Kapitel 29

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„Die Heilung schreitet nicht so schnell voran, wie ich dachte."

Mit hoffnungsvollen Augen sah ich dem Mann mit der großen Brille entgegen. Er trug weißes Haar und dann dieses sanfte breite Lächeln. Ich hatte nie meine Großeltern kennengelernt, weder mütterlicherseits noch väterlicherseits. Die Eltern meiner Mutter waren aus einem bestimmten Grund aus unserem Leben verbannt. Ihr Vater hatte sie als Kind geschlagen und ihre Mutter hatte ihn verteidigt. Und die von meinem Vater ... Nun ja, er war abgehauen, bevor es die Möglichkeit gab.

„Sie sollten den Fuß noch eine Woche schonen und dann sollten sie ihn wieder ganz normal belasten können."

Mit zusammen gebissenen Zähnen nickte ich ihm zu. Das, was er von sich gab, sagte mir überhaupt nicht zu, auch wenn ich noch in der Vorstellung schwebte, wie schön es wäre jemanden wie ihn als meine Familie zu bezeichnen. Herzlich und beständig. Jemand wie er würde immer für mich da sein.

„Sind sie sich sicher?"

Wehmütig setzte sich der ältere Herr zurück auf meine Bettkante.

„Es muss wahrlich einsam sein, den ganzen Tag allein hier herumzuhocken. Warum bist du nicht bei deinen Eltern, Kindchen? Schließlich sind Ferien."

Schnell zog ich die Mauer auf, hinter die er versuchte zu gelangen. Mein Blick richtete sich starr auf die Wand uns gegenüber.

„Mir geht es gut. Danke fürs Vorbeikommen."

Mitleidig starrte er mir entgegen, doch auch er wusste, dass er es nicht erneut schaffen würde, eine Sicht über die Fassade zu werfen. Sanft legte der Doktor seine faltige Hand auf meinen Arm, bevor er sich erhob und schließlich das Zimmer verließ. Mein Augenmerk fiel auf das Fenster. Ich sah in der Ferne die Kiefern. Ich vermisste den Geruch, der einen einholte, wenn man hindurchspazierte. Alles fühlte sich dann so leicht an. So unbedeutend, während mich in diesem Zimmer meine Gedanken drohten zu verschlucken. Die Vibration meines Handys riss mich aus meinem täglichen Chaos. Eine Nachricht von Ethan. Wahrscheinlich schrieb der Dunkelhaarige, wann er heute da sein würde. Eine Woche war vergangenen und ich vermisste ihn. Wir waren seit Jahren nicht mehr getrennt. Ich öffnete mit einer gewissen Euphorie seine Nachricht, denn auch wenn die letzten Ereignisse furchtbar waren, so sehnte ich mich danach, das zwischen uns zu kitten.

Hey Elli,

ich wollte dich noch wissen lassen, dass ich dich den Sommer Zuhause verbringen werde, um Zeit mit meinem Vater zu verbringen, bevor ... du weißt schon.

Das war's. Kein Satz bezüglich uns. Keine Aufforderung, ihm nachzukommen, wenn mein Fuß verheilt war. Keine Nachfrage, wie es mir ging. Nun war es offiziell, Ethan hatte mich fallen lassen, wie der Fehler, der ich in seinen Augen war. Tränen begannen sich ihren Weg zu bahnen, da zog ein Klopfen meine Aufmerksamkeit zu sich. Schnell wischte ich die Tränen davon, setzte ein Lächeln auf und bat die Person hinein. Damian trat hindurch, mit diesem breiten Grinsen. Er setzte sich an meinem Bett und starrte dem Fuß entgegen.

„Was hat der Arzt gesagt?"

Er konnte nicht mit dabei sein, denn es sollte noch immer niemand erfahren, dass er hier war. Der Eishockeyspieler war ein Dickkopf in jeglichen Bereichen. Ich nickte schmal, versuchte das Lächeln noch etwas zu vergrößern.

„Ich kann ihn wieder belasten."

Skeptisch begann er, mich zu mustern.

„Elenore!", gab er mahnend von sich.

Ich seufzte auf.

„Ist ja gut. Mein Fuß benötigt noch eine Woche, aber Damian, ich halte ..."

„Aber dies ist nicht der Grund, warum du geweint hast, nicht wahr?"

Seine Aussage erwischte mich kalt.

„Du hast seinetwegen gehofft, dass dein Fuß geheilt wäre. Damit du ihm nachreisen kannst."

Dem konnte ich nichts entgegenstellen. Doch egal, was meine Intention war, nun war es ohnehin egal.

„Ethan bleibt über die Ferien bei seinem Vater."

Damian hatte diesen ernsten Ausdruck aufgesetzt und starrte eine ganze Weile der weißen Wand entgegen. Ich kam nicht über den Gedanken, ihn verletzt zu haben.

„Du musst ihn vergessen."

Ich lenkte meine Sicht an die Decke, versuchte krampfhaft, die Tränen hinweg zu blinzeln.

„Wenn das so einfach wäre, hätte ich das schon getan."

Hätten wir doch nie miteinander geschlafen. Die Welt, sie wäre in Ordnung. Damian sah mich wieder an, setzte links und rechts seine Hände von mir ab.

„Wir werden heute ausgehen?"

Resigniert blickte ich ihm entgegen. Glaubte er wirklich, dies wäre der passende Moment dafür? Ich war alles andere, als über Ethan hinweg.

„Was ist mit meinem Fuß?"

„Ich werde dich tragen."

Erneut suchte ich nach einer Ausrede, doch mein Gegenüber ließ mir dafür keine Zeit.

„Du wirst mit mir ausgehen oder ... kein oder. Du wirst mit mir ausgehen, schließlich hast du der Abmachung zugestimmt."

Überrumpelt zog ich meine Augenbrauen in die Höhe. Damian würde kein nein akzeptieren und so nickte ich schließlich.
Der Dunkelhaarige stand jetzt auf.

„Sehr gut, dann hole ich dich um acht ab."

Der Eishockeyspieler war gerade auf dem Weg zur Tür, da unterbrach ich ihn.

„Was, wenn du mich fallen lässt, wie es Ethan getan hat? Was, wenn du mich fallen lässt, wie es jeder Mann in meinem Leben bisher getan hat?"

Er hielt in seiner Bewegung inne. Damian warf mir einen Blick über die Schulter zu. So zuversichtlich, so glücklich.

„Das werde ich nicht tun."

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