27. Abschied

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Jolene's Pov

Etwas mehr als eine Woche war nun schon vergangen, seit ich von Australien zurück nach London gereist bin.

Etliche Male rief Louis mich an oder schrieb mir. Auch die anderen Jungs und erstaunlicher Weise sogar Lucia meldeten sich immer wieder.

Doch ich brachte es nicht über mich, ihnen ein Lebenszeichen von mir zu geben. Die Angst sie dann wieder in mein Leben zu lassen und ihnen zur Last zu fallen war zu gross.

Einzig und allein bei Sally habe ich mich zweimal gemeldet.

Morgen ist es dann so weit. Die Beerdigung von meinem Dad. Auf meiner langen Reise hatte ich viel Zeit gehabt, alles zu planen. Auch wenn seine Leiche nicht mehr gefunden wurde und er deshalb nicht mehr begraben werden konnte, wollte ich, dass er trotzdem ein Grab bekam.

Wenigstens einen Grabstein und Blumen, sodass ich einen Ort hatte, wo ich mich mit ihm verbunden fühlte. Ausserdem erzählte er mir früher immer, dass er nicht wie meine Mutter einfach plötzlich verschwinden wird sondern auch wenn er mal weg sein würde, immer in meiner Nähe sei.

Es kam mir schon wie eine Ewigkeit vor, als ich die Jungs (insbesondere Louis) gesehen hatte. Am liebsten würde ich sie alle wieder sehen und zugleich wollte ich sie aber nicht mit meinen Problemen und meinem Leid belasten. Dieser Gedanke eine Belastung für sie zu sein hatte sich so stark in meinen Kopf geprägt, dass ich es nicht mehr raus bekam.

Kein Tag war vergangen, an dem ich nicht an meinen Boo-Bear dachte. Jedes Mal versetzten mir die Erinnerungen an ihn einen Stich ins Herz.

Hatte er schon eine Neue? Dachte er noch an mich, oder war ich wie von mir verlangt schon vergessen und als Vergangenheit abgestempelt? So sehr ich ihn auch vermisste, ich war selbst Schuld.

Gestern als ich am Hafen von Portsmouth angekommen war, ging ich mir noch ein schlichtes schwarzes, jedoch elegantes Kleid kaufen.

Meine Reise von Australien nach London zurück hatte noch mehr Geld gebraucht, als ich es mir gedacht hatte. Auf irgendeine Weise würde ich arbeiten müssen, um mit dem Geld wieder auf die sichere Seite zu gelangen.

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Am nächsten Morgen stand ich schon relativ früh auf. Es war noch leicht dunkel und als ich durch das Fenster nach draußen schaute, sah ich einen hellen Stern funkeln.

Es durchfuhr mich wie ein Blitz, als ich mich an den Abend mit Louis auf dem Dach des Hotels erinnerte. Dieser Stern hier schien genauso hell und klar und sofort dachte ich an Louis.

Doch heute war nicht der Tag dazu in Selbstmitleid zu versinken und mich nach Louis zu sehnen.

Ein weiteres Mal: Ich hatte ihn verlassen, nicht er mich.

Also huschte ich ins Bad, zog mir mein Kleid an und band meine Haare locker zusammen. Dann fuhr ich mit dem Auto in Richtung Kirche.

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Während des Gottesdienstes musste ich meine vielen Tränen unterdrücken um nicht lauthals los zu weinen. Erst recht als ich nach vorne zum Mikrofon trat und einen eher kurzen Lebenslauf meines Vaters erzählte.

Zum Schluss fügte ich noch wenige Worte hinzu, welche sich nur auf die Beziehung zwischen ihm und mir bezogen.

„Lieber Dad, für uns beide war es nicht immer leicht in den vergangen Jahren. Meine Mutter hat uns verlassen und Geschwister habe ich keine. Du warst also derjenige, welcher mich versorgen musste. Jedoch musstest du viel und hart arbeiten um uns durchs Leben zu bringen und nebenbei den Haushalt zu machen. Je älter ich wurde, desto ein kleineres Problem war dies und als ich dann endlich anfing zu studieren und auszog, ließ ich dich alleine in der Wohnung zurück. Du warst immer für mich da. Du hast mich aufgemuntert, mich zum Lachen gebracht und dir all meine verrückten Geschichten angehört. Weißt du noch, als ich mir in den Finger geschnitten habe? Es war eigentlich gar nicht so schlimm, doch du hast ihn so dick eingebunden, dass jeder meinte ich hätte ihn fast abgehackt... Nun bist du nicht mehr unter uns. Ich weiß nicht was ich ohne dich tun soll, ich vermisse dich jetzt schon so sehr. Vor knapp zwei Wochen ist dieser Flugzeugabsturz geschehen. Anfangs glitt mir die ganze Welt unter den Füssen weg, ich war am Ende und gab mir selbst die Schuld an deinem Tod. Doch ich habe mich nun aufgerafft, denn ich weiß dass du es nicht ertragen könntest deine eigene Tochter so zu sehen, ohne ihr helfen zu können. Ich weiß bis heute nicht, weshalb du in diesem Flugzeug warst und genau dir dieses Schicksal widerfahren ist, doch ich weiß, dass ich nichts mehr daran ändern kann. Du bist von uns allen gegangen. Aber was ich weiß und auch immer wissen werde ist, dass ich dich ganz doll lieb habe und du auch jetzt immer noch bei mir bist. Ich werde für dich weiterleben und das Leben genießen. Warte auf mich, wir sehen uns irgendwann wieder auf der anderen Seite, das verspreche ich dir Dad..."

Fear of fallingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt