Kapitel 37

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Perplex drehte ich mich um. Erst jetzt begann ich ihn näher zu mustern. Die Haut unter seinen Augen wurde von einem sanften Schatten geschmückt und seine Iris hatten etwas Verletzliches.

„Wir können keine Freunde sein.“

Wie sehr ich es mir auch wünschte.

„Das, was geschehen ist, kann nicht wieder rückgängig gemacht werden.“

Ethan trat nun näher an mich heran.

„Weil wir miteinander geschlafen haben oder weil ich dich geschlagen habe?“

Angst und Neugier hatte im gleichen Maßen sein Gesicht besetzt.
Als wäre mein Gegenüber in der Vergangenheit selbst gefangen, fuhr seine Hand hinauf zu meiner Wange. Der Dunkelhaarige berührte sie nicht und doch stellte sich jedes meiner Härchen auf. Nicht aus Furcht.

„Ich nehme es dir nicht übel, dass du mich geschlagen hast. Ich fürchte mich nicht vor dir. Damals übertrat ich deine Grenzen. Es war meine Schuld.“

Ich hielt einen Moment inne. Ich beobachtete, wie sein ganzes Selbst Widerstand leisten wollte, doch ich war noch nicht fertig.

„Wir können keine Freunde sein, weil ich noch immer etwas für dich empfinde.“

Alles um uns herum war still und ich verblüffte mich selbst mit meiner Ehrlichkeit. Ein Lächeln zierte jetzt seine Lippen und ich erkannte, dass er am liebsten zu mir kommen würde. Jedoch hielt ich abwehrend die Hände vor meinen Körper.

„Damian ist mir wichtig. Ich fühle etwas für ihn und selbst wenn diese Beziehung in die Brüche gehen würde, wüsste ich nicht, ob ich dir vertrauen könnte. Du hast mein Herz schon einmal gebrochen, nur weil du dachtest, du würdest mich beschützen. Das war kein Schutz.“ 

Ethans Hand fiel hinab und geistesabwesend wanderte er zu seinem Bett. Langsam setzte er sich darauf und stützte sich mit seinen Armen ab.

„Ich werde mir nie verzeihen, diese Worte gesagt zu haben.“

Ich wusste genau, wovon er sprach. Wir beide wussten es.

„Ich hätte nicht sagen sollen, dass das mit uns ein Fehler war. Nicht nur, weil es nicht stimmte, sondern weil ich damit unser beider Beziehung zerstört habe.“

Ein tiefer Seufzer legte sich in den Raum hinein und eine Weile ertönte kein Mucks von ihm und so schielte ich auf die Türklinke.

„Wir könnten es versuchen. Freunde zu sein.“

Ich hatte gerade tausende Gegengründe aufgelistet und dennoch hielt er daran fest.

„Wir waren früher immer füreinander da, es wäre schade, wenn wir das verlieren würden.“

Das, was er sagte, traf mich. Bevor ich Damian begegnete, gab es nur Ethan. Sollte diese Beziehung enden, wäre ich vollständig allein. Noch einsamer, als ich es ohnehin schon war.

„Mein Vater …“

Der Dunkelhaarige begann zu erzählen, als hätte ich längst meine Zustimmung gegeben. Wie von allein trat ich zu seinem Bett, ließ mich neben ihm nieder, auch wenn dies sehr markante Erinnerungen aufleben ließ. Für kurze Zeit sah mich Ethan einfach nur an, bevor er schließlich weitersprach.

„Mein Vater und ich haben eine stärkere Bindung als je zuvor. Er hat mir das Fischen beigebracht.“

Ich musste schmunzeln. Nicht nur wegen der Freude in seinem Ton, sondern auch weil Ethan längst fischen konnte. Ich war dabei, als er es sich selbst beigebracht hatte. Die Erinnerungen daran brachten mich immer zum Lächeln. Seine Miene wurde wieder ernster.

„Wir haben viel über meine Mutter geredet und den Grund für unsere Distanz nach ihrem Tod.“

„Ihr beide habt getrauert.“

Der Dunkelhaarige nickte, sein Kiefer war dabei, zu arbeiten.

„Mein Vater wusste, dass ich seine Hilfe brauche, doch er wusste einfach nicht wie. Also ließ er es.“

„Einen Versuch zu scheuen aufgrund von Angst ist eins der Dinge, die man bereuen wird.“

Vorübergehend verharrte sein ruhiger Blick auf meinem Gesicht.

„Dann werde ich wohl viel bereuen müssen.“

Ich versuchte sein Flüstern zu ergründen, doch er sprach weiter, bevor es mir gelang.

„Es macht es nur noch schwerer, Elli. Es war richtig, mit ihm diesen Sommer zu verbringen, doch es macht all das so immens schwer.“

Seine Atmung pulsierte immer stärker und seine Lider wurden immer wässriger. Schnell drehte er sich von mir weg. Ethan war nie gut damit seine Verletzlichkeit zu zeigen. Sein Vater würde sterben. Wer würde da nicht weinen? Sanft fasste ich nach seiner Schulter, zog ihn zu mir heran, schenkte ihm mit einer Umarmung Trost.

„Wenn dein Vater stirbt, werde ich für dich da sein.“

Ethan hatte recht. Wir waren füreinander da, bevor all das begann. Würden wir damit aufhören, was bliebe uns dann noch? Eine kaputte Familie. Ein paar wichtige Freunde, die unseren Schmerz nie nachvollziehen könnten. Ein Freund, dem die Anerkennung anderer Mädchen wichtiger war als die Beziehung zu mir. Ich sollte die Verbindung zu Damian nicht vorschnell verdammen, doch es war, als wäre alles eingetreten, was ich vor der Beziehung gefürchtet habe, mit dem einzigen Unterschied, dass ich früher die Reißleine zog.

„Bereust du es, dass du von Damian die Treppe heruntergestoßen wurdest?“

Geschockt schaute ich ihn an.

„Ich habe es gesehen. Ich wusste ununterbrochen, dass Damian hier war.“ 

„Und du hast mich dennoch hier gelassen?“, fragte ich perplex.

Ethan sagte sich etwas von mir los und stierte der Decke seines Zimmers entgegen.

„Ich hielt es damals für das Richtige. Die Frage ist, ob du es für das Richtige hältst.“

Ich fuhr überlegend durch meine Haare. Ich wollte die Momente, die ich mit Damian besaß, nicht missen. Ich wollte meine Gefühle für ihn, nicht missen.

„'Was wäre wenn?' ist eine Frage, die wir uns nicht stellen sollten.“

Eindringlich lenkte er seine Augen auf mich. Zugern würde ich behaupten nichts zu fühlen, doch so war es nun einmal.

„Warum?“

„Weil ich wüsste, wo wir jetzt wären …“

Sein Blick war längst auf meine Lippen gerichtet.

„... doch so ist es nun einmal nicht.“

Ich erhob mich. Ich flüchtete gewissermaßen.

„Ich sollte gehen.“

„Warte.“

Ich hörte, wie sich Ethan ebenfalls von seinem Bett löste. Seine Schritte hinter mir waren ganz deutlich zu vernehmen. Ich drehte mich um und sah auf in diese dunklen Augen.

„Du solltest noch erfahren, warum ich dafür gesorgt habe, dass sich alle von dir fernhalten.“

Unwissend blickte ich ihn an.

„Ich konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass jemand außer mir dein Herz für sich gewinnt. Ich weiß, diese Auffassung war unreif und selbstsüchtig und das bereue ich zutiefst.“

Jetzt umfasste er selbstbewusst meine Wangen. Verlegenheit und Angst zeichnete sich ab.

„Ich liebe dich, Elli und ich bin ein Idiot, weil ich dir das nicht früher gesagt habe.“

Und so kam der Tag, an dem zwei Männer mir gestanden, dass sie mich liebten, obwohl beide mir das Herz gebrochen haben.

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