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Joelle hatte gesagt, dass sie mich wiedersehen wollte, und ich hatte nichts dagegen. Sie meldete sich zu meiner Überraschung aber schon zwei Tage später. Das ging ziemlich schnell, aber ich hatte nichts dagegen. Ihr Vorschlag war ein Picknick zu veranstalten. Sie würde sich um alles kümmern, meinte sie, und auch dagegen hatte ich nichts. Ich ließ mich überraschen.

Wir verabredeten uns, und sie fuhr in einem New Beetle Cabrio vor. Typisch, dachte ich mir: Das Auto für reiche Töchter.

Aber ich sagte nichts, wollte auch nicht die Spielverderberin sein, die an allem was auszusetzen hatte. Daher ersparte ich mir einen Kommentar. Ich musste ein wenig aufpassen. Am Vormittag hatte ich Zoff gehabt wegen eines anstehenden Gigs, der doch nicht so ablaufen sollte, wie es geplant gewesen war, und wenn ich schlecht gelaunt war, ließ ich das schnell an anderen aus. Aber Joelle hatte natürlich keinen Grund, unter meinen Launen zu leiden. Da ich ihr das Leben auch nicht schwerer machen wollte, als es ohnehin schon war, blieb ich zunächst einsilbig.

Ich versuchte, die Sonne auf meiner Haut zu genießen, während sie aus der Stadt fuhr. Aus ihrer Stereoanlage erklang Depeche Mode. Nicht unbedingt meine Lieblingsmusik, aber immerhin besser als das Violinkonzert in D-Moll und gepuderter Perücke. Klassische Musik war nicht mein Ding und überkandidelten Operngesang hätte ich auch nicht gut ertragen können.

Joelle hingegen war gut gelaunt. Sie erzählte mir, dass sie in jeder freien Minute auf ihrer Gitarre übe, welche Fortschritte sie machte und wo sie Schwierigkeiten hatte.

Ich hörte ihr zu, gab hier und da eher einsilbig einen Kommentar ab, aber in Gedanken hing ich immer noch bei dem Veranstalter, der mir so doof gekommen war.

Wir fuhren noch eine Weile, dann bog sie von der Landstraße ab auf eine kleine, holprige Straße und von da noch einmal auf einen Feldweg, der sich sanft entlang einiger Hügel schlängelte. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Irgendwo im Grünen. Ich konnte jedenfalls weit und breit keine Ortschaft, kein Dorf, kein Haus erkennen. Nur Grün und ein paar Hügel.

Joelle erzählte derweil von ihrem Tag und allerlei anderem. Ihr Schwall an Worten ließ mich langsam meinen Groll vergessen.

Schließlich hielt sie den Wagen an. Wir waren mitten im Grünen.

Ich sah sie fragend an, und Joelle sagte fast entschuldigend:

„Das ist ein Grundstück, das mein Vater mal irgendwann gekauft hat. Er wollte hier was bauen, aber irgendwie hat es bis jetzt dann doch noch nicht geklappt."

„Und warum gerade hier?"

Sie war bereits ausgestiegen und hatte einen Picknick-Korb vom Rücksitz genommen.

„Ich zeig's dir."

Ich folgte Joelle, als sie über die Reste eines verrosteten Stacheldrahtzauns stieg.

Es war mühsam, sich durch das Unkraut zu kämpfen, und ich wünschte mir, ich hätte keine Shorts, sondern eine lange Hose angezogen.

Wir kämpften uns ein paar Meter einen Hügel hoch. Als wir oben angekommen waren, eröffnete sich uns ein Ausblick auf einen Teich mit einem kleinen Wäldchen dahinter. Es war ziemlich idyllisch.

„Wow! Dein Vater hat Geschmack. Nettes Plätzchen!"

„Mmh!", stimmte sie knapp zu, als wäre ihr das etwas peinlich.

„Warum so bescheiden?"

„Naja, was soll ich sagen. Er wollte hier ein Häuschen fürs Wochenende hinsetzen. Das wäre schon ziemlich dekadent geworden."

Da hatte sie Recht.

„Ich kenne eine nette Stelle am Ufer."

Joelle ging durch das hohe Gras den Hügel hinunter, und ich folgte ihr vorsichtig ans Ufer.

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt