Logans Schuldgefühle

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1 Tag zuvor bei Kendall

Kendalls Sicht:

Schmerzen. Nichts als Schmerzen. Überall auf meinem Körper befanden sich Hämatome, doch zu meinem Glück war eine Operation nicht erforderlich. Logan und der Notarzt hatten eine gute Vermutung, doch es war schlussendlich nicht die richtige Diagnose. Einige Untersuchungen im Krankenhaus später stellten heraus, was wirklich passiert war. "Mrs. Knight ich kann Entwarnung geben. Ihr Sohn kann ohne Operation entlassen werden. Durch die geprellten Rippen entstehen auch die Schmerzen beim Ein und Ausatmen", erklärte der Arzt gestern Nachmittag. Mum und ich waren sichtlich erleichtert über diese positive Nachricht und ich konnte heute Vormittag bereits das Krankenhaus verlassen. Vorsichtig setzte ich mich in Mums Auto und zischte vor Schmerzen als wir schlussendlich losfuhren. Mum achtete darauf einerseits nicht schnell zu fahren und Straßen zu wählen, die nicht stark über die letzten Jahre beschädigt wurden. Zuhause angekommen, half mir Mum wieder aus dem Auto zu kommen und stützte mich den gesamten Weg bis ins Wohnzimmer. "Kendall, was ist passiert?", fragte Katie als sie die Treppen nach unten gerannt kam. "Eine Prügelei aber keine schlimmen Folgen davongetragen", war meine kurze Antwort. Verwirrt sah mich meine kleine Schwester an und richtete ihren Blick anschließend auf Mum. "Bedeutet zwei geprellte Rippen, eine gebrochene Nase, ein gebrochener linker Arm und eine Menge blauer Flecken", ergänzte Mum und Katie nickte. "Hört sich sehr schmerzhaft an", kommentierte Katie und sah mich bemitleidenswert an. "Das wird wieder alles Katie", versicherte ich ihr und fühlte meine stechenden Schmerzen während ich redete. "Es wäre jetzt das Beste für Kendall, wenn er nach oben geht und es sich in seinem Bett gemütlich macht. Du musst schließlich deine Verletzung auskurieren", forderte Mum und ich stützte mich mithilfe von Mum und dem Treppengeländer nach oben in mein Zimmer. Dort angekommen, verfasste ich eine Nachricht und schickte sie anschließend an Logan.

Tag 23.12.

Logans Sicht:

"Man, habe ich starke Kopfschmerzen", stöhnte ich und warf meinen Kopf zurück auf das Sofakissen. "Liegt wohl daran, dass du zu viel Alkohol getrunken hast", hörte ich Presley und schüttelte den Kopf. "Du solltest anstatt Spirituosen eher Wasser in Massen trinken", erwähnte eine mir bekannte Stimme und stellte auf den Couchtisch ein Glas Wasser ab. "Ich höre Stimmen die nicht da sein sollten", redete ich in meinem verkaterten Zustand. "Also ich habe mir eine andere Begrüßung von dir vorgestellt als dich unter diesen Umständen zu sehen", erkannte ich nun Jakes Stimme. "Jake?", fragte ich verwirrt und versuchte mich umzusehen was nicht ohne Schmerzen gelang. "Ja junger Mann?", antwortete er und stand neben mir. "Was machst du hier?". "Weihnachten steht vor der Tür und du solltest das hier schlucken", erklärte er und hielt mir eine weiße Pille vor die Nase. "Was ist das?", fragte ich skeptisch. "Etwas gegen deine Kopfschmerzen". Unsicher blickte ich zwischen der Pille in Jakes Hand und seinen Augen hin und her bis ich die Pille schnell mit Wasser schluckte. "Bist du in der Lage uns zu erklären, warum du Alkohol getrunken hast?", fragte Jake und sah mich mit gespanntem Blick an. Ich seufzte laut und wollte die gesamte Situation einfach wieder vergessen. "Es gibt keinen Grund", antwortete ich und hielt meine Hände über meine Augen. "Bedeutet es gibt ebenfalls keinen Grund warum du gestern dein Handy wie ein Psycho auf den Boden geworfen hast?", fragte Pres. Bevor ich antworten konnte, hörte ich wie sie sich von mir entfernte und Richtung Schlafzimmer ging. "Presley!", rief ich und ich fühlte sogleich ein starkes Stechen in meinem Kopf. In diesem Moment wurde mir klar, dass die Nachricht von Kendall noch auf dem Display zu lesen war, da ich sie nicht als gelesen markiert hatte. "Gib mir sofort mein Handy", verlangte ich und sah sie mit wütendem Blick an. "Wovor hast du Angst Logan? Ist etwas auf dem Handy was dein Verhalten erklären könnte?", fragte sie und drückte einen der Knöpfe an meinem Smartphone und konnte nun auf dem Sperrbildschirm die Nachricht lesen. Jetzt bin ich geliefert, dachte ich mir und ließ mich zurück auf die Couch sinken.

"Warum bist du gegangen? Ich vermisse dich. Mum hat gesagt, dass du etwas Dringendes erledigen musstest und deshalb das Krankenhaus verlassen hast?", las Pres vor und ich sah sie überrascht an. Diese zweite Nachricht kannte ich noch nicht. "Du warst im Krankenhaus?!", rief Pres aufgeregt und Jake versuchte sie zu beruhigen. "Ganz ruhig Presley. Ich kläre das", erwähnte Jake und stand von seinem Stuhl auf und kam zu mir. "Wir klären das Logan", verlangte er in ernster Stimmlage und half mir von der Couch aufzustehen. In den nächsten Minuten befanden wir uns im Schlafzimmer und Jake schloss die Tür hinter uns ab. Genervt und erledigt von den Folgen des Alkohols setzte ich mich auf mein Bett und versuchte den Schwindel so gut es ging auszublenden. Jake gesellte sich an meine Seite und einige Sekunden herrschte Stille. "Muss ich dir nun zahlreiche Fragen stellen oder schaffst du es von selbst mir zu erzählen was vorgefallen ist?", fragte er ruhig und richtete seinen Blick an meinen Schrank der knapp einen halben Meter vor uns platziert war. "Es gab keinen Vorfall", erwähnte ich und wollte einfach meine Ruhe. Mit Jakes nächster Aussage war ich überrascht und hätte das nicht erwartet. "In Ordnung", stimmte er zu und nickte. Verwirrt sah ich ihn an und dachte nicht, dass das Gespräch so schnell vorbei sein könnte. "Mir ist bewusst, dass du dich im Moment nicht wohl fühlst. Abgesehen von dem restlichen Alkoholspiegel in deinem Blut. Jemand wie du, der sich mit unterschiedlichsten Problemen von Schülern beschäftigt wie auch Ahnung in Psychologie hat, sollte wissen, dass man auch seine eigenen Probleme besprechen sollte. Deine Psyche wie auch dein Gemütszustand leiden mehr darunter, indem du alles in dich hineinfrisst als darüber zu sprechen. Aber das sollte dir bereits bekannt sein", erklärte er und Jake hatte eindeutig recht. Während meiner Anfangsphase in Sachen Psychologie habe ich ihm viel von den Verhaltensweisen von Menschen unter Einfluss verschiedener Krankheiten erzählt, wie auch Muster wo Personen versuchen ihr aktuelles Problem zu verdrängen. Er hatte gut aufgepasst bei allem was ich erzählt hatte.

"Ich bin daran schuld, dass Kendall im Krankenhaus gelandet ist", platzte es aus mir heraus als ich dem Druck nicht mehr standhalten konnte. "Was ist passiert?", fragte Jake ruhig. "Mit einer Kollegin und zwei Klassen hatten wir gestern einen Ausflug. Alles verlief ohne Probleme bis zwei Schüler zu mir gerannt kamen und erzählten, dass gerade ein Schüler der 4KD verprügelt wird. Mit dieser Nachricht lief ich den beiden hinterher, zerrte den Schüler der gerade Kendall verprügelte von ihm herunter und konnte dann einige seiner Verletzungen sehen. Darunter ein stumpfes Bauchtrauma Schweregrad unbekannt", erzählte ich und musste bei dem letzten Satz wieder schluchzen. Jake schloss mich in seine Arme und beruhigte mich auf diese Weise nach einigen Minuten. "Ok. Warum bist du nun schuld daran Logan?". "Kendall ist in seiner Klasse ein Mobbingopfer. Ich hätte besser auf ihn aufpassen müssen, da ich es längst wusste, wie weit die Schüler gehen konnten", erwähnte ich und schniefte. "Du bist nicht schuld Logan. Du hättest das nicht wissen können, dass es genau bei diesem Ausflug zu dieser Art Auseinandersetzung kommt. Auf Kendall kannst du nicht jede Sekunde aufpassen, selbst als sein Lehrer". Mit Tränen in den Augen blickte ich ihn an und sagte nichts dazu. "Kendalls Nachricht klang eher so, dass er dich vermisst. Er ist nicht wütend auf dich wegen diesem Vorfall", versuchte Jake mir klarzumachen. "Er nicht aber seine Mum", erwähnte ich und richtete meinen Blick auf den Teppich auf den Boden. Jake sah mich fragend an bis ich erklärte. "Nach diesem Vorfall habe ich den Notarzt angerufen und habe Kendall ins Krankenhaus begleitet. Dort rief ich seine Mum an, die gerade Dienst hatte und erzählte ihr in Kurzform was passiert war. Sie war total aufgebracht, warf mir einige Vorwürfe an den Kopf, dass ich nicht auf Kendall aufgepasst hätte und so weiter. Dann verlangte sie von mir, dass ich auf der Stelle das Krankenhaus verlassen soll aber ich wollte bei Kendall bleiben. Nach zwei Aufforderungen und zwei schmerzhaften Schellen habe ich das Krankenhaus verlassen. Den Rest kennst du von Presley", erzählte ich die Geschichte zu Ende. "Du hast Alkohol getrunken, um diesen Vorfall für diese Nacht zu mindestens zu vergessen?", fragte er und ich nickte daraufhin. "Verstehe. Ich kümmere mich darum mein Junge", sagte Jake und ich sah ihn verwundert an. "Du denkst doch nicht, dass wir morgen durch diesen Vorfall noch zum Essen eingeladen sind?", fragte ich und sah ihn an. "Ich denke schon und ich werde das mit Kendalls Mutter regeln und alles wird wieder gut", antwortete er selbstbewusst. "Bin gespannt ob du das hinbekommst", sagte ich. "Natürlich. Du wirst schon sehen. Immerhin war ich derjenige der es geschafft hat deine Mutter zu verführen", erwähnte er und ich verdrehte die Augen. "Hör auf damit. Ich will kein Kopfkino davon!", bat ich, stand von meinem Bett auf und wollte aus meinem Schlafzimmer bis mich Jake packte und in seine Arme schloss. Jake ist der beste Stiefvater den man haben könnte.

MFT 2/ AbschlussklasseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt