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Als wir zu Bett gingen, stand ich vor einem Dilemma. Ich wollte sie bei mir haben, diese harmonische Zeit, die wir zusammen beim Komponieren verbracht hatten, wollte ich fortführen. Ich war einfach in dieser Stimmung. Ich wollte mit ihr in meinen Armen einschlafen. Ich wollte mit ihr neben mir aufwachen. Vielleicht würde ich ihren Kopf am Morgen unter die Bettdecke drücken, die Augen schließen und genießen, wie sie mir vor dem Aufstehen zu Diensten war. Auf der anderen Seite hatte Joelle sich gewünscht, dass ich strenger zu ihr sein sollte. An diesem Abend war mir wieder bewusst geworden, dass ich sie nicht verlieren wollte. Dass wir etwas Gemeinsames hatten. Joelle hatte das früher schon gesagt. Sie war freimütiger in ihren Liebeserklärungen. Ich hingegen war auf ihr: „Ich liebe dich" nie eingegangen. Hatte das unkommentiert stehengelassen und als Sätze gesehen, die Subs halt sagen, die aber nicht unbedingt von Doms kommen mussten.

Das war natürlich Unsinn.

Als Joelle aus dem Bad kam, bat ich sie zu mir.

„Ich möchte gerne, dass du bei mir im Bett schläfst."

„Okay." Ihre Antwort reichte mir nicht.

„Was möchtest du?"

Sie sah mich an.

„Das ist nicht die Frage, was ich will. Wenn du es willst, dann will ich es auch."

„Sowas sollst du nicht sagen. Du hast einen eigenen Willen."

„Wenn wir gerade spielen, dann habe ich keinen. Dann gebe ich alles an dich ab. Dann habe ich keinen. Wenn wir gerade nicht spielen, dann könnte ich dir sagen, was ich will."

„Spielen wir denn gerade?"

„Das bestimmst du."

„Könnten wir uns auch in den Armen liegen, ohne zu spielen?"

„Warum nicht?"

„Okay, dann spielen wir gerade."

„Dann richte ich mich nach dir."

Ich kam so nicht weiter.

„Du hast mir gestern gesagt, dass du dir mehr Härte wünschst."

„Das ist richtig."

„Wenn ich dich jetzt in meinem Bett schlafen lasse, dann bin ich nachgiebig."

„Kann man so sehen."

„Siehst du es auch so?"

„Ja."

„Also müsste ich dich wieder im Kleiderschrank schlafen lassen."

„Wenn du konsequent sein willst."

„Ich will, dass du glücklich bist."

„Bist du glücklich, wenn ich bei dir im Bett schlafe?"

„Absolut. Aber jetzt sag nicht, dass du es dann auch bist! Das hatten wir schon."

„Was soll ich dann sagen?"

Ich kam nicht weiter und versuchte es anders.

„Wo würde ich schlafen, wenn du an meiner Stelle wärst?"

„Im Kleiderschrank." Sie zögerte keine Sekunde.

„Wirklich?"

„Definitiv."

„Ich fand, dass wir gerade einen großartigen Abend miteinander verbracht haben."

„Fand ich auch."

„Und trotzdem würdest du mich in den Kleiderschrank sperren, statt mich neben dir zu haben und diese schöne Atmosphäre ausklingen zu lassen?"

„Wenn wir spielen, dann schon. Auf jeden Fall. Kleiderschrank."

„Würdest du an meiner Stelle denn jetzt spielen?"

Sie dachte nach, und ich war ein wenig froh, ihr eine Frage gestellt zu haben, die sie zum Nachdenken zwang.

„Wahrscheinlich nicht. Ich hätte dich auch gerne an meiner Seite im Bett."

„Also würdest du nicht spielen."

„Nein."

„Siehst du jetzt mein Problem?"

„Nicht so richtig."

„Du willst, dass ich mehr mit dir spiele und strenger bin. Aber wir haben so viele Momente, wo ich dich bei mir haben will. Das erscheint mir ein Dilemma, das sich nicht auflösen lässt."

„Du bist doch die Herrin. Du könntest ja einfach die Regeln ändern. Das ist doch dein Vorrecht. Du kannst jederzeit die Regeln ändern, und du musst dich vor allem nicht vor mir rechtfertigen. Du kannst mich in den Schrank befehlen oder ins Bett oder sonst wohin. Du kannst mir befehlen, dass wir kuscheln, wenn du das willst. Wenn dir nach Blümchensex ist, dann befiehl es, und ich werde dem nachkommen."

„Blümchensex ist aber nicht Teil unseres Spiels."

„Wie gesagt, du machst die Regeln. Wenn ich von dir gequält werden will, du mir aber die Qual versagst, dann ist das doch auch eine Art von Quälen."

„Aber es ist nicht das, was du willst. Ich möchte, dass du zufrieden bist, und wenn ich dir zu weich bin, dann bist du nicht glücklich."

Sie dachte wieder nach.

„Vielleicht bin ich auch nicht so unzufrieden mit unserer Beziehung, wie du glaubst. Du hast Recht, ich würde gerne öfter spielen, und wenn es nach mir ginge, könntest du noch viel härter sein. Ich will meine Grenzen erkennen, ich will in diesen Rausch, ich will dem weißen Kaninchen folgen wie in dem Song. Ich will in dieses Loch fallen. Du hast Recht, in den letzten Tagen hast du mich nicht einmal im Ansatz dahin geführt. In dem Lied heißt es: 'One pill makes you larger, and one pill makes you small.' Ich kann dir sagen, die Pille, die mich klein macht, die ist einfach nur geil. Wenn du mir die einflößt, dann bin ich glücklich. Vielleicht solltest du mal die versuchen, die dich größer macht. Vielleicht entdeckst du auch was darin."

Jetzt war es an mir zu schweigen. Mir gingen die Worte aus. Aber Joelle hatte noch etwas hinzuzufügen.

„In dir steckt noch viel mehr, als du glaubst. Wenn du mich dominierst wirst du zu einem anderen Menschen. Vielleicht musst du dich nur trauen. Ich verstehe, dass meine Rolle einfacher ist als deine. Wenn ich mich in deine Hände begebe, dann muss ich dir nur vertrauen. Sonst nichts. Wenn du mich nimmst, dann hast du schrecklich viel Verantwortung für das, was du mit mir anstellst. Du willst nicht zu weit gehen, du willst mich nicht verletzen. Du darfst die Kontrolle nicht verlieren. Aber ich habe immer noch mein Safeword. Und das ist auch dein Safeword. Wenn du zu weit gehen solltest, dann stoppe ich dich halt. Ich finde, das ist ganz einfach. Wenn ich dir vertraue, dann solltest du dir auch vertrauen."

Sie sah mir an, dass sie mir ziemlich viele Gedanken vor die Füße geworfen hatte.

„Ich würde sagen, heute spielen wir nicht mehr miteinander. Ich bin müde, ich geh schlafen."

Damit stand sie auf und verkroch sich in den Kleiderschrank, und ich starrte an die Decke und dachte nach.

Es war der letzte Tag unserer gemeinsamen Zeit in meiner Wohnung. Einmal schlief Joelle noch bei mir, dann musste sie zurück in ihr Leben. Ich hatte sie nicht an ihre Grenzen gebracht. Ich hatte sie ziemlich lange bei mir zuhause eingesperrt, und sie war in dieser Zeit schrecklich unproduktiv gewesen, hatte meine Wohnung sauber gehalten und gekocht. Zeitverschwendung. Aber das kreidete ich mir nicht an, es war ihre Idee gewesen.

Wir hatten ein Krisengespräch geführt, und ich stimmte ihr in allen Punkten zu.

Ich hatte das Gefühl, als schuldete ich ihr etwas. Als hätte sie ihren Teil der Abmachung eingehalten, ich aber nicht meinen.

Ich wollte ihr zeigen, dass ich ihren Ansprüchen gerecht würde.

Und so schmiedete ich einen Plan.

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt