Kapitel 2.9 - Fiona

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Fiona spähte über die Schulter ihres Trägers und beobachtete die Gruppe von Männern. Misstrauisch wurden ihre Augen schmäler, doch sie konnte kaum mehr erkennen als Silhouetten und schemenhafte Umrisse. Unsicher flogen die kleinen Himmel zurück zu ihm. Er hatte sich zwischen sie und seine Leute gestellt. Ob aus Mitleid oder tatsächlich wegen dieses Kapitäns, Fiona konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Die paar Wortfetzen, die ihr bisher zugeflogen waren halfen kaum das innere Chaos zu beseitigen und man gab ihr keinen Anlass sich ein wenig zu beruhigen. Im Gegenteil. Es kam Fiona eher so vor, als wollte man sie für etwas oder jemanden aufsparen. Aber warum? Und vor allem... was konnte sie dagegen tun? 


An einem Ort den sie nicht kannte, in Gewahrsam genommen von Männern die ihr fremd waren und ohne wirklich zu wissen, wer sie selbst war. Mit der unerträglichen Anspannung in den Gliedern wollte sie nicht so naiv sein, sich Hoffnungen zu machen. Es gab nichts, dass sie im Augenblick tun konnte – einzig und allein ein Wunder half ihr vielleicht und darauf zu warten, wäre noch erbärmlicher gewesen als sich nicht einzugestehen, dass sie keine ernsthafte Chance hatte.


Elend war kein Ausdruck für die Gefühlslage, in der sie sich befand. Fiona war verletzt, zitterte am ganzen Körper und konnte kaum laufen. Immer noch brannte ihr die Kehle und mittlerweile verspürte sie mehr und mehr den Wunsch nach etwas zu trinken... Wasser. Und jetzt hatte sie es, neben Kälte, Durst und Erschöpfung auch noch mit fünf Männern zu tun, die jede falsche Bewegung zum Anlass nehmen würden über sie herzufallen. 


Vorher hatte sie geglaubt es könnte nicht mehr schlimmer kommen, als der Nachtwind ihr Nadeln aus Eis unter die Haut jagte und Sand in die offene Haut drückte... jetzt... war sie sich nicht mehr so sicher. Aber etwas musste sie doch tun können? Irgendetwas? Fiona brauchte mehr Zeit... irgendwie. Vielleicht gelang es ihr, von dem kleinen Beiboot zu springen und zurück an Land zu schwimmen? Nein, diese Option kam ihr schon lächerlich vor während sie noch darüber nachdachte. Der Mann der sie trug schien wirklich Anführer dieser jämmerlichen Truppe zu sein, denn auf seinen Befehl hin lösten sich ein paar der schmutzigen Gestalten und beschleunigten ihre Schritte. Sie steuerten einen spärlich beleuchteten Steg an, dessen Umrisse Fiona im Licht weniger Laternen erahnte.


Hatten die Männer nicht etwas von Gefahr gesagt? Hier draußen wimmelte es vermutlich nur so von Wesen, denen sie lieber nicht begegnen wollte. Seien es Männer die eindeutig zu lange keine Frau mehr gesehen hatten oder wilde Bestien, die alles zerfleischten was ihnen in die Klauen kam... oder einfach nur die Kälte selbst, der Fiona zweifellos erlegen wäre. Oder? Einen Moment zögerte sie, spielte mit dem Gedanken sich aus der Umarmung des Mannes zu befreien und einen Fluchtversuch zu wagen. Aber wie standen wohl ihre Chancen? Ehe ihr das Entkommen gelang, würde sie vermutlich noch eher über ihre eigenen Füße stolpern.


Fiona hatte so eine Ahnung, was ihn von den anderen Männern unterschied. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es nichts als Selbstbeherrschung war... und nur ein winziger Tropfen konnte das Fass vielleicht auch hier zum Überlaufen bringen. Aber... von ihm ging eine Wärme aus, die sie im Augenblick zu sehr brauchte um sich gegen den Griff zu sträuben. Auf seiner war ihre Haut eiskalt, die bläulichen Lippen drückten fester aufeinander während sie gegen den nächsten, fröstelnden Schauder ankämpfte. Es beruhigte sie zumindest ein wenig, dass er keine Anstalten machte sie an der falschen Stelle zu berühren, sondern tatsächlich einfach nur trug. Vielleicht hatte er schlichtweg mehr Herz als seine Begleiter, war intelligenter oder... hatte er möglicherweise eine Frau? Jemanden, den er vor seinem geistigen Auge sah und für den er nicht ertrug, dass ihr Leid angetan wurde?


Der Fremde spannte sich ein wenig an und behielt wachsam die Umgebung im Blick. Ruhig, stark und gelassen trugen seine Schritte sie beide über den weißen Sand. Eine gespenstische Ruhe lag in der Bucht, kaum durchbrochen vom leisen gluckern der Wellen und einem seufzenden Wind.



„Du stellst viele Fragen für eine Gefangene." (...) „Ich bringe dich auf unser Schiff- die Jolly Roger." (...) „zu unserem Kapitän – Hook. Dem rucklosen Schrecken aller Weltmeere und vor allem der Neverseas." (...) „Du hattest Glück Missy. Du bist nicht gefressen und ertränkt worden... allerdings fürchte ich, dass du unser neues Juwel in der Sammlung unseres Kapitäns sein wirst." (Filou)



Überrascht drehte sie den Kopf zu ihm. Die dunklen Augen funkelten ihr entgegen als er kurz den Blick von der Bucht abwandte. Es war kein Scherz, Fiona sah die Ernsthaftigkeit in den weicheren Zügen und er lachte auch nicht. Obwohl ihr nicht mehr ganz so kalt war, begann sie wieder zu frösteln und diesmal ließ sich das leichte Zittern kaum unterdrücken. „Eine Gefangene, ja?", fragte sie schroffer als es beabsichtigt war. Hätte sie etwas mehr über die Männer gewusst, über die Insel oder die Regeln, denen auch sie sich fügen würde müssen... sicherlich wäre ihre Reaktion darauf eine andere gewesen. 

Aber so? 

Fiona ahnte weder etwas über die Konsequenzen einer Gefangenschaft, noch die Absichten des angeblich berüchtigten Kapitäns. Sie versuchte ihrer Stimme mehr Festigkeit zu geben, doch statt der beabsichtigten Sicherheit floss eher ein Hauch der Entrüstung mit ein. Gefangene, das Wort gefiel ihr nicht und das sie sich mit ihrem Schicksal auch noch glücklich schätzen sollte... 


„Ich bin kein Stein und auch kein Gegenstand.", stellte sie etwas leiser fest und hob trotzig das Kinn. „Und euer Kapitän wird keinen Spaß mit mir haben... auch sonst keiner von euch."


 Obwohl genau in diesem Augenblick eine kleine Windböe über sie hinwegstich und den zierlichen Körper erbeben ließ, erwiderte Fiona seinen Blick stoisch. Beinah so, als könnte ihr sein Verständnis irgendetwas helfen... aber vielleicht tat es das ja auch?


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A Neverland Tale - HOOKED (de)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt