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Joelle schlief im Schrank.

Ich war ins Bett gegangen, ohne mich weiter um sie zu kümmern, hatte das Licht ausgemacht und konnte nicht einschlafen.

Ich hörte sie noch im Bad herumwerkeln, dann öffnete sich die Schlafzimmertür, sie kam hereingekrochen, zog die Schiebetür des Kleiderschranks auf und kletterte umständlich hinein. Irgendwann gab es einen dumpfen Knall und ein unterdrücktes Fluchen. Sie hatte sich den Kopf gestoßen. Ich musste in der Dunkelheit grinsen.

Selbst schuld!

Ich hatte ein wenig Zeit, die Dinge des Abends zu ordnen. Ich hatte das getan, was sie wollte. Und ich fühlte mich zwiegespalten. Ich mochte nicht, dass es etwas in mir gab, das dieses Verhalten auch noch genoss.

Für mich war das ein Spiel, für sie ein Lebensstil.

Ihre Phantasien gingen mir zu weit. Sie klangen eher bizarr und teilweise nicht mehr erotisch. Geschichten erzählen war nicht ihr Ding. Die erste Episode mit der Hochzeit hatte ich noch geliebt, aber dann hatte sie angefangen, es zu übertreiben. Natürlich wollte sie mir ihre Wünsche mitteilen durch diese Geschichten. Wenn ich an unsere Spielchen dachte, dann fragte ich ganz pragmatisch, was möglich ist. Joelle ließ ihrer Phantasie freien Lauf. Die Realität kam ihren Phantasien nicht in den Weg.

Vielleicht war das mit dieser Sklaven-Woche eher umgekehrt. Vielleicht war ich diejenige, die sich bewähren musste. Joelle war jedenfalls noch nicht einmal in die Nähe ihres Safewords gekommen. Vielleicht war ich eher so etwas wie der Star, der herausgeholt werden sollte. Ich wusste es nicht.

Wir hatten immer noch nicht über unsere Beziehung geredet.

Wir sollten das tun.

Ich drehte mich an diesem Abend noch einige Male, bis ich einschlief.

Am nächsten Morgen, vergewisserte ich mich, dass Joelle mir den vergangenen Abend nicht übel nahm, aber sie war ganz brav und folgsam und mit sich und mir im Reinen.

Ich gab ihr dieses Mal drei Stunden am Computer, um sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Mir gingen ein wenig die Ideen aus. Sie hatte am ersten Tag so gründlich sauber gemacht, dass ich nichts mehr für sie zu tun hatte, wenn ich nicht wollte, dass sie die Wohnung neu strich oder das Bad flieste. Ich gab ihr vage auf, die Wohnung sauber zu machen, und machte mich dann auf zur Arbeit.

Im Zug hatte ich Zeit, über all ihre Ideen nachzudenken. Fetisch-Mode und eine Sado-Maso-Band. Mary Jane. Der Name war echt Mist. Ich suchte mir diesen Frauenschläger-Song und fand ihn auf Youtube. The Crystals hatten ihn im Original aufgenommen. Ich kannte sie nicht. Die Band klang nach typischem 60er-Jahre Rhythm and Blues einer Frauenband. Ich fand es schon seltsam in Anbetracht der Tatsache, dass Männer in den 60ern ihre Frauen nach Belieben geschlagen hatten. Wikipedia verriet mir, dass der Song von 1962 war und die Radiostationen sich geweigert hatten, ihn zu spielen, weil sie den Song anstößig fanden. Der Song fing mit einer Basslinie an, was ich natürlich mochte. Aber die klang zwar bedrohlich, aber auch sehr abgehackt. Ich stellte mir vor, dass sie geschmeidiger sein müsste. In einer sanft fließenden Bedrohung. Immerhin war diese Sängerin glücklich, dass sie von ihrem Mann geschlagen wurde. Ich wollte mir sofort einen Bass greifen, und mit der Grundmelodie spielen, aber ich saß ja in der Bahn. Ich suchte weiter und fand leider eine viel geilere Coverversion von Courtney Love's Band Hole mit Melissa auf der Maur am Bass, die eine unglaublich coole Basslinie dazu spielte. Das ganze Stück war großartig arrangiert. Ich bekam es nicht mehr aus den Ohren, und ich war gleichzeitig voller Hochachtung für das Arrangement und gleichzeitig zutiefst neidisch, dass ich nicht darauf gekommen war, und dass ich niemals die Chance bekäme, diese Basslinie für diesen Song zu kreieren, denn er existierte ja bereits.

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt