Kapitel 8

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Es war Samstag und so fand ich mich auf der großen Wiese auf der Rückseite des Schlosses wieder. Es war ein Ritual von Ethan und mir, hier unsere Samstage zu verbringen. Ich schrieb und er saß zumeist einfach nur da, um sich über mein Gesicht zu belustigen. Passend zu den Worten, die ich schrieb, verformten sich auch meine Lippen. Die Tradition ging zurück auf einen Sommertag vor drei Jahren. Ein ähnlicher wie heute. Blauer Himmel, die Vögel zwitscherten. Ich hatte damals beschlossen, aus welchen Antrieb auch immer, mein Zimmer zu verlassen und es mir mit einer Decke auf der großen Wiese bequem zu machen. Alle taten das und ich dachte, dass ich so womöglich Anschluss finden könnte. Falsch gedacht, doch das war nicht weiter schlimm, weil die Landschaft mich inspirierte. Die Woodstone Academy lag auf einem Hügel und wenn man herunterblickte, sah man unzählige Kiefern, die in den frühen Morgenstunden von einem dichten Nebel umgeben waren. Lediglich die Spitzen schauten heraus. Jedenfalls war dies die Zeit, in der mich Ethan hasste. Ich war schuld, dass wir hier waren. Zumindest war das seine Meinung und ich würde lügen, wenn ich mich nicht selbst manchmal dafür verabscheute. Dementsprechend überrascht war ich, als ich Ethan an diesem Morgen auf meiner Decke wiederfand. Bittend starrte er mich an und ich wusste auch sogleich warum. Die Stimme von Chloé, seiner ersten Freundin, ertönte. Sie war … Wie soll ich es am elegantesten ausdrücken? Sie war ein Kontrollfreak. Ich hatte keine Lust mich in deren Beziehung einzumischen und so zeigte ich zumindest nicht mit dem Finger auf Ethan, als sie ihn lauthals rief. Irgendwann war die Blondine dann verschwunden.

„Du solltest Schluss mit ihr machen, wenn du dich vor ihr verstecken musst.“

Es entkam dem Dunkelhaarigen lediglich ein zustimmendes Gemurmel, sodass ich mich wieder meinem Roman widmete. Es war mein erster großer Erfolg, doch das war eine andere Geschichte. Gegen meine Erwartung verschwand Ethan nicht. Er lag immer noch auf meiner Decke und starrte dem Himmel entgegen. Fast, als wäre der Platz zu schön, auch wenn er an meiner Seite lag.

„Warum das schreiben?“

Im Nachhinein stellte ich Damian fast dieselbe Frage über das Eishockeyspielen.

„Es hilft mir, mit all dem klarzukommen.“

„Wie meinst du das?“

„Nun ja, sowohl die guten, als auch die schlechten Gedanken, sie fließen in die Zeilen. So bevölkern sie weniger meinen Kopf.“

Eine lange Zeit hatte mich Ethan einfach nur mit diesem undefinierbaren Blick angestarrt. Beinahe, als hätte er endlich begriffen, was mir das Schreiben bedeutet. Es war nie aus einer Laune heraus, es war ein Ventil, um mein Leben zu verarbeiten. Zumindest strafte er mich seit diesem Tag nie wieder mit dem Schweigen und am nächsten Samstag trafen wir uns erneut auf dieser Wiese. Nicht, dass wir das abgesprochen hätten.

Schon von Weitem sah ich den großen Kerl auf unserem Platz. Ein Ort, circa fünf Meter entfernt von einer Erle mit zwei Stämmen. Dieser Punkt hatte im Sommer immer den richtigen Anteil von Schatten und Sonne. Ethans Blick war abermals in den Weiten des Himmels verloren. Sein Ausdruck so suchend, als könnte er darin die Antworten auf all seine Fragen finden.

„Hey.“

Er wandte sich nun mir zu.

„Hey.“

Sein sonstiges Lächeln war heute zu einer grimmigen Linie verzogen. Schnell nahm ich Platz und packte meinen Notizblock aus. Es war mehr als oldschool und auch sehr umständlich, wenn man bedachte, dass ich mein Geschriebenes immer wieder abtippen musste, doch es gefiel mir. Was mir jedoch nicht gefiel, war Ethans Ausdruck, der mich studierte, als wäre er kurz davor mir eine Frage zu stellen. Noch bevor ich den Bleistift ansetzen konnte, legte ich meinen Notizblock wieder zur Seite. Mit einem aufmunternden Lächeln starrte ich ihn an.

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