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Später bat ich sie, mir das Stück noch einmal vorzuspielen. Ich kramte mein Achtspuraufnahmegerät heraus, nahm den Ton der Gitarre ab, ließ mir die Spur mit der Violine geben und ließ sie dann noch einmal nur ihren Gesang aufnehmen.

Danach kramte ich meinen alten Kontrabass aus einer Ecke und spielte über die gemixten Tracks recht spontan eine Basslinie, die ich auch aufnahm.

Ich war nicht der größte Freund dieser Musik aus den Achtzigern. Zu der Zeit wurden Bässe häufig durch Synthesizer ersetzt. Man empfand den Bass als überholt. Ich glaube, Depeche Mode hat nie einen Bassisten gehabt. Die tiefen Töne, die der Bass liefert, konnte man halt auch synthetisch erzeugen. Aber sie klangen eben immer kalt und tot. So ein Kontrabass hat eine Wärme, die man nicht künstlich hinkriegen kann, und ein echter elektrischer Bass kann so viele Stimmungen vermitteln, da kommt kein Synthesizer dran. Heute geht es dem Bass wieder sehr gut, er ist gefragt, und jede Band, die irgendwie moderne Musik macht, hat einen Bassisten!

Wie Joelle das Stück arrangiert hatte mit Gitarre und Violine fehlte dieser dunkle Grundton ein wenig. Ein Bass ist eine Oktave tiefer angesiedelt als eine Gitarre. Das ist nicht besonders viel, aber im tiefen Bereich kommt die Gitarre halt nicht dahin, wo der Bass hinkommt.

Zusammen arrangierten und mischten wir den Song. Wir experimentierten noch mit einem Schlagzeug. Ich hatte irgendwo eine alte Snaredrum und Jazzbesen, wie ich haufenweise Instrumente hatte. So ein Musiker hortet häufig eine ganze Reihe von Instrumenten. Häufig sogar solche, die er gar nicht spielen kann. Aber man kann ja nicht wissen, wann man mal ein Snare braucht. Also schlägt man zu, wenn ein Drummer seine günstig abgibt, weil er sich eine bessere kauft.

Wir verwarfen die Idee mit dem Schlagzeug allerdings bald wieder. Das Stück benötigte einfach keins, und auch keinen Backgroundgesang, obwohl wir zusammen im Duett ein paar Ahs und Ohs aufnahmen und dabei viel Spaß hatten.

So verbrachten wir den Nachmittag und den Abend damit, dieses Stück zumindest in Demo-Qualität aufzunehmen.

Wir kamen aus unterschiedlichen Formen der Musik, wir hatten einen vollkommen anderen Hintergrund, andere Kompetenzen. Aber es klickte zwischen uns mit der Musik. Wir mussten uns erst ein wenig aneinander gewöhnen, aber je länger wir miteinander arbeiteten und Ideen hin und herschoben, desto mehr wurde mir klar, dass wir uns verstanden.

Das ist in meiner Erfahrung nicht selbstverständlich, dass man sich in solch einer Sache harmoniert, und es zeigte mir, dass wir zumindest in dieser Sache irgendwie seelenverwandt waren. Die Musik bedeutete uns beiden so viel, dass wir bereit waren, so lange zu arbeiten, bis wir zufrieden waren.

Das ging so weit, dass sie darauf bestand, ihre Violine zu holen und auch diesen Part neu einzuspielen, da sie diese Spur auf meinen Bass abstimmen wollte. Sie fuhr also ihre Violine holen, und ich werkelte allein weiter. Als sie wieder da war, nahmen wir die Violine neu auf, und ich bekam zum ersten Mal einen winzigen Eindruck davon, wie gut sie spielte, auch wenn ihr Part sie in keiner Weise herausforderte.

Als wir uns am Ende den fertigen Song anhörten, sahen wir uns an und grinsten breit. Wir hatten ein geiles Arrangement hingelegt. Minimalisch und ausdrucksstark. Nicht unbedingt das, was ich normalerweise an Musik fabrizierte. Definitiv nicht das, was sie machte. Aber es war gut. Ziemlich gut sogar. 

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt