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„Ich habe was für dich vorbereitet. Darf ich hochkommen?"

„Sicher."

Ich war eigentlich am Üben, und da will ich nicht gestört werden. Meist gehe ich nicht ans Telefon und ignoriere die Türklingel. Aber es war Joelle, und es war wieder alles gut zwischen uns.

Ich drückte ihr auf, räumte in der Minute, die sie brauchte hochzukommen, noch ein wenig meinen Krempel beiseite und erwartete sie dann. Es dauerte länger, als ich gedacht hatte. Aber als sie schnaufend vor meiner Tür stand, da verstand ich. Sie hatte die Treppe genommen.

Joelle wischte sich eine Haarsträhne und den Schweiß von der Stirn. Ihre Bäckchen leuchteten rot auf ihrer hellen Haut.

Sie hatte zu meiner Überraschung die Gibson dabei.

Wir begrüßten uns wie Freundinnen mit einer Umarmung, und ich ließ sie herein.

Ich sah sie fragend an, sagte aber nichts. Ich wunderte mich, was es mit der Gitarre auf sich hatte. Sollte sie auf die Idee kommen, mich zu überrumpeln und Unterrichtsstunden einzufordern, würde ich ihr aber die Leviten lesen.

Aber sie wollte keine Stunden, wie sich schnell herausstellte. Sie wollte sich entschuldigen.

„Mein Verhalten beim letzten Mal hier in deiner Wohnung war, sagen wir suboptimal. Daher möchte ich gerne um Verzeihung bitten. Wenn ich darf, möchte ich dir gerne etwas vorspielen. Darf ich?"

Ich nickte und ließ sie hinein.

Joelle ging an mir vorbei ins Wohnzimmer.

„Darf ich mein iPhone an deinen Verstärker anschließen."

Bevor ich „Bitte" gesagt hatte, hatte sie meinen Bass schon ausgestöpselt und ihr iPhone eingestöpselt.

Ich sah sie wieder fragend an, und dieses Mal erkannte sie meine Frage und antwortete:

„Ich habe die Violine vorher eingespielt, quasi als dritte Spur zu Gesang und Gitarre. Setz dich doch bitte!"

Ich setzte mich in den einzigen Sessel meines Wohnzimmers und sah ihr zu, wie sie die Gitarre auspackte und sich vorbereite.

„Bereit?"

Ich nickte.

„Ich hoffe, es gefällt dir! Ich habe in den letzten Tagen geübt. Ganz viel Zeit hatte ich nicht. Musste noch für eine Klausur pauken."

Die Violine begann mit langen getragenen Tönen. Moll. Eine Melodie konnte ich zunächst nicht erkennen, obwohl es mir irgendwie bekannt vorkam. Es ging einige Sekunden so, dann setzte sie mit ihrer Gitarre ein. Ich war überrascht, wie gut sie war. Man hätte nicht vermutet, dass sie das Instrument vor wenigen Wochen erst gekauft hatte. Ich hatte mir bisher keine Meinung über ihre Begabung gebildet. Aber nun musste ich ihr zugestehen, dass sie verdammt gut sein musste, wenn sie so schnell lernte.

Violine und Gitarre machten eine Wendung hin zur Melodie. Ich kannte sie, aber den Song konnte ich noch nicht einordnen.

Dann begann sie zu singen. Es war ein langsames Hauchen, rauchig, schwer, kalt, aber gleichzeitig auch dramatisch.

„My little girl. Drive anywhere. Do what you want. I don't care."

Ich war sprachlos. Sie konnte auch noch singen.

Es war „Behind the Wheel" von Depeche Mode. Ich erinnerte mich, dass der Song in ihrem Autoradio gelaufen war. Ich war nicht der größte Fan von dieser kalten, synthetischen Musik. Aber sie machte etwas anderes daraus. Sie machte aus dem Song den absoluten Sex.

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt