Kapitel 10

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Die Halle war dem Trubel selbst ausgeliefert. Es war das Spektakel des Jahres, denn der heutige Gegner war unser selbst ernannter Erzfeind. Schon seit Jahren versuchen wir die Schüler der Denby Academy zu schlagen, doch jedes Mal gewinnen sie ganz knapp. Dementsprechend laut bebte die Menge bereits fünf Minuten vor Beginn. Mein Blick fiel auf Marie, die es heute vorzog, ganz vorn zu sitzen. Gemeinsam mit den anderen schwärmenden Mädchen presste sie ihre Nase an die Glasscheibe. Darüber musste ich amüsiert den Kopf schütteln.

„Kann ich mich zu dir setzen?“

Als ich aufblickte, sah ich Nathan, der mich ganz unverblümt anlächelte.

„Natürlich“, entgegnete ich nervös und zeigte auf den Platz neben mir. Warum auch immer, so musste ich gerade jetzt daran denken, wo ich schon überall von dem Mann vor mir berührt wurde. Röte schoss mir in die Wangen.

„Alles gut bei dir? Du siehst so rot aus.“

Panik, pure Panik.

„Ja, ja. Es ist nur furchtbar warm hier drin.“

Warm in einer Eishalle? Dein Ernst Elli? Ihn schmückte dieses wissende Schmunzeln, doch ich entschied mich zu glauben, es galt seinem Bruder, der gerade beinahe das Eis geküsst hätte. Damian sah auf, suchte jemanden in der Menge und blieb schließlich bei seinem Bruder hängen, der resigniert den Kopf schüttelte. Hatten sie ihren Vater hier erwartet? Eine ganze Weile schwiegen wir aneinander an, bis ich schließlich gewillt war, die Ruhe zu brechen.

„War es schwer für dich, mit dem Eishockey aufzuhören?“

„Nicht wirklich. Ich war nie so gut wie Damian und wenn ich ehrlich bin, habe ich nur damit angefangen, um mit meinem kleinen Bruder etwas mehr Zeit zu verbringen.“

Jedes Mal aufs Neue überraschte es mich, wie offen Nathan doch war.

„Damian erwähnte, ihr wart ein gutes Team.“

„Oh ja, das waren wir. Es hat ihn sehr enttäuscht, als ich vor einem Jahr aufgehört habe.“

„Ich dachte, du enttäuschst ungern die Menschen, die dir wichtig sind?“

„Das ist wahr, doch hätte ich nicht aufgehört, hätte ich nur mich selbst enttäuscht.“

Ich wollte etwas erwidern, doch da ertönte ein Pfiff und kurz darauf sauste der Puck übers Eis. Ethan war der Center, der Stürmer in der Mitte und Damian war der Winger auf der rechten Seite. Marcus stand in der Abwehr. Wenn ich ehrlich war, verstand ich kaum etwas von Eishockey, auch wenn mir Ethan die Regeln schon gefühlte tausendmal erklärt hatte. Der Mann an meiner Seite hingegen schien das Spiel interessiert zu verfolgen, denn immer mal wieder verzog er das Gesicht. Entweder frustriert oder dann doch freudig erregt. Die Menge jubelte passend dazu und ich tat es ihnen in einer Reihe nach. Es war offensichtlich, dass unsere Mannschaft heute in Topform war. Ich musste keine Vorkenntnisse in Bezug auf Eishockey besitzen, um dies zu erkennen. Gespannt lugte ich immer mal wieder auf die Anzeigetafel, wo die Punkte immer weiter in die Höhe kletterten. Sowohl auf unserer, als auch auf der Seite der Gegner.

„Power Play …“, flüsterte mein Nachbar geistesabwesend und auch das Publikum starrte wie gebannt auf einen unserer Spieler, der das Eis verließ. Auch ich konnte mir nun denken, dass es unserer Mannschaft schwerfallen wird, den Gleichstand zu halten. Nervös schaute ich auf die Uhr und so wurde die Zeit immer weniger. Belustigt beobachtete ich, wie Nathan nervös seine Hände an sein Kinn führte.

„Haben wir noch eine Chance zu gewinnen?“, fragte ich, mit der Absicht ihn etwas abzulenken.

„Uns müsste ein Short-Hander gelingen.“

Nickend nahm ich seine Antwort zur Kenntnis, auch wenn ich überhaupt nicht wusste, was damit gemeint war. Gebannt starrte ich auf den Puck, den Damian nach einer Vorlage von Ethan angestoßen hatte. Die ganze Menge war in Stille getaucht, während sich der Hartgummi seinen Weg durch die gegnerische Verteidigung suchte. Dann der tosende Applaus, als der schwarze Spielstein im Netz landete. Mein Blick huschte zu der Anzeigetafel, wo in diesem Moment unser Sieg offenbart wurde. Jetzt stoppte auch die Zeit und so erhob sich wie von allein jeder auf unserer Tribüne und jubelte so laut er konnte.

***

Die Massen waren verschwunden und mittlerweile waren nur noch ein paar Schüler da, um die siegreichen Spieler zu beglückwünschen.   Darunter Marie, Nathan und ich, die amüsiert den Geräuschen aus den Kabinen lauschten. Ein Grölen und Singen vom Feinsten. Damian kam heraus, sein Arm um Ethan gelegt, der im Gegensatz zu sonst von einem breiten Lächeln geschmückt wurde. Nathan war der Erste, der die beiden in Beschlag nahm. Erfreut schlugen sie ein.

„Das war ein guter Schuss, Bruder.“

„Ohne die geniale Vorlage von Ethan, wäre das nicht möglich gewesen.“

Ich freute mich für die zwei und so trat auch ich an die beiden heran, als Marie von ihrem Markus entführt wurde.

„Herzlichen Glückwunsch. Ihr habt euch den Sieg verdient.“

Damian lächelte verschmitzt, während Ethan mir einen dankenden Blick zuwarf. Schließlich lösten sich die zwei Mannschaftskameraden und während Damian sich mit seinem Bruder unterhielt, stahl sich Ethan an meine Seite.

„Der Coach sagte, wenn wir weiterhin so gut spielen, dann könnte er uns einem Scout empfehlen.“

„Das ist fantastisch, Ethan“, erwiderte ich in demselben euphorischen Ton. Es wurde nun ruhiger um uns.

„Die Mannschaft möchte sich noch im Restaurant auf der alten Bergwiese treffen, um gebürtig den Sieg zu feiern. Willst du uns begleiten?“

Ich versuchte, seinen Blick zu ergründen. Fragte er mich dies, weil er mich wahrhaftig dabeihaben wollte, oder doch nur aus Mitleid, weil er wusste, dass ich wieder einmal meinen Abend allein verbringen würde. Liebevoll setzte ich meine Hand an seiner Wange ab und zog ihn zu mir hinab. Ich setzte einen sanften Kuss auf die stoppelige Haut.

„Schon in Ordnung, Ethan. Ich wollte ohnehin noch etwas schreiben.“

Ein letztes Mal fuhr ich über sein verdutztes Gesicht.

„Ich bin sehr stolz auf dich.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, machte ich auf dem Absatz kehrt. Eine Weile noch lauschte ich den vergnügten Stimmen der Spieler, bis ich mich der Dunkelheit der Woodstone Academy ergab.

„Warte Elli!“
Ich kannte diese Stimme. Als ich mich umdrehte, sah ich das Gesicht von Nathan.

„Gehst du nicht mit den anderen mit?“

Bestimmt schüttelte der Dunkelhaarige seinen Kopf.

„Mir war heute nicht danach.“

Verstehend nickte ich. Eine ganze Weile liefen wir schweigend nebeneinander her.

„Hast du Lust, etwas Aufregendes zu tun?“

Forschend starrte ich ihn an, in der Hoffnung zu ergründen, was er mir sogleich vorschlagen würde.

„Lass dich überraschen.“

Skeptisch verzog ich das Gesicht, angesichts der Art, wie wir uns kennenlernten. Doch Nathan war ein Mensch, hinter dem sich mehr verbarg als lediglich ein hübsches Gesicht und so folgte ich ihm, als er amüsiert die Führung übernahm.

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