen Namen."(Hook)


Sie war so in Gedanken versunken, dass sie anhand der Stimme nahe an ihrem Ohr zusammenzuckte. Sie schenkte Hook einen flammenden aber stechenden Blick. Könnten Blicke verletzen, zweifellos hätte ihn jetzt eine Klinge getroffen.
„Was wisst ihr schon!" Knirschte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Allerdings war es nur der Zorn, der darüber hinwegtäuschen sollte das... seine Worte sie tatsächlich trafen. Peter wusste wer sie war. Er wusste wer Luke war- denn er selbst hatte ihn nach Neverland geholt. Ihn- und Jake, ihren Bruder, weil sie darauf bestanden hatte, dass sie nicht ohne ihn gehen würde.


Peter Pan hatte sie... gerettet. Nicht wie viele andere vor dem siechenden Tod, aber auch sie hatte er aus einer Welt befreit, die sie langsam aber sicher erstickte. Ein langsamer, schleichender Tod auf eine andere Art und Weise, die auf gleichsame Art folternd und quälend sein konnte. Er hatte sie von den schmutzigen Straßen Londons geholt, wo sie für einen Hungerlohn Kisten schleppte, bis ihr die Finger bluteten. Von Sonnenaufgang bis Untergang, manchmal bis in die Morgenstunden hinein. Aus einem Leben, wo Jake sich selbst verkaufen musste, damit sie gemeinsam genug Groschen besaßen, um über die Runden zu kommen... und das alles, während ihre Mutter, die an dem Sturz ihrer Familie von ihrem hohen Sockel zerbrochen war, sich soweit betrank, dass ihre Freier sie nur noch besteigen mussten.

Wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre, hätte Lucienne – das Mädchen das sie gewesen war und die behütet aufwuchs, bis ihre Welt zusammenfiel – sich genauso hergeben sollen. Wie eine Hündin genommen, wieder und wieder für die paar Pfund, die ihre Mutter anschließend eh wieder versoff. Sie verdankte es Jake, dass sie es nicht musste. Und sie sprach bis heute aus Respekt und Schuld nicht an, was ER so teuer dafür gezahlt hatte, dass sie überlebten.
Peter Pan hatte sie mit hierher genommen. In diese Welt voller Farben, voller Wunder. Vom ersten Augenblick an, hatten seine Augen und sein Lächeln sie auf eine Art in ihren Bann gezogen ... und ja, vermutlich wäre sie ihm überall hin gefolgt. Das Vergessen dieser verdammten Zeit war so verlockend, dass sie Neverland die Erinnerungen daran freiwillig als Opfer hingeworfen hätte. Wenn das der Preis wäre, würde sie ihn lachend bezahlen!


Der Stachel stach schmerzlich, fuhr unter ihre Herzklappe und drückte, dass sie wusste, dass SIE dagegen für Peter sicher nichts Besonderes war. Einer von vielen. Einer der Verlorenen, wie jeder andere in der kleinen Horde im Hangman's Tree. Vermutlich war sie ihm unter den anderen nicht weiter aufgefallen, nachdem er sie erst einmal hier in diesem neuen Nest abgesetzt hatte. Er war sie Sonne, um die sich bei den Verlorenen alles drehte.


Sie...? Sie war nur Luke. Sie presste die Lippen zusammen, dass es beinahe schmerzte, während es ihr die Kehle zuschnürte. Die Möglichkeit, das Peter sie wirklich schon vergessen hatte, ihren Namen nicht einmal mehr wusste, bestand durchaus. Und sie war daran nicht unbeteiligt. Denn sie hatte sich absichtlich am Rand gehalten und sich stets bemüht nicht aufzufallen. Ihr Bruder war jemand, der gut vorn im Rampenlicht stehen konnte, während sie sich in seinem Schatten hielt. Und selten mochte jemand den kleinen Bruder hinter Jake beachten, wenn dieser vor ihr für genug Chaos sorgte. Was war SIE wert? Ein Pip, der noch nicht dazu gehörte und beim ersten Überfall auf die Piraten geschnappt worden war.
Würden... die Verlorenen sie einfach abhaken?
Würde Peter mit den Schultern zucken und... sie ihrem Schicksal überlassen?
Nein... nein! Hook log. Es war eine Lüge, die sie verunsichern sollte. Und sie durfte nicht zweifeln.

"Ihr wisst doch nicht einmal, was Vertrauen oder Freundschaft bedeutet." knirschte Sie bitter und kräuselte die Nase. Ihr Blick glitt zurück. Zum Strand, dem dunklen Wald über dem Koloss des Berges und in den Himmel.
Pan würde kommen.
Daran... musste sie glauben.
Er musste einfach kommen.

'Bitte... BITTE Peter.'

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