Kapitel 47

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Früh am Morgen wurde ich durch ein lautes Geräusch geweckt. Schlagartig zog ich die Bettdecke hinauf und blickte der Tür entgegen, wo Marie mit großen Augen im Türspalt Platz nahm. Ihr Rucksack war ihr zu Boden gefallen und ich wusste auch warum. Als meine Sicht nach rechts fiel, lag da ein gut aussehender Dunkelhaariger, der mit Sicherheit nicht Damian war.

„Das ist jetzt neu“, raunte die Blondine, bevor sie eilig verschwand. Ich starrte noch eine Weile der Tür entgegen, ehe ich mich frustriert ins Bett fallen ließ.

„Schätze, Marie hat mich gesehen“ hauchte der Schönling belustigt.

Seine Arme schlangen sich um mich und zogen mich noch näher an ihn. Sein Bartschatten versenkte sich an meinem Hals. Ich musste kichern.

„Ethan, das ist nicht lustig.“

Ich spürte seine Finger, wie sie über meinen oberen Rücken tanzten.

„Gib zu, es ist schon irgendwie amüsant.“

Ich fühlte jedes Wort, wie es sich rasend um meine Haut wob. Ich zog jetzt das dünne Laken über unsere nackten Körper. Unsere Augen trafen sich und so wurde auch sein Schmunzeln immer schmaler.

„Alle Schüler gehen davon aus, dass ich noch mit Damian zusammen bin.“

Seine Hand setzte sich zärtlich an meine Wange. Ich wünschte wirklich, wir müssten dieses Bett niemals verlassen.

„Aber das bist du nicht mehr.“

„Das wird niemanden interessieren, wenn man hört, dass wir noch am selben Abend miteinander geschlafen haben.“

Der Dunkelhaarige presste seine Lippen aufeinander, als würde auch er langsam verstehen, dass diese Blase aus Sorglosigkeit nicht ewig andauern wird.

„Versteh mich nicht falsch, ich sehe letzte Nacht keinesfalls als Fehler an, doch …“

„Doch es ist ein sehr ungünstiger Zeitpunkt.“

Ich nickte, fast ängstlich. Ich hatte Angst, was man über mich denken könnte, doch bei Weitem mehr Angst hatte ich Ethan wieder zu verlieren.

„Damals in New York sagte ich, wir sollten es langsam angehen. Niemanden von uns erzählen. Doch das gab ich nicht von mir, weil ich die Furcht hatte, was die anderen über uns denken würden, sondern weil ich befürchtete, ich würde es vermasseln, wenn es ernst wird.“

Schließlich starb sein Vater und das ganze Chaos nahm seinen Lauf. Erwartungsvoll starrte ich hinauf, zu seinen dunklen Augen.

„Ich will keine Angst mehr haben. Ich will mit dir zusammen sein, ganz offiziell.“

Mein Verstand wollte all die Konsequenzen aufzählen, doch mein Herz machte einen Satz. Ich fuhr überlegend über meine Lippen.

„Zwei Wochen.“

Etwas verdutzt sah mich der Eishockeyspieler an. Erneut hielt ich zwei Finger in die Höhe.

„Ich will mit dir zusammen sein, doch gib uns zwei Wochen, bevor wir es einer anderen Person erzählen.“

Der Mann, dessen Hände noch immer auf meinem Rücken lagen, schien zu überlegen. Ich lehnte mich hinauf, legte meine zärtlichen Hände in seinen Nacken. Unsere Lippen schwebten so nah beieinander.

„Als heimliches Paar können wir noch immer das hier tun.“

Erst ein sanfter Kuss, dann zwei. Ich löste mich immer wieder, wartete sehnsuchtsvoll auf sein Nicken, bis er es schließlich tat. Beinahe freudig erhob ich mich jetzt.

„Gut, dann sollte ich jetzt Marie suchen.“

Doch bevor ich das Bett verlassen konnte, spürte ich Ethans Griff an meinem Handgelenk. Als ich in seine Augen blickte, sprang mir pures Verlangen entgegen.

„Das kannst du nicht tun“ hauchte er.

Der Dunkelhaarige zog mich zurück, seine eine Hand an meinem Rücken, die andere an meinem Nacken verschwunden.

„Was kann ich nicht tun?“, summte ich unwissend.

„Mich küssen und dann gehen wollen.“

Seine Hand wurde grober, wie sie sich über meinen Körper arbeitete.

„Mich damit erpressen wollen und dann verschwinden.“

Ertappt biss ich mir auf die Lippen.

„Eine Woche und dieser Morgen mit dir und ich werde das vergessen.“

Sein Ausdruck dunkel und verführerisch und so war ich nun diejenige, die nickte.

***

Auch wenn außer Marie niemand von letzter Nacht wusste, zog ich verlegen an meinem Rock. Ich sah es nicht als falsch an, denn nichts hat sich je richtiger angefühlt und doch hatte ich ständig vor Augen, was die anderen denken werden. Mein Blick schwebte gerade über den Schulhof in der Hoffnung meine Freundin zu finden. Ich ging nicht davon aus, dass sie jemanden verraten würde, was sie gesehen hat, doch ich sollte es dennoch klarstellen. Während mein Augenmerk so über den Schulhof schweifte, entdeckte ich zwei Brüder, die mir sehr bekannt waren. Damian und Nathan schienen ein bedeutungsvolles Gespräch zu führen, was schließlich mit einem breiten Lächeln endete, das sich über ihr ganzes Gesicht zog. Sie müssen sich vertragen haben.

„Ich denke, du schuldest mir eine Erklärung.“

Etwas überrumpelt fuhr ich herum zu der Frau, die gerade an meine Seite getreten war. Marie nahm genauso wie ich die beiden Brüder ins Visier. An ihrem Gesagten konnte ich nicht ablesen, was sie von der ganzen Sachen hielt. Wahrscheinlich wusste sie nicht, was sie denken sollte.

„Es ist eine lange Geschichte“ gab ich seufzend von mir.

„Ich bin mir sicher, ich kann dir folgen.“

„Als Ethan und ich in New York waren, haben wir miteinander geschlafen.“

Geschockt riss sie die Augen auf.

„Und das war nicht unser erstes Mal.“

Ihr Mund wurde immer größer und größer.

„Doch dann haben wir von Ethans Vater erfahren und er stieß mich von sich, was okay war, da wir nicht mal eine Beziehung geführt haben.“

Ich sah meiner Freundin an, wie betroffen sie war, dass ich ihr all das verheimlicht hatte.

„Das mit Damian hat mich dann einfach mit sich gerissen und es war fantastisch …“

„… doch du konntest Ethan nicht vergessen.“

Ich nickte.

„Besonders, nachdem er mir gestanden hatte, dass er mich liebt.“

Ich nahm einen tiefen Atemzug der frischen Luft. Schloss für kurze Zeit die Augen.

„Doch ich wollte die Beziehung mit Damian nicht aufgeben. Er bedeutet mir wirklich viel, doch gestern mussten wir uns beide eingestehen, dass wir keine aufrichtigen Gefühle füreinander hegen. Und dann stand da Ethan vor unserer Tür …“

„Bitte erspar mir die schmuddeligen Details.“

Ekel erregt verzog sie das Gesicht, was mich gleichauf zum Lachen brachte. Unser Blick wanderte wieder zu den beiden Brüdern.

„Und jetzt?“

„Jetzt hoffe ich, du kannst mir verzeihen.“

Marie legte grüblerisch ihre Hand an ihr Kinn.

„Da müsstest du schon einen riesigen Eisbecher von Henrys spendieren.“

Ich musste Kichern und meiner Freundin fiel es wirklich schwer es mir nicht nachzutun.

„Abgemacht.“

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