Zeit für Veränderungen

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In der Messehalle tobte das Leben. Menschen strömten ins Gebäude, andere verließen es. Stimmgewirr und Gelächter übertönten die ruhige Musik, die hier und da aus den Boxen erklang. Die Stimmung im Team war ausgelassen, und obwohl sich alle erst vor wenigen Stunden kennengelernt hatten, verhielten sie sich einander gegenüber fast wie Freunde, wie Abby zufrieden feststellte. Nur Julian und Kendra bildeten eine Ausnahme. Beide waren fast zeitgleich wieder am Stand erschienen und verbreiteten eisige Kälte.

Es dauerte, bis Julian wieder auftaute. Sobald es jedoch soweit war, kümmerte er sich um Journalisten und potentielle Geschäftskunden, die mehr über das Start-up erfahren wollten. Kendras Gesicht hingegen blieb wie versteinert. Nur ab und an schoss sie tödliche Blicke in Abbys Richtung.

Irgendwann nahm der Besucherstrom drastisch ab. Nur noch einzelne verirrten sich zu ihrem Stand oder zu dem anderer Aussteller. Schließlich war es an der Zeit, den Stand abzubauen, wobei alle kräftig mit anpackten.

Kaum war die letzte Tasche mit Informationsmaterial im Wageninneren verschwunden, riefen Jason und Terry alle zusammen. Sie bedankten sich herzlich für die Hilfe, hofften auf ein baldiges Wiedersehen und verabschiedeten sich von allen. Nachdem sie gegangen waren, waren Julian, Abby und die anderen noch in der Halle, die sich nach und nach leerte.

„Wie sieht's aus?" Julian war vor ihr erschienen, die Hände in die Hosentaschen vergraben. Hinter ihm plauderten Chuck, Ethan und Zoe angeregt miteinander. „Wir gehen alle noch ins Murphy's. Lust auf einen Drink?"

Abby warf Kendra einen flüchtigen Blick zu. Kendra hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute sehnsüchtig in Richtung der offenen Tore, als könnte sie es kaum erwarten, von hier wegzukommen.

„Tut mir leid, aber ich bin heute verabredet."

„Mit deinem Freund?"

„Und Freunden", ergänzte sie. „Vielleicht ein anderes Mal?"

Geräuschvoll sog er Luft durch die Nase ein. „Klar. Wieso nicht?"

Abbys Gedanken kreisten nur um ihn, den jungen Mann, der so viele widersprüchliche Emotionen in ihr hervorrief. Sie sah ihn vor sich auf dem Weg nach Hause. Sie sah ihn, während sie duschte und sich anschließend schminkte. Sie dachte an ihn und die Art, wie er sie angesehen hatte, als sie das Haar hochsteckte und in eine frische Bluse und enge Jeans schlüpfte. Selbst als Phil sie sachte auf die Wange küsste, sah sie Julians markantes Gesicht vor ihrem geistigen Auge. Ihr Herz flatterte, in ihrem Bauch kribbelte es, wenn sie sich vorstellte, nicht Phil, sondern Julian würde sie zu den Eldridges begleitete.

Der halbe Tag an seiner Seite hatte Abby so sehr geprägt und ihre Fantasie angekurbelt, dass sie sich kaum auf das befreundete Pärchen Susie und Grayson konzentrieren konnte. Während sie zu viert Monopoly spielten, war alles in Abby in Aufruhr. Unruhe, Aufregung, Aufbruchsstimmung gewannen im Wechsel die Oberhand. Schmetterlinge schwirrten in ihrem Magen, plötzlich auftretende Hitze ließ sie schwitzen, und Julian war der Grund dafür.

Sie hielt es nicht länger aus und entschuldigte sich unter einem Vorwand. Später kehrte sie mit einem Glas Wasser zurück zu den anderen. Doch anstelle sich neben Phil zu setzen, blieb sie im Türrahmen stehen.

Eine Welle von Zuneigung und beinahe schon platonischer Liebe erfasste Abby, als Phil sich über seine gewürfelte Zahl freute. Der gute, alte Phil. Lieb, nicht ambitioniert, vorhersehbar. Sie würde ihm wehtun, würde ihn verletzen. Doch seine Wunden würden heilen. Das wusste Abby.

Ihre Entscheidung stand fest.

Egal, wie sie das Gespräch begann, egal, welche Worte sie wählte, das Ergebnis bliebe dasselbe. Deshalb entschied sich Abby, ohne Umschweife zur Sache zu kommen.

Nervosität machte sich in ihr breit, als sie abgeschminkt aus dem Badezimmer zurückkehrte. Sie nahm am anderen Sofaende Platz und holte tief Luft. „Phil, da ist etwas, was ich dir sagen möchte ..."

Phil hob eine Augenbraue.

Abby wartete, bis er den Blick vom Fernseher abwandte, und sie direkt ansah. „Ich habe mich in einen anderen verliebt", sagte sie mit bebendem Herzen.

Nur langsam drang der Satz zu Phil durch. Doch als er dessen Tragweite erfasste, setzte er sich gerade hin. „Was?" Mehr brachte er nicht heraus.

Abby lächelte traurig. „Ich kenne ihn schon seit einigen Monaten. Es hat sich langsam entwickelt, aber nun weiß ich, dass ich für ihn viel mehr empfinde, als für dich."

„Abby ..." Phil rang um Fassung und starrte seine Hände an, als stünde auf den Innenflächen, wie die Situation gelöst werden musste. „Liegt es an meiner gestrigen Äußerung bezüglich deines Gewichts?"

„Ja, nein, vielleicht", gab sie zerstreut zur Antwort. „Nein, nicht deswegen."

Er setzte sich neben sie und starrte sie bestürzt an.

„Hör zu, ich kann und möchte nicht das Idealgewicht erreichen, das dir vorschwebt ..."

„Musst du ja nicht", warf Phil sofort ein. „Ich kann mich an alles gewöhnen."

Abby stutzte. Versuchte er gerade, die Beziehung zu retten, indem er über seinen Schatten sprang? Das war überhaupt nicht nötig.

„Das brauchst du nicht", sagte sie besänftigend und tätschelte liebevoll seine Hand. „Es ist okay. Ich habe mich bereits entschieden."

Sein Blick verfinsterte sich. „Hast du mit diesem Anderen geschlafen?", platzte aus ihm heraus. Die erste, echte Gefühlsregung seit so langer Zeit.

Abby schüttelte den Kopf. „Bevor ich es tue, möchte ich einen sauberen Cut."

Phils Züge glätteten sich, weil er es ihr glaubte. „Ich könnte doch ...", setzte er erneut an.

„Phil", schnitt ihm Abby freundlich das Wort ab und drückte seine Hand etwas fester. „Ich habe erkannt, dass ich mein Leben nicht weiterhin auf dieselbe Art und Weise gestalten will, wie bisher. Nur Pärchen- oder Fernsehabende. Ich möchte mich einsetzen, ich möchte aktiv sein und etwas zum Wohle anderer Menschen bewirken."

„Davon halte ich dich ja nicht ab", rief Phil beinahe verzweifelt aus.

Lächelnd schüttelte Abby den Kopf. Egal, wie sehr er sich bemühte, es hatte einfach keinen Zweck mehr.

„Aber ich, aber wir ..."

„Phil, mein Entschluss steht fest. Ich möchte diese Beziehung beenden."

In den folgenden Stunden flossen Tränen, fielen Beschuldigungen, folgten Erklärungen und die erneute Wiederholung des bereits Gesagten. Es dauerte, bis Phil die Nachricht verarbeitet und akzeptiert hatte.

Sie wusste nicht, ob Julian und Kendra nicht ein Paar waren. Sie wusste auch nicht, ob er und sie selbst überhaupt zusammenkommen würden, und welche Probleme ein Unterschied von sieben Jahren mit sich brachte. Aber so oder so wusste Abby, dass sie sich mit Phil keine Zukunft mehr vorstellen konnte. Nicht, nachdem Julian sich in ihr Herz eingebrannt hatte. Denn Julian wäre fortan ständig präsent in ihrem Kopf, wenn sie in Phils Armen lag, wenn sie neben ihm schlief oder mit ihm Sex hatte. Das war Phil gegenüber nicht fair.

Nach so viel Trubel und Aufregung fiel Abby – allein im gemeinsamen Bett, denn Phil übernachtete im Wohnzimmer - in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Rise of Theseus (Continuum-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt