Kapitel 13

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„Weißt du, was ich nicht verstehe?“

Ethan summte nur, da er sich gerade eine solch große Portion Eis in den Mund geschoben hatte. An seinem Gesicht sah ich, dass er es gleichauf bereute. Darüber musste ich schmunzeln.

„Warum diese Mühe, wenn sie ihr Glück doch sogleich bei der nächsten versuchen können? Ich glaube, da bekommen sie schneller das, was sie wollen.“

„Offenbar ja nicht, so schnell wie du sie rangelassen hast.“

Empört schnappte ich nach Luft, während er einfach amüsiert weiter sein Eis verspeiste. Beleidigt schlug ich auf seine Brust.

„Du Arsch …“

„Ein Arsch, der recht hat. Was wäre gewesen, hätte ich euer kleines Rendezvous im Wandschrank nicht beendet? Oder was wäre gewesen, wenn Nathan heute nicht die Wahrheit offenbart hätte?“

Wahrscheinlich hätte ich meine Jungfräulichkeit an die beiden Idioten verloren. Ich war wirklich ein hoffnungsloser Fall. Ethan schien sich an meinem Leid zu ergötzen.

„Zu meiner Verteidigung, einmal konnte ich ihrem Werben widerstehen.“

Eilig schlug ich mir die Hände vor den Mund, wissend, dass ich ihm diese Begegnung bis jetzt verheimlicht hatte.

„Wann war das?“, fragte Ethan aufgebracht.

„Ein Tag nach dem Ball. Sie haben mir aufgelauert. Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen.“

„Warum hast du es nicht getan?“

Erst zuckte ich mit den Schultern, antwortete dann aber doch.

„Ich denke, ich hatte einfach Angst, was du tun könntest. Ich will nicht, dass du von der Schule fliegst. Ich wäre dann ganz allein.“

Melancholisch starrte ich an die Decke von Ethans Zimmer. Ich war schon immer gerne hier. Nicht nur wegen seines Bettes, welches viel weicher war als meins, sondern auch wegen der Ruhe, die man hier fand. Wenn die Hausherrin hiervon wüsste, würde sie uns zum Teufel jagen.

„Du hättest noch Marie …“

„Du weißt, dass es nicht dasselbe ist.“

Es wurde still um uns, das Eis war beinahe aufgebraucht.

„Du willst mir wirklich nicht sagen, warum Damian und du euch gestritten habt?“

Vehement schüttelte der Dunkelhaarige seinen Kopf. Seine Arme waren hinter seinem Nacken verschränkt und sein Blick war an die Decke geheftet.

„Vermisst du deinen Vater manchmal?“

Mein Gegenüber sah mich nun, mit seinem dunklen Ausdruck, an. Er nickte.

„Manchmal.“

Dachten sie, es wäre besser für uns hier zu sein oder empfanden sie zu wenig Liebe, um zu erkennen, wie sehr wir ihre Entscheidung verabscheuten?

„Manchmal bin ich aber auch froh darüber, wie alles kam. Dass du diesen Preis gewonnen hast und wir hierhergeschickt wurden.“

Verblüfft starrte ich ihn an. Ich konnte mich nur daran erinnern, wie sehr er mich dafür verabscheute. Das Schlimme daran, ich konnte es verstehen.

„Es tut mir leid, dass ich damals meinen Frust an dir ausgelassen habe.“

„Du hast mir nie gesagt, was dich damals auf dieser Wiese dazu bewogen hat, wieder mit mir zu reden.“

Ethan hatte sich nun auf die Seite gedreht und ich tat es ihm nach.

„Ich denke, ich habe damals verstanden, dass du ebenso kaputt bist wie ich. Ebenso allein.“

„Aber …“

„Ja, Elli, auch ich fühle mich oftmals allein, auch wenn es nicht den Anschein macht. Ich denke, es ist viel einfacher, die Menschen auf Abstand zu halten, als Angst davor zu empfinden, dass sie dich irgendwann von sich stoßen.“

Dieser Gedanke, diese Angst, ich verstand genau, warum er so empfand. Noch einen Augenblick schaute er mich einfach nur an, bevor er vor lauter Verzweiflung zu lachen begann.

„Puh, das ist die deprimierendste Eiscreme Party aller Zeiten.“

„Kein Wunder bei dem wenigen Eis, dass du besorgt hast.“

Empört zog er seine Augenbrauen in die Höhe.

„Na warte …“

So flink ich konnte, sprang ich von dem Bett auf, doch meine Fluchtmöglichkeiten waren beschränkt. Schneller als ich lachen konnte, packten mich seine Arme und warfen mich über seine Schulter.

„Ethan, lass mich runter“, schimpfte ich belustigt.

„Erst, wenn du mir schwörst, nie mehr so vorlaut zu sein.“

„Das kannst du vergessen, du Blödmann!“

„Wie hast du mich gerade genannt?“

Ich lachte noch immer, während er sich drehte und drehte. Solange, bis mir schwindelig wurde.

„Okay, Ethan, ich gebe auf.“

Statt mich endlich runterzulassen, lief er mit mir im Gepäck zu seinem Schreibtisch. Aus dem oberen Schrank zog er schließlich eine alte Flasche Schnaps, die wir unseren Eltern beim Rausschmiss mitgehen lassen haben.

„Ich denke, heute ist genau der richtige Tag hierfür.“

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