Die Sonne schien verdammt heiß. Wir hatten vor ein paar Kilometern angehalten. Du hattest ein Tuch an einem quietschenden Handbrunnen nass gemacht. Ich hatte meinen Schleier nass gemacht.
Aber die Hitze hatte das kühle Wasser ganz schnell wieder verdunstet.
Ich trug immer noch das Brautkleid. Es war nicht mehr weiß, es war graubraun. Schmierig. Ich hatte die Schleppe abgerissen.
Meine Haare hingen wirr und fettig an mir herunter. Der Schweiß und der Wind hatten drei Stunden Frisör ganz schnell zunichte gemacht. Ich bräuchte ein paar neue Klamotten.
„Wieviel Geld hast du?", fragte ich.
„Vielleicht 50 Dollar."
„Mehr nicht?"
„Es musste alles schnell gehen. Mein ganzes Geld ist für die Karre draufgegangen."
„Kann ich verstehen. Immerhin hast du einen guten Geschmack."
„Findest du? Danke! Hast du Geld, vielleicht eine Kreditkarte?"
„Sorry. Ich hatte eigentlich vor, heute zu heiraten. Ich hatte nicht gedacht, dass ich von meiner lesbischen Freundin entführt würde."
„Gerettet würde!", korrigiertest du mich.
„Okay. Gerettet."
„Baby, ich habe dir versprochen, dass ich dich mit dem Typen nicht allein lassen würde."
„Das hast du in der Tat, und du hast dein Versprechen gehalten!"
Ich beugte mich in dem riesigen Auto zu dir herüber und wir küssten uns, während der Fahrtwind an unseren Haaren zerrte.
„Aber mit 50 Dollar kommen wir nicht weit."
„Baby, sprich nicht vom Geld!", meintest du. „Mach dir keine Sorgen. Wir treiben schon was auf. Zur Not lasse ich dich für ein paar Dollar an einem Rastplatz für die Trucker tanzen. Ich glaube, da käme eine schöne Summe zusammen."
Du sahst mich an, und ich konnte nicht erkennen, ob du Spaß machtest oder es ernst meintest.
„Wir könnten es auch mit Spielen versuchen. Ich sehe, du hast die Gibson mitgebracht und deinen Bass natürlich. Wir sind gut, wir könnten damit auch was verdienen, da bin ich mir ziemlich sicher!"
Du sahst mich an.
„Meinst du? Ich glaube, mir ist nicht nach Spielen. Ich finde, ich habe schon eine ganze Menge getan. Ich habe dich immerhin vor einer Hochzeit gerettet, die du nicht wolltest. Ich finde, du könntest auch mal was tun. Findest du nicht?"
Ich konnte beim besten Willen nicht herausfinden, ob du Witze machtest oder nicht.
Dein Blick jedenfalls verriet nichts.
Ich würde das tun. Wenn du es von mir verlangtest. Ich würde für verschwitzte Trucker abends an einem versifften Rastplatz tanzen. Ich hatte als Kind Ballett getanzt. Aber das würden sie nicht sehen wollen. Ich könnte es auch nicht mehr. Stattdessen würde ich mit den Hüften kreisen, breitbeinig, billig, meinen Oberkörper schwenken. Ich würde die Männer unter ihrem besoffenen Johlen antanzen, und sie würden mir Dollarscheine in den Ausschnitt stecken. Ich würde mein Kleid schürzen und meine Beine zeigen.
Wir würden eine Menge verdienen. Und du würdest zusehen. Ein wenig abseits stehen.
Wenn einer der Typen mir zu nah kam, würdest du dazwischen gehen. Ganz resolut, ganz brutal. Du würdest irgend so einen Kampfsport-Griff anwenden, und einen Augenblick später würde der Wüstling sich auf dem Boden wälzen. Du hieltest sein verdrehtes Handgelenk in einem festen Griff, während er auf dem Boden lag. Dein Bein auf seiner Brust und gäbst ihm die Wahl. Nett sein oder Hand brechen. Er würde sich für nett sein entscheiden, und du hülfest ihm auf. Du würdest ihm den Staub von den Klamotten klopfen. Ihr würdet euch wieder vertragen. Der Typ würde wissen, dass er keine Chance gegen dich hätte. Auch wenn du eine Frau bist.
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Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische Liebesgeschichte
ChickLitEine turbulente lesbische Liebesgeschichte zweier unterschiedlicher junger Frauen. Die Story ist schon was älter, aber ich hoffe, sie gefällt euch trotzdem. Like and subscribe und vor allem kommentiert!