In der Mall

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Abby hatte die Schule verlassen und schlenderte zur Bushaltestelle, als ein ihr bekanntes Fahrzeug zu ihrer Rechten das Tempo drosselte. Automatisch fuhr eine Fensterscheibe herunter. Abbys Herz machte einen Sprung. Aufregung und Nervosität machten sich in ihr breit und wichen Sekunden später aufkeimender Wut.

Ein rotblondgelockter Kopf erschien durch das offene Autofenster. „Wie geht's?"

„Ging gut ... bis du gekommen bist."

Da Abby keine Anstalten machte, stehenzubleiben, fuhr ihr Ethan hinterher.

„Lust auf eine Spritzfahrt?"

Sie könnte schwören, dass eine Vene an ihrer Stirn heraustrat. „Lass mich raten: Wir fahren zu ihm?"

„So war der Plan."

Abby blieb stehen, ballte die Hände zu Fäusten und kniff die Lider und Lippen zusammen, um im Beisein der Schüler, die an ihr vorbeigingen, nicht aufzuschreien. Hinter Ethan hupten Autos, weil er anhielt, und fingen an, ihn zu überholen. Abby schluckte ihre Wut herunter und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Mit dem Zeigefinger rief sie Ethan zu sich, worauf er sich nach vorne streckte und sie durch das offene Fenster angrinste.

„Was stimmt nicht mit ihm?"

Ethans Lippen bewegten sich, als suchte er nach den richtigen Worten. Da kam ihm Abby zuvor.

„Verstehe", sagte sie nickend. „Du weißt nicht, wo du anfangen sollst."

Einen Augenblick lang starrte er sie verdutzt an. Dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte schallend.

Abby setzte ihren Gang fort. Schülergruppen stürmten an ihr vorbei. Auch einige Lehrerinnen und Lehrer machten sich auf den Heimweg. Sie schämte sich, dass Ethan ausgerechnet jetzt hier aufgetaucht war. Garantiert würde sie sich nicht vor allen in den Wagen eines jungen Mannes setzen, der wahrscheinlich noch nicht allzu lange volljährig war. – Oder überhaupt je wieder.

Wieder hatte Ethan sie eingeholt und ließ den Wagen neben ihr herrollen. Abermals löste er eine Kakophonie aus Huplauten aus. Er hatte sie ein wenig überholt, stoppte das Auto und streckte ihr ein Handy entgegen. „Bitte. Es ist wichtig."

Abby holte tief Luft und ermahnte sich, nichts Falsches zu sagen. Immerhin könnte jemand, der sie kannte, Wind davon bekommen, was hier ablief, und dann sähe sie sich gezwungen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

„Ja?", bellte sie in den Hörer.

„Wie ich höre, willst du nicht mitfahren." Julians Stimme tönte dunkel und überraschend emotionslos für jemanden, dessen Absichten unverschämter Natur waren.

„Du hast mir etwas versprochen. Schon vergessen?"

„Du meinst die Fotos?"

„Meinen Teil der Abmachung habe ich erfüllt", rief ihm Abby ins Gedächtnis. „Du deinen nicht."

Einen Moment lang war es still. In ihr keimte die Hoffnung auf, dass Julian die Bilder vernichtet hatte, nachdem er mal wieder aus dem Zimmer gestürmt war.

„Richtig. Habe ich nicht", stellte er klar.

Abbys Nasenflügel bebten. Ihre Finger krallten sich um das Handy, als wäre es Julians Hals.

„Ohne dieses Druckmittel schlägst du meine Einladung jedes Mal aus", sprach Julian. „Aber wenn du heute erscheinst, lösche ich sie in deinem Beisein."

„Ja klar", knurrte sie. „Wahrscheinlich hast du sie längst in der Cloud gespeichert."

Julian verneinte.

Rise of Theseus (Continuum-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt