Reue, Scham ... und Einsamkeit

4 1 0
                                    

Eine Weile lang stand Julian wie erstarrt da. Langsam hörte seine Wange auf zu brennen, und Abigails Worte sickerten in sein Bewusstsein. Gedanken schwirrten ihm im Kopf herum. Gedanken, mit denen er sich nicht beschäftigen wollte, die er am liebsten wie einen Haufen Laub aufsammeln und in einen Behälter stopfen wollte, damit er sie nie wiedersehen musste. Da diese Option nicht zur Wahl stand, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich unters Volk zu mischen.

Nachdem er abgewartet hatte, bis die Erektion nachließ, hastete Julian die Stufen hinunter. Die Bewegung tat ihm gut. Sie löste die Verspannung zwischen seinen Schulterblättern und machte seinen Kopf frei. Seine Muskeln verlangten nach einer Runde Joggen, aber Augenpaare hatten ihn fixiert, und Julian war klar, dass mehr als drei Anwesende beobachtet hatten, wie Abigail fluchtartig das Haus verlassen hatte. Niemand sprach ihn darauf an, als er die letzte Stufe hinter sich ließ, jedoch durchbohrten sie ihn mit fragenden Blicken und forderten ihn stumm auf, den Mund zu öffnen.

Zum Teufel mit ihnen!

Julian schnappte sich eine offene Flasche mit rotgoldener Flüssigkeit. Seine Kehle brannte, als er daraus trank. Auf den ersten Schluck folgte der zweite und sofort der dritte.

„Hey, hey, nicht so schnell." Ethan war neben ihm aufgetaucht und versuchte, nach der Flasche zu greifen. Hastig fing Julian an zu schlucken, als hinge sein Leben davon ab.

Energisch riss Ethan das Getränk an sich und verschüttete davon einiges.

„Was ist das für eine Party, auf der man nicht trinken darf?", begehrte Julian auf. Der Alkohol fing an zu wirken. Wohlige Wärme breitete sich von der Magengegend in alle Körperteile aus. Besonders seine Beine wurden schwer und er taumelte gegen einen Jungen. Lachend entschuldigte sich Julian und torkelte zum Sofa.

Endlich wirkte der Alkohol wie erhofft. Sein Blick verschwamm, die Bewegungen wurden fahrig und seine Laune hob sich. Der Kopf wurde leer. Frei von allem, was ihn belastete, beschämte und nachdenklich stimmte.

Julian ließ sich auf das Sofa fallen. Keine zehn Sekunden später hatte sich Kendra mit einer Flasche Bier zu ihm gesellt.

„Wer war das Mädchen?"

„Wer?" Julian tat ahnungslos.

„Die Blondine."

Amüsiert musterte Julian die junge Frau. Obwohl sie vor seinen Augen verschwamm, entging ihm ihre Reaktion nicht. „Bist du etwa eifersüchtig?"

Kendra winkte ab.

„Doch, bist du", rief er über den Lärm um sie herum amüsiert aus. „Weshalb? Du und ich haben uns nichts geschworen und nichts vereinbart. Wir haben nur was Lockeres am Laufen."

„Schon klar." Sie wandte den Blick von ihm ab und rieb an ihrer Hose, wie um einen imaginären Fleck zu entfernen. „Ich habe dieses Mädchen noch bei keiner Versammlung gesehen und bin einfach neugierig. Das ist alles."

Julian grinste. Kendra war also nicht eifersüchtig. Wer's glaubte. Die Eifersucht trat aus jeder Pore ihres Körpers aus.

„Wer also ist die Unbekannte?"

Die letzten Minuten liefen wie ein Film vor Julians geistigen Auge ab. Fast hatte er Abigail da, wo er sie seit Wochen haben wollte, nämlich unter sich. Da musste sie sich aufbäumen und ihm eine knallen. Er bildete sich ein, noch immer ein schmerzhaftes Stechen in der linken Wange zu spüren, wo sie ihn getroffen hatte.

Seine Hand ballte sich zur Faust. Mit der anderen entriss er Kendra die Flasche und trank daraus, bis er sich verschluckte. Dann reichte er sie Kendra wieder. „Wer sie ist?" Er wusste nicht, wer lauter war – er oder die Musik, die aus den Boxen dröhnte. „Ein Niemand. Sie ist ein Niemand!"

Rise of Theseus (Continuum-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt