Kapitel 36

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Das neue Semester hatte wieder begonnen und unsere Zweisamkeit bekam einen heftigen Dämpfer. Damian verbrachte jede freie Minute auf dem Eishockeyfeld im Wissen, dass ein Scout in ein paar Wochen einem wichtigen Spiel beiwohnen wird. Und er sollte auch trainieren, doch jedes Mal, wenn ich ihm zusah oder ihn abholte, begegnete ich auch Ethan. Wir hatten nie wieder über diese eine Nacht geredet und ich nahm an, mein Weglaufen war ihm Antwort genug. Neben Ethan waren da immer die lästigen Mädchen, die meinen Freund mal mehr und mal weniger umzingelten. Sein Ruf eilte ihm voraus und da brachte auch nichts, wenn ich gleich neben ihm stand. Ich würde gerne behaupten, dass ich nicht eifersüchtig wäre. Dass es mich nicht störte, weil ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte, doch konnte ich jemandem wie Damian vertrauen?
Schon von Weitem sah ich den Eishockeyspieler, wie er versuchte seinen Weg zu bahnen, doch vor ihm stand eine große schlanke Blondine, die ihn aufhielt. Ihre Hand setzte sich süßlich auf seine Brust, während die andere lieblich durch ihr Haar fuhr. Ich werde nie verstehen können, wie man so anstandslos sein kann, sich an Vergebene heranzumachen. Doch ihre Hand auf seiner Brust war nicht das, was mich verunsicherte, es waren seine zuckenden Mundwinkel, die Anzeichen dafür gaben, dass ein Teil von Damian existierte, dem das Ganze gefiel. Ein Teil seines älteren Ichs und ich wusste nicht, wie viel Einfluss dieser noch immer hatte.
Unsicher trat ich an die Seite der beiden. Die Blondine blickte missgünstig herab, besaß noch nicht mal jetzt den Anstand sich zurückzuziehen. Der Dunkelhaarige legte ertappt seinen Arm um meine Schulter. Ich hatte schon oft angesprochen, dass mich sein Verhalten störte, doch auch wenn er Besserung versprach, war da keine zu sehen.

„Wir sollten jetzt gehen“, raunte der Eishockeyspieler, bevor wir an ihr vorbeiglitten, ohne eine Antwort abzuwarten. Eine ganze Weile gab keiner von uns auch nur ein Wort von sich. Irgendwann, als die Blondine längst verschwunden war, blieb ich dann stehen.

„Ich kann das nicht mehr.“

Perplex drehte sich der Dunkelhaarige um und studierte mein ernstes Gesicht.

„Was kannst du nicht mehr?“

Der Eishockeyspieler war an meine Seite geschlichen.

„Deine Freundin sein, wenn ein Teil von dir die Aufmerksamkeit von anderen Mädchen braucht.“

Angst ummantelte seine Augen, als hätte er erst jetzt verstanden, wie ernst es um uns stand.

„Ich … ich werde mich bessern.“

Damian war so geschockt von meinen Worten, dass seine Stimme begann zu stottern und seine Atmung begann zu beben. Seine Hand umgriff meine Wange, zog mich wieder an ihn heran. Unter seinen Augen wurde ich immer schwach, doch ich hatte mir vorgenommen heute stark zu bleiben. Ich wollte nicht eines Tages in einer Beziehung aufwachen, in der ich mich schlecht fühle.

„Elli bitte“, erwiderte er, als ich behutsam seine Hand von meiner Wange entfernte.

„Ich kann mich ändern. Ich kann zurückgehen und ihr sagen, dass ich nie auch nur Interesse für sie hegen werde.“

Schmerzlich schloss ich die Augen und schüttelte den Kopf.

„Ich denke, es ist besser …“

Ich musste innehalten, damit mir kein Schluchzer mitten auf dem Gang entkam.

„… es ist besser, wenn wir eine Pause einlegen.“

Seine Augen weit aufgerissen, sein Gesicht eine fahle Karikatur.

„Ich will keine Pause.“

Beinahe hätte ich schmunzeln müssen, denn ich wollte auch keine, aber ich sah keinen anderen Weg. Er musste selbst herausfinden, was er wirklich möchte. Ein letztes Mal legte ich meine Hand auf seine sich hebende Brust.

„Ich will, dass du herausfindest, was du wirklich willst.“

Schnell umfasste Damian mein Gesicht.

„Ich will dich, allein dich.“

Ich sah der puren Furcht ins Auge und wenn ich mir überlegte, allein zu meinem Zimmer zu gehen, überkam auch mich die Furcht. Was, wenn das, was ich gerade tat, ein riesiger Fehler war? Ich nahm seine Hände von meinen Wangen.

„Ich will, dass du darüber nachdenkst.“

Schnell drehte ich mich um und ergriff die Flucht.

„Ich liebe dich, Elli.“

Ich stockte kurz. Es war das erste Mal, dass er das sagte, doch es veränderte rein gar nichts.

„Ich liebe dich auch.“

Kurz darauf lief ich weiter. Die Tränen bahnten sich ihren Weg und da keine Schritte hinter mir waren, konnte auch endlich das befreiende Schluchzen aus mir heraustreten. Was, wenn es das war? Was, wenn er sogleich zurückkehrt, um mit dieser Blondine sonst was anzustellen? Zumindest hätte ich so meine Antwort, doch die Angst ihn zu verlieren war bei Weitem größer. Vor lauter Tränen verlor ich die Sicht und die Vorstellung, jemanden auf diesem Gang in diesem Zustand zu begegnen, suchte mich heim. Schnell flüchtete ich mich in ein Zimmer auf meiner Rechten. Vielleicht hatte ich Glück und es wäre das meine oder eines, das leer war. Nur kurz, ich musste mich beruhigen. Erst sah ich rein gar nichts außer einer verschwommenen weißen Wand.

„Elli?“

Ich kannte diese Stimme, also presste ich schnell die Lippen aufeinander. Natürlich musste es Ethans Zimmer sein. Schnell drehte ich mich wieder um, begann den Spalt zu öffnen, doch da drückte eine Hand die Tür wieder zu. Ich spürte seinen Oberkörper an meinem Rücken und alles in mir wollte Trost in ihm suchen. Doch es wäre falsch, denn wir hatten die Stufe der Freundschaft längst überschritten. Der Dunkelhaarige schlang seine Arme um mich und so war die restliche Standhaftigkeit verloren. Noch immer die Sicht geklärt, drehte mich um und klammerte mich in sein Oberteil. Nun begann er mit seiner flachen Hand über meinen Schopf zu streichen.

„Sag mir, was passiert ist, Elli.“

Rasch schüttelte ich den Kopf.

„Sag mir, was passiert ist, Elli!“

Ich wollte erneut den Kopf schütteln, doch ich begriff, dass ich nicht eher das Zimmer verlassen würde, bevor ich es ihm gestanden hatte.

„Damian und ich … wir machen eine Pause.“

Ein kritischer Schluchzer löste sich aus meiner Lunge bei dem Gedanken daran.

„Es soll überlegen, was er wirklich will.“

Ich spürte, wie Ethan verstehend nickte, als wüsste er sofort, wovon ich sprach. Gerade jetzt musste ich daran denken, was das letzte Mal geschah, als ich dieser weißen Wand entgegenblickte. Was das letzte Mal geschah, als ich in seinem Zimmer war. Ich löste mich jetzt von ihm, die Sicht etwas weniger geklärt als vorhin. Ich sollte nicht bei ihm Trost suchen. Ich sollte zu Marie gehen, mit ihr ein Eis verdrücken. Eilig wischte ich meine Tränen davon.

„Danke.“

Der Dunkelhaarige öffnete seinen Mund, schloss ihn aber kurz darauf wieder, nickte mir stattdessen zu. Ich drehte mich schließlich um, bereit, die Tür zu öffnen.

„Möchtest du hierbleiben?“

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