Er joggte nicht etwa, weil er vor etwas davonlief. Nicht, weil ihn etwas bedrückte, oder ihm jemand das Leben erschwerte. - Im Gegenteil, die Herausforderungen und Hindernisse waren der Grund, warum er jeden Tag die Bettecke zurückschlug. Sie waren der Grund, warum er überhaupt das Haus verließ und den Rücken durchstreckte, anstatt sich unter der Last auf seinen Schultern, der Schwere der Schuld und der alles zersetzenden Leere zu krümmen, die der Tod seines Vaters hinterlassen hatte.
Seine Muskeln spannten sich an. Die der Oberschenkel, der Waden und des Gesäßes, aber auch die seines Rückens, der Schultern und der Oberarme. Das Herz schlug schneller. Die Atemfrequenz stieg, und mit jedem Schritt war ihm, als ob der Ballast des Tages von ihm abfiel. Hoffnung und Enttäuschung, Triumph und daraufhin Scham und Niedergeschlagenheit, Gedanken, die zwischen Euphorie und Depression wandelten, verflüchtigten sich wie eine Dampfwolke, die jemand in die kalte Nachtluft hinausgestoßen hatte. Keine Überlegung, keine Erinnerung fand in seinem Kopf mehr Platz. Der Kopf war wie leergefegt. Es war, als hätte der Körper die Kontrolle übernommen und als gäbe er sich dem Genuss der fordernden und fördernden Tätigkeit, dem Laufen, hin, wie es seine Vorfahren vor Millionen vor Jahren getan hatten. Wenn auch aus einem vollkommen anderen Grund.
Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Julian ein herannahendes Fahrzeug. Warum auch immer stoppte dieses abrupt und riss ihn aus der Trance. Julian tat es dem Auto gleich und blieb stehen. Freund oder Feind? ging ihm durch den Kopf. Hatte Somento jemanden angeheuert, um ihm allein für die Bemühung, dunkle Machenschaften aufzudecken, eine saftige Abreibung zu verpassen?
Seine Muskeln brannten vor Anstrengung. Trotzdem spannte er sie kräftig an, um im richtigen Moment zu fliehen oder sich notfalls zu verteidigen.
Die Tür ging auf und eine schlanke Frau mit kurzem, abstehenden blonden Haar stieg aus. Während Begriffe wie „Groupies" und „Berufung" fielen, versuchte sich Julian an ihren Namen zu erinnern. Hieß sie Sonya? Nein, Jasmine, korrigierte er sich. Jasmine, die knallharte Kämpferin, die einen grobschlächtigen Mann binnen Sekunden von den Beinen reißen konnte.
Sie konfrontierte ihn mit der heutigen Niederlage, die er bis dahin erfolgreich verdrängt hatte. Streute Salz in die Wunde, die nässte. Sein Herz krampfte sich zusammen zu einem winzigen Stein. Er ballte die Hand zur Faust. Hier ging es nicht um Groupies, hier ging es darum, dass man ihn mit falschen Informationen abgespeist hatte, dass die Bösen mit ihrem miesen Treiben davongekommen waren, mit Preisabsprachen, Gewerkschaftsunterdrückung und ihren Lügen bezüglich der vermeintlichen Gesundheitsprodukte. Das Unternehmen hatte der Spionin falsche Dokumente untergejubelt und zu allem Übel hatte es dank seines Fernsehauftritts eine Schutzweste erworben, die ihm niemand so schnell hätte abreißen können. Verächtlich schnaubte Julian, während Jasmine fortfuhr. Aber was verstand diese Soldatin davon, wie es in ihm brodelte und weshalb.
„Ich will dir hier nichts von deiner Zukunft erzählen. Das haben schon andere gemacht", sagte Jasmine, ohne auch nur ein Mal zu blinzeln.
Julian rollte mit den Augen. „Allerdings."
Plötzlich versetzte sie ihm einen Hieb in die Brust. Luft entwich seiner Lunge. Er machte ein paar Schritte rückwärts.
„Allerdings?", blaffte sie. „Halt die Klappe. Zuerst musst du dein eigenes Leben in den Griff kriegen. Das heißt, dass du dich abhärten musst. Momentan bist du gerade mal so bedrohlich wie ein Schnupfen."
Julian lächelte zynisch. Und wenn schon! Letzten Endes stand sie hier, vor ihm, dem zukünftigen Anführer, dessen Ansichten Jahrzehnte überdauern und in die Köpfe vieler Menschen sickern würden. Doch diese Bemerkung verkniff er sich. Stattdessen konterte er: „Und du bist die Richtige dafür? Wieso, hm? Was ist für dich drin?"
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Rise of Theseus (Continuum-Fanfiction)
FanfictionUm ein Anführer zu werden, muss der 21-jährige Julian Randol selbstbewusster und aggressiver werden. Zum "Üben" sucht er sich Abby aus. Er wollte die 28-Jährige schon immer mal nackt sehen ..., sich aber auf keinen Fall verlieben.