„Du, sorry!", stöhnte sie, als sie keuchend in das Cafe stürmte. „Aber der Verkehr ist mörderisch!"
„Mörderisch. Hui! Das ist ja viel. Du meinst, der Islamische Staat ist hier eingefallen?"
Sie sah mich an und zickte:
„Das ist metaphorisch zu verstehen!"
„Metaphorisch! Aha."
Ich sah auf die Uhr. Sie war eine halbe Stunde zu spät. Ich war nicht unbedingt sauer, da ich mir Arbeit mitgebracht hatte, aber da sie so scharf auf dieses Treffen gewesen war, hätte ich gedacht, dass sie ein wenig mehr Interesse daran gehabt hätte, pünktlich zu erscheinen.
Sie legte ihre Tasche ab, setzte sich mir gegenüber, winkte der Bedienung, und als diese nicht sofort schaute, rief sie durch den halb gefüllten Raum:
„Einen Cappuccino. Aber bitte mit richtigem Espresso, nicht mit Filterkaffee. Und natürlich mit aufgeschäumter Milch, nicht mit Sahne."
Ich runzelte die Stirn.
„Was?", fragte sie verständnislos.
„Wenn du gerade versuchst, dich nicht wie eine verwöhnte Göre zu benehmen, muss ich dir sagen, dass du nicht sehr erfolgreich damit bist. Du bist mehr so eine Diva. Aber ich meine das nicht im positiven Sinne."
„Oh. Okay. Tut mir leid, aber ich bin noch nicht ganz angekommen."
„Dann komm erst mal an. Ich meine ja nur. Wir könnten das als Motto für diesen Nachmittag nehmen. Andere Saiten aufziehen. So von wegen Gitarre und nerviges Verhalten und so."
Ich lächelte, als ich das sagte, und meine Stimme drückte eher Ironie als Abneigung aus.
„Tut mir leid."
„Kein Thema."
Die Bedienung brachte den Cappuccino, doch die Tasse stand noch nicht auf dem Tisch, da ging die Szene auch schon weiter:
„Ich glaube, hier ist noch Lippenstift an der Tasse. Könnten Sie mir eine andere bringen?"
Die Kellnerin und ich beugten uns vor, versuchten den Lippenstift auszumachen, sahen aber nur das makellose Weiß des Porzellans.
Ich sah die Kellnerin an und versuchte ihr durch meinen Blick mitzuteilen, dass ich auch keinen Lippenstift erkennen konnte, dass ich mich von dieser Beschwerde distanzierte und dass ich es verstehen könnte, wenn sie ihr den Cappuccino über die Klamotten kippen würde. Ich weiß nicht, ob sie mich verstand, vermutlich machte sie mich zu Joelles Komplizin. Es war mir peinlich.
Ob die Kellnerin meinen Blick verstand, weiß ich nicht, aber Joelle war er nicht entgangen, und so versuchte sie sich zu rechtfertigen:
„Es ist ja nur, wegen dem Herpes. Ich will mir sowas nicht holen, und in Lokalen holt man sich das schnell. Ich bin nämlich So..." und da merkte sie, dass sie auf dem Weg war, Dinge zu sagen, die bei mir nicht so gut ankommen würden. Und so rettete sie sich: „Solo, und da wäre es ja schlecht, sich so einen Herpes zu holen."
Sie lächelte. Die Kellnerin sah mich kurz an, aber ich konnte ihren Blick nicht deuten. Stattdessen lächelte sie und sagte:
„Kein Problem. Ich bringe Ihnen sofort einen neuen!"
„Vielen, vielen Dank!"
Als die Kellnerin außer Hörweite war, meinte Joelle:
„War ich zu nervig? Du kannst ganz offen sein."
„Hundertprozentig war das zu nervig!"
Joelle seufzte.
„Ich will nicht so sein. Glaubst du mir das? Ich will nicht nervig oder asozial oder eine Diva sein. Ich finde das auch schrecklich, aber manchmal überkommt mich das einfach so. Kannst du das verstehen?"
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Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische Liebesgeschichte
Literatura FemininaEine turbulente lesbische Liebesgeschichte zweier unterschiedlicher junger Frauen. Die Story ist schon was älter, aber ich hoffe, sie gefällt euch trotzdem. Like and subscribe und vor allem kommentiert!