4. Sozialarbeiterin

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„Freitag, kannst direkt mitkommen, wenn du magst." seufzte Simon und kratzte sich am Hinterkopf. Seine Haare waren was länger als sonst, war das wohl mit Absicht? „Okay" antwortete ich und wir gingen wieder in den Raum um unsere restlichen Sachen zu holen, dann gingen wir alle in die Pause.

Ich setzte mich irgendwo auf eine Bank auf dem Schulhof und hörte was Musik. Das war jetzt die vorletzte Stunde vor der Deutsch Klausur, wahrscheinlich sollten wir die Referate deshalb so schnell machen. Hätte aber auch nie gedacht, dass ich mal bei Simon Zuhause wäre. Wie das wohl so ist? Sicher ist alles weiß und schlicht gehalten und dann nennt man es modern. Ich muss ja nicht drin wohnen, also kann es mir eigentlich auch egal sein. Jetzt hatte ich noch Musik und dann musste ich auch schon zur Sozialarbeiterin.

Dort angekommen setzte ich mich auf einen Stuhl vor ihren Raum und wenig später kam auch Simon und setzte sich gegenüber von mir hin. „Wehe wir bekommen gleich irgendwie noch mehr Stress." flüsterte Simon böse „Denkst du ich kann das gebrauchen?" und dann schwiegen wir auch bis die Sozialarbeiterin uns hereinließ.

„Na dann kommt mal rein ihr Lieben" begrüßte sie uns und wir setzten uns stumm auf die zwei Stühle, die vor ihrem Schreibtisch standen. „Alsoo ich hab ja schon einiges von euch mitbekommen und ich würde euch einfach gerne den Anstoß dazu geben euch irgendwie mal auszusprechen, denn ich denke ihr wisst beide, dass das so nicht weiter gehen sollte." wir nickten beide nur stumm. Hier mussten wir tatsächlich zusammen arbeiten mehr oder weniger.

„Ich hab euch hier ein Spiel mitgebracht." verkündete sie und stellte eine Schachtel mit Karten auf den Tisch. Fragend schaute ich sie an „Wir spielen heute Pantomime!" erklärte sie uns feierlich... das kann doch nicht ihr Ernst sein oder? „Und wie soll das irgendwem weiterhelfen?" schnaubte Simon, verständlich.

„Bei Pantomime geht es darum einen Begriff darzustellen aber der andere muss es schließlich auch verstehen und deshalb spielt Einfühlsamkeit hier eine wichtige Rolle!" sie interpretierte in das Spiel mehr rein als es ist. Immerhin redete man da nicht so viel bei.

„Ich guck euch zu und mache mir Notizen. Ihr könnt anfangen!" fügte die Sozialarbeiterin noch hinzu. Wir sind doch keine Tiere im Zoo. Ich schüttelte den Kopf und Simon machte keinen Anschein sich zu bewegen, deshalb nahm ich die erste Karte vom Stapel ‚Baum' hä was zum fick? Sind das einfach die ersten Wörter die einem so eingefallen sind?

Ich seufzte und stellte mich wie ein Baum hin indem ich meine Arme über mir zu einem Kreis hielt. Simon grinste mich an und genoss kurz den Moment meiner Blöße, bevor er „Baum" sagte. Die Sozialarbeiterin nickte zufrieden und dann nahm Simon eine Karte und machte sich bereit.

„Ich darf nicht sprechen, ja?" fragte er noch mal nach „Weißt du nicht was Pantomime ist?" lachte ich woraufhin die Sozialarbeiterin mich böse anguckte. Die ist aber auch empfindlich, Mensch.

Simon machte komische Bewegungen die sich später als ‚Ski fahren' herausstellten und nachdem wir uns eine halbe Stunde zum Affen gemacht hatten, unterbrach die Frau auch endlich den Albtraum.

„Okay wie fandet ihr's?" sie schaute uns erwartungsvoll an. Verletzen wollte ich sie aber auch nicht „Ganz nett." log ich und das war wirklich mit Abstand das netteste was ich hätte sagen können. Simon nickte nur.

„Was habt ihr hieraus mitgenommen?" fragte sie dann weiter. Sie provoziert das ganze aber auch. „Das Empathie wichtig ist?" meldete sich Simon und wartete, ob sie die Antwort zufrieden stellte. „Also ich finde ihr habt euch heute gut geschlagen" wortwörtlich „und ich bin stolz wie weit ihr gekommen seid. Ihr habt gut zusammen gearbeitet und seid auf den anderen eingegangen. Ich hoffe ich konnte euch etwas weiterhelfen. Falls mal was seinen sollte, steht meine Tür natürlich offen." und damit verabschiedeten wir uns von dieser komischen Frau.

„Wenn du jemandem von dieser Scheiße erzählst, bring ich dich um." murmelte Simon, da wir noch nicht weit von ihrem Büro waren. Ich nickte nur, ich war zu erschöpft, um jetzt noch irgendwie zu diskutieren. „Lass uns das einfach vergessen." meinte ich dann nach einer Zeit und diesmal nickte der andere.

„Was denkt sich die dumme Kuh aber eigentlich auch!? Was muss die uns so bloßstellen? Die geilt sich bestimmt daran auf." fluchte Simon vor sich hin. „Wenn wir da nochmal hinmüssen dann sorg ich persönlich dafür das sie gefeuert wird." sprach er weiter leere Drohungen aus. „Dann lass vielleicht nicht nochmal hin." schlug ich vor und der kleinere nickte. Von seinem Verhalten her würde man nicht direkt denken, dass er der Streber von uns beiden war.

Irgendwann war ich dann auch Zuhause und ein bisschen aufgeregt auf Simons Haus war ich schon. Erstmal musste ich allerdings diesen Tag verarbeiten. Das war mir alles zu komisch heute gewesen.

Aber morgen war ja erstmal Donnerstag. Meine Mutter hatte heute Spätschicht und war noch nicht wieder Zuhause. Irgendwie fing ich an nachzudenken und lag nur noch stumm auf meinem Bett.

Manchmal war es irgendwie schon traurig, dass ich keine wirklichen Freunde hatte und die einzige Zeit die ich mit anderen verbringe, waren die Raucherpausen mit Simon, war ja schon irgendwie was peinlich. Aber das gab er mir ja auch oft zu verstehen.

Manchmal wäre ich gerne nicht allein und manchmal verspürte ich eine so große Sehnsucht nach Zuneigung, dass ich es garnicht in Worte fassen konnte. Ja, sie machte mir teilweise etwas Angst. Wann war ich eigentlich so armselig geworden?

Aber ich wusste mir auch nicht wirklich zu helfen. Viele aus meiner Schule konnten mich ja auch nicht leiden und das machte es auch nicht leichter. Mir fehlten zärtliche Berührungen, aber es war schon peinlich darüber nachzudenken, ich musste mir dann immer vorstellen, wie er mich auslachen würde. Was auch immer Simon damit zutun hatte...

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967 Wörter

Raucherpausen (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt