Das ganze Essen über war ich erschreckend ruhig, denn ich hatte Angst, dass Nathan seinem Versprechen nachgehen könnte. Ich sah hinauf zu meinen Begleitern. Damian erzählte unaufhaltsam über das Spiel, während Nathan ihm mit einem Lachen folgte. Er würde das nicht tun. Er könnte niemals den Traum seines Bruders zum Platzen bringen, oder doch? War seine Verbitterung wirklich so weit vorgedrungen? Ich könnte ihm hier und jetzt den Wind aus den Segeln nehmen, doch ich wäre mir unsicher, wie er reagieren würde. Doch es war auch keine Option sich von Damian zu trennen, schließlich liebte ich ihn und wir sind doch gerade erst wieder zusammengekommen.
„Nathan steht auf mich“, platzte es einfach so aus mir heraus.
Nichts von der Erpressung, nur dieser einzelne Fakt. Erst starrten mir beide Männer geschockt entgegen, bevor Damian blinzelnd seinen Blick auf seinen Bruder richtete.„Ist das wahr? Stehst du auf meine Freundin?“
Im selben Moment sprang Nathan auf. Unter seinen Augen hatten sich Schatten gebildet und sein Brustkorb senkte sich gefährlich stark.
„Jetzt tu doch nicht so überrascht.“
Der Eishockeyspieler hob seine Augenbrauen in die Höhe.
„Ich habe nie behauptet, dass ich damit aufgehört habe und du hast mich wirklich überrascht, als du mich nicht verdächtigt hast, Elli Rosen vor die Tür gelegt zu haben.“
„Du warst das? Aber du bist doch mein Bruder Nathan!“
Damian war noch immer sprachlos.
„Und du warst meiner!“
Nathan sah verachtend zu Damian hinab. War es womöglich ein Fehler? Hätte ich seiner Forderung besser nachgeben sollen?
„Dennoch hattest du nicht mal den Anstand nach unserem Versprechen mich um meinen Segen zu bitten.“
Ertappt sah Damian zu seinem Bruder. Seine Sicht sank nun hinab zu dem Tisch.
„Ich wusste, du würdest mir nicht die Erlaubnis erteilen. Ich war dabei, mich in Elli zu verlieben. Was hättest du an meiner Stelle getan?“Ich fühlte mich immer unwohler und das nicht nur aufgrund der anderen Gäste, die uns aufgrund der Lautstärke missbilligende Blicke zuwarfen. Es war dumm von mir, die Bombe platzen zu lassen.
„Ich hätte dich zuvor gefragt. Deshalb bin ich ja so wütend. All die Jahre habe ich dich vor Vater beschützt, indem ich jedem seiner Wünsche folgte. Denkst du, ich wollte das? Denkst du wirklich, ich habe auch nur eine Sekunde dabei nicht an dich gedacht?“
Damians Blick wurde steif. Er hatte es tatsächlich nicht gewusst.
„Denkst du, ich wollte, dass du das für mich tust?“
Nathans Ausdruck wurde starr vor Schreck und ehe wir uns besinnen konnten, stürmte er davon. Ich wollte ihm nacheilen, doch Damian hielt mich am Handgelenk zurück.
„Lass ihn gehen. Es ist gut so.“
Nicht gut. Ich hatte gehofft, sie würden sich aussprechen und daraufhin könnten wir all das vergessen. Sollte ich Damian von der Erpressung erzählen? Aber womöglich würde ich nur noch einen größeren Keil zwischen die beiden treiben. Atemlos ließ ich mich gegenüber von Damian fallen. Er bemühte sich ein leichtes Lächeln aufzusetzen, doch dieser Versuch war wohl eher kläglich.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, entgegnete der Dunkelhaarige.
Liebevoll umgriff ich seine Hand.
„Was fühlst du?“
Erst zuckte er mit den Schultern, setzte dann aber doch zu sprechen an.
„Ich fühle mich schuldig. Wie konnte ich so lange nicht bemerken, was mit ihm los war? Viel mehr habe ich es bemerkt und es dennoch als nichtig abgetan.“
Damian schüttelte über sich selbst den Kopf.
„Ich habe diese Lüge der Sommerromanze erfunden, nur um mich dem nicht zu stellen.“
Der Eishockeyspieler sprang auf. In seinem Gesicht erkannte ich deutlich die Vorwürfe, die er sich machte.
„Ich sollte jetzt gehen.“
Er wollte mir schon den Rücken zukehren, da hielt ich ihn an seinem Arm zurück.
„Du bist kein schlechter Mensch“, flüsterte ich, während ich behutsam an seine Wange fuhr.
Doch Damian drehte sich weg, setzte diesen verachtenden Blick auf.„Aber ich bin ein schlechter Bruder und ein schlechter Freund. Ich habe gespürt, dass etwas mit dir nicht stimmte, doch du musstest erst etwas sagen, damit ich es wirklich verstand.“
Der Eishockeyspieler entfernte sich etwas.
„Ich brauche etwas Zeit allein.“
Ich nickte verstehend und so sah ich eine ganze Weile dem breiten Rücken hinterher, bevor ich mich erschöpft auf die gepolsterte Bank fallen ließ. Ich blieb zeitweilig sitzen. Es war wahrscheinlich ein armseliger Anblick. Ich versuchte zu verstehen, was heute alles geschehen war, doch egal, wie viel Mühe ich mir gab, es ergab einfach keinen Sinn.
Mittlerweile war ich auf dem Weg zum Internat, stellte mir die Frage, wie es jetzt wohl weitergehen wird. Wird Nathan seine Drohung umsetzen? Wie wird Damian sich verhalten? Welche Konsequenzen, werde ich wohl tragen müssen? All die Fragen beschäftigten mich, als ich mich erschöpft in mein dunkles Zimmer schob.
„Da bist du ja endlich.“
Ich zuckte zusammen, versuchte vor lauter Dunkelheit etwas zu erkennen, doch es gelang mir nicht. Zumindest bis derjenige, die Schreibtischlampe anschaltete. Nathan saß ganz vergnügt auf meinem Stuhl, drehte sich immer mal hin und her, während er ungeniert seinen Blick über mich schweifen ließ. Panisch schaute ich umher, in der Hoffnung Marie zu finden, doch es war vergebens. Sie war nicht da. Ich dachte stark darüber nach, einfach zu fliehen, doch wohin sollte ich fliehen?
„Was tust du hier?“, zischte ich ihn an. Vergnügt sprang Nathan von meinem Stuhl auf, trat einige Schritte auf mich zu. Ich wich zurück, bis ich gegen die Wand prallte.
„Du hast mir etwas sehr Wertvolles gezeigt, Elli.“
Seine Finger fuhren zart über meine Wange. Doch es war keine liebevolle Berührung. Viel eher eine Drohgebärde, die mich erzittern ließ. Er hatte ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, was passieren würde, wenn ich etwas sage und gerade jetzt sah ich eingeschüchtert der Wand hinter mir entgegen. Ich hätte fliehen sollen, als ich die Wahl dazu hatte.
„Ich kann Damians Traum nicht zerstören.“
Blinzelnd versuchte ich sein Gesagtes zu verstehen.
„Doch ich kann dich dennoch zu dem meinem machen.“
Nathan deutete auf meinem Schreibtisch. Mein Tagebuch lag darauf. Wie konnte er es finden?
„Da stehen viele interessante Sachen über dich drin. Deine heimliche Karriere als Schriftstellerin, dein erstes Mal mit deinem Stiefbruder. Was wohl die anderen dazu sagen werden?“
Ich konnte nicht anders, als vor Furcht zu schlucken, doch ich würde es darauf ankommen lassen.
„Ethans Prügelei mit Damian und Maries illegaler Marihuana Besitz.“
Geschockt riss ich die Augen auf. Die Direktorin würde sie von der Schule schmeißen und somit wäre meinetwegen ihre Zukunft für immer verbaut.
„Ich dachte mir doch, dass ich dich damit unterkriege.“
Frustriert stieß ich ihn von mir weg, während Nathans raue Lache den Raum erhellte.
„Was willst du?“, hauchte ich ihm entgegen.
„Fürs Erste einen Kuss auf die Wange.“
Perplex stierte ich ihm entgegen.
„Ein Kuss auf die Wange, das ist alles?“
Nathan nickte und so trat ich widerwillig auf den Dunkelhaarigen zu.
»Es ist nur ein Kuss auf die Wange« versuchte ich mich zu beruhigen. Nathan beugte sich zu mir herab und so setzte ich einen flüchtigen Kuss auf seine Wange. Verwirrt beobachtete ich, wie er zum Rückzug ansetzte und kurz darauf aus dem Zimmer verschwand. War es das jetzt? Erleichterung wollte sich breit machen, da fielen mir erneut seine Worte ein.
»Fürs Erste.«
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Woodstone Academy
Teen Fiction𝐄𝐥𝐞𝐧𝐨𝐫𝐞 𝐇𝐚𝐫𝐩𝐞𝐫, 𝐞𝐢𝐧 𝐥𝐚𝐧𝐠𝐰𝐞𝐢𝐥𝐢𝐠𝐞𝐬 𝐌ä𝐝𝐜𝐡𝐞𝐧, 𝐝𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐮𝐫𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐀𝐛𝐞𝐧𝐝 𝐝𝐞𝐫 𝐋𝐮𝐬𝐭 𝐯𝐨𝐥𝐥𝐤𝐨𝐦𝐦𝐞𝐧 𝐯𝐞𝐫ä𝐧𝐝𝐞𝐫𝐭. Elli geht gemeinsam mit ihrem Stiefbruder auf die Woo...