Gerade wollten Damian und ich uns nach außen schleichen, da erkannte ich den Schatten der Hausherrin im nächsten Gang. Schnell drückte ich den Dunkelhaarigen zurück und presste ihn gegen die Wand. Seine Stimme wollte gerade ertönen, da legte ich meinen Zeigefinger auf seine Lippen. Vorsichtig lugte ich erneut hinter der Ecke hervor, doch der Schatten war verschwunden. Erleichtert atmete ich aus.
„Die Hausherrin … sie hätte uns beinahe erwischt.“
Mein Augenmerk richtete sich wieder auf den Eishockeyspieler, auf dessen Brust noch immer meine Hände lagen. Ich erschrak mich vor dem Lächeln, das er mir zuwarf. So verboten, so gefährlich, eine Gänsehaut rutschte mir den Rücken hinab.„Du wärst ein wirklich furchtbarer Spion“, versuchte ich die Stimmung aufzulockern.
Als sein Ausdruck noch immer nicht verschwand, brachte ich Abstand zwischen uns. Der Dunkelhaarige hingegen rückte immer mehr auf, während ich den Weg zur Flucht antrat. Mein Herz, es polterte plötzlich so heftig.
„Du bist hingegen sehr gut darin.“
Es war der Ton seiner Stimme und die Kälte der Wand an meinem Rücken, die jeglichen Muskel anspannen ließ.
„Hast du deinen Bruder endlich angerufen?“
Vergebens bemühte ich mich darum, was auch immer das hier gerade war, zu beenden.
„Noch nicht.“
Nun presste er sich an mich, so wie ich es gerade getan hatte. Jede Pore meines Körpers hielt vor Aufregung die Luft an und wäre da nicht der Stolz, hätte ich wahrscheinlich meine Augen geschlossen. Ich setzte meine Hand auf seine Brust, versuchte ihn wegzudrücken, doch er ließ mich nicht. Jetzt beugte sich der Mann zu mir herab. So weit, dass seine Worte mein Ohr berühren konnten.
„Warum hast du mir so schnell verziehen?“
„Ich … ich weiß nicht“, stammelte ich vor mich hin.
Seine Hand fuhr an mein Kinn, übte etwas Druck aus.
„Ich denke, du hast aus deinem Fehler gelernt.“
„Vielleicht habe ich das.“
Sein Gesicht schwebte ganz nah vor dem Meinen. Nur ein paar Zentimeter und seine Lippen würden mich berühren.
„Doch vielleicht bin ich noch immer auf dasselbe aus.“
Soeben wurde meine Mimik ernster. Meine Hand umfasste seine Wange.
„Willst du dich erneut hinter dieser Maske aus Körperlichkeit verstecken? Damian, wir wissen beide, wonach du dich wirklich sehnst.“
Seine Hand fuhr inzwischen meine Taille hinauf.
„Und was soll das sein, werte Elenore?“
Er war der Einzige, der mich so nannte.
„Geliebt zu werden. Liebe zu geben.“
Für einen kurzen Moment war seine Mauer so dünn wie ein Stück Papier. Der Dunkelhaarige entfernte sich etwas und so glaubte ich ihn wahrhaftig gebrochen zu haben. Doch als wäre es ein Kampf, fuhr seine Hand rasch in mein Haar, zog mein Kopf in den Nacken.
„Vielleicht hast du recht. Aber vielleicht will ich auch nur das eine.“
Jeder seiner heftigen Atemzüge prallte gegen meinen Hals.
„Denkst du manchmal an die Zeit in der Abstellkammer zurück?“
Sein Gemurmel erwischte mich so unverhofft, sodass ich nicht anders konnte, als zustimmend zu nicken. Ich spürte noch immer seine Hände auf jedem Teil meines Körpers. Ich fühlte seine Lippen überall auf meiner Haut.
„Mir geht es genauso. Immer wieder musste ich daran denken. Ich konnte einfach nicht aufhören und dies meine Liebe passiert mir zum ersten Mal.“
Seine linke Hand umschloss nun mein Kinn, drückte es etwas hinauf.
„Ich würde gerne wissen, ob ich lediglich deinen Körper begehre oder ob da mehr ist?“
Seine Lippen mittlerweile so nah, dass ich glaubte, sie würden mich sogleich berühren.
„Du kannst nicht …“
Meine Stimme so leise, dass es mich überraschte, dass er wissend, den Mund verzog.
„Warum? Nenn mir einen vernünftigen Grund.“
Ich konnte schlecht behaupten, ich wäre mit Ethan zusammen. Zum einen stimmte es nicht und zum anderen wäre das eine furchtbare Idee. Wer weiß, vielleicht würde Damian der ganzen Schule davon berichten, bevor wir überhaupt selbst herausgefunden haben, was das zwischen uns war. Schritte trieben uns auseinander. Eilig deutete ich Damian an, in sein Zimmer zurückzukehren. Wir werden mit Sicherheit nicht erneut so viel Glück haben. Gelassen schwenkte ich um die Ecke in Erwartung, die Hausherrin wiederzufinden, doch stattdessen begegnete ich Ethan. Zumindest seinem Körper. Er schien geistig nicht wirklich bei sich zu sein.
„Ethan!“, summte ich sprachlos. Drei Tage hatte ich ihn nicht zu Gesicht bekommen. Ich hatte ihm Essen vor die Tür gestellt, doch geredet haben wir kein einziges Mal. Abgesehen davon, dass ich zu beschäftigt war Damian, den Idioten vor der Hausherrin zu verstecken. Auch mein Gegenüber sah nun überrascht auf.
„Elli …“Bevor ich einen Gedanken an etwas anderes verschwenden konnte, schlangen sich meine Arme um ihn. Erst hingen seine schlaff herab, dann erwiderte er zaghaft die Umarmung.
„Wie geht es dir?“, raunte ich.
Der Dunkelhaarige zuckte lediglich mit den Schultern und als ich ihn wieder ansah, war da erneut dieses Gesicht aus Beton. Eine Mauer, an der ein Vorbeikommen unmöglich war. Liebevoll fuhr ich zu seiner Wange hinauf, doch er wehrte meine Hand ab.„Rede mit mir.“
„Das will ich aber nicht.“
Ethan war wütend und frustriert. Die Angst, sie hatte seinerseits vollständig übernommen. Der Dunkelhaarige wollte wieder seinen Weg gehen. Ich sollte ihn gehen lassen. Ihm die Ruhe geben, um all das zu verdauen. Doch so einfach war das nicht. Auch an meiner Substanz nagte Olivers nahestehender Tod. Bisher ging ich immer davon aus, ein Abschied wäre plötzlich und verhinderbar, doch in seinem Fall wurde mir mal wieder die Hilflosigkeit vor Augen geführt, die wir Menschen empfanden. Ich umgriff seinen Arm.
„Du musst aber.“
Ich spürte, wie Ethans Wut von ihm Besitz ergriff.
Da war dieser Rausch, dem er nur schwer entfliehen konnte.„Rede mit mir!“, versuchte ich es zaghafter.
Mit einem Mal umfassten seine Hände krampfhaft meine Oberarme.
„Was soll ich dir sagen, Elli? Dass ich an dem Schmerz zugrunde gehe? Dass ich mir wünschte, er wäre längst gestorben? Dass ich mir wünschte, ich hätte nie mit dir geschlafen?“
Seine Stimme so dunkel, sein Gesicht so verzerrt, ich erkannte ihn nicht wieder. Doch es war sein letzter Satz, der mir ein Stich in mein Herz versetzte. So sah er mich also? Als ein Fehler? Ich schüttelte mich. Es war die Wut, die Angst, die aus ihm sprach. Erneut wollte Ethan abkehren.
„Das meinst du nicht so.“
Sein Kopf schwenkte wieder zurück. Ich begegnete seiner wutverzerrten Fratze, doch die Furcht blieb aus. Ich wollte meine Hände erneut zu seinen Wangen erheben, doch abermals wehrte er mich ab.
„Das mit uns war ein Fehler.“
Ich rückte näher an sein Gesicht heran und spürte seinen aufgebrachten Atem an jeder Pore meines Körpers.
„Nein!“
Plötzlich spürte ich einen Schmerz an meiner Wange und mein Sichtfeld war ein anderes. Schockiert fuhren meine Finger an die schmerzende Stelle, nur um zu verstehen, dass mich Ethan geschlagen hatte. Atemlos sah ich zu ihm und so begegnete ich seinen Augen, die sich zu weiten begannen. Ethan hatte mich geschlagen. Ehe ich es realisieren konnte, trat der Mann, dem ich das meiste Vertrauen schenkte, den Rückzug an.
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Woodstone Academy
Teen Fiction𝐄𝐥𝐞𝐧𝐨𝐫𝐞 𝐇𝐚𝐫𝐩𝐞𝐫, 𝐞𝐢𝐧 𝐥𝐚𝐧𝐠𝐰𝐞𝐢𝐥𝐢𝐠𝐞𝐬 𝐌ä𝐝𝐜𝐡𝐞𝐧, 𝐝𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐮𝐫𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐀𝐛𝐞𝐧𝐝 𝐝𝐞𝐫 𝐋𝐮𝐬𝐭 𝐯𝐨𝐥𝐥𝐤𝐨𝐦𝐦𝐞𝐧 𝐯𝐞𝐫ä𝐧𝐝𝐞𝐫𝐭. Elli geht gemeinsam mit ihrem Stiefbruder auf die Woo...