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„Das ist Quatsch. So etwas kannst du dir nicht wünschen. Du bist ein kluger Mensch, du hast eine Menge drauf, in der Musik viel mehr als ich, du gehörst zu den Top-Musikerinnen in Deutschland, in der Welt vielleicht. Da kann es doch nicht dein Ziel sein, zu einer hauptberuflichen Sexsklavin zu werden!"

„Weißt du was, ich vertraue dir. Ich vertraue dir, dass du es nicht so weit kommen lässt. Ich vertraue dir, dass du mich ein wenig machen lässt. Aber ich möchte dir diese Entscheidung geben. Du sollst entscheiden, was ich tue, was ich sage. Du kannst bestimmen, was ich anziehe. Ich möchte mich nur darauf konzentrieren, dein zu sein. Ich möchte in dir verschwinden, nur für deine Zufriedenheit da sein. Das würde mir reichen. Du sollst für mich entscheiden. Es gibt im Internet dafür sogar Verträge. Sklavenverträge, da steht alles drin. Da gibt man alle seine Rechte ab. Das will ich auch. Ich will dir alle meine Rechte geben."

„Sklavenverträge. Denk mal einen Moment nach! Da steckt doch ein Widerspruch in sich drin. Sklave und Vertrag, das passt nicht zusammen."

„Aber es gibt Millionen von Menschen, die das so machen. Die leben als Sklave und Herr oder Sklavin und Herrin oder was auch immer."

„Ich bezweifele, dass das Millionen sind."

„Ist ja auch egal. Dann machen das nur besondere Menschen. Ich bin was Besonderes, du bist was Besonderes. Das passt doch super zusammen."

„Ich verstehe dich echt nicht! Du bist unzufrieden mit deinem Leben, in das dir zu viele Leute reinfunken, und dann willst du auf der anderen Seite die Kontrolle komplett jemand anders geben?"

„Du bist anders als die vielen anderen Leute. Du verstehst mich wie niemand sonst. Ich vertraue dir total. Ich liefere mich dir aus! Ich lasse mich von dir fesseln. Meinst du, ich würde das Privileg jedem geben? Niemandem vertraue ich so viel wie dir. Ich liebe dich!"

Wow, jetzt trieb sie es aber weit!

„Vielleicht solltest du nicht ganz so große Geschütze auffahren."

„Warum nicht? Ich liebe dich. Ich habe kein Problem, das zu sagen! Du könntest es ja auch!"

Das tat ich nicht.

Ich wollte auch nicht zu so etwas gedrägt werden. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken. Nicht in diesem Moment.

„Du weißt überhaupt nicht, worauf du dich da einlässt."

„Okay, dann schlage ich dir was vor. Wir machen einen faustischen Pakt. Eine Woche lang, mache ich, was du willst. Egal was. Du entscheidest. Ich vertraue dir total. In allem, was du befielst. Und wenn ich es doch nicht mache, wenn ich es nicht mehr ertragen kann, wenn ich sage: Oh Augenblick verweile doch, du bist so schön, oder irgendwas anderes, was besser passt. Wenn ich sowas wie ein Safeword benutze, dann ist alles vorbei, und du hast gewonnen. Aber wenn ich gewinne, wenn ich alles ertrage, dann erwägst du, mich als deine Sklavin zu nehmen. Muss ja nicht für immer sein!"

„Das ist ein doofer Plan."

„Wieso ist der Plan doof?"

„Das sage ich dir. Okay, wir spielen dein Spielchen, so wie du es willst. Mein erster Befehl: Spring aus dem Fenster! Na, was sagst du jetzt? Oh Augenblick... und so weiter. Ich gewinne!"

„Ach komm schon. Das ist doch unter deinem Niveau."

„Unter meinem Niveau? Die feine Dame ist aber wieder sehr wählerisch heute!"

„Es ist unter deinem Niveau, weil du so etwas nie befehlen würdest."

„Woher willst du das wissen?"

„Weil ich dich kenne! Und weil ich dich liebe!"

„Für jedes weitere Liebe, und wenn es auch nur ein Adjektiv ist, peitsche ich dich mit einer neunschwänzigen Katze aus, die ich mir allerdings erst noch besorgen müsste."

„Okay, sorry. Ich meine ja nur. Dir liegt auch was an mir, und du würdest nichts machen, was mir schadet. Erinnere dich mal bitte zurück. Ich habe damit angefangen. Du kannst mit diesem ganzen Sado-Maso doch gar nichts anfangen. Ich musste dir die Brennnesseln quasi in die Hand drücken. Du wirst mit mir nichts Schlimmes anstellen."

Damit tat sie mir aber unrecht. Ich hatte in der Zwischenzeit viel gelernt. Ich hatte mir so viel Sado-Maso-Kram im Internet angesehen und angelesen, dass ich eine exzellente Domina angeben würde. Wenn es mal mit der Musik nicht mehr klappte, könnte ich einfach umschwenken. Okay, das war Unsinn. Ich mochte das meiste, was ich da gesehen hatte, nicht.

„Komm schon. Lass uns spielen! Wir sehen das alles nicht so ernst und spielen. Wie auf Mallorca. War das nicht geil?"

„Du erinnerst dich aber schon daran, dass du zwischendurch auch mal ziemlich zickig warst."

„Ja, aber das wird jetzt nicht mehr vorkommen, weil ich dir ja gehorchen werde."

„Daran glaube ich aber noch nicht so ganz."

„Kannst du aber!"

Nun gut. Joelle hatte schon so viele Zugeständnisse gemacht, dass ich nicht mehr so richtig nein sagen konnte, ohne als komplette Spielverderberin dazustehen. Ich erbat mir also Bedenkzeit und beendete das Gespräch.

Das erste, was ich allerdings tat, war nach Faust zu googlen. Es hatte irgendwas mit einem Pakt mit dem Teufel zu tun, das wusste ich auch. Aber mehr nicht. Diese Wissenslücke nagte etwas an mir.

Okay. Faust, ein Wissenschaftler war wohl unzufrieden mit seinem Leben, stand kurz vorm Selbstmord, weil er mehr wissen wollte, als die Wissenschaft und die Religion hergaben. Also machte er einen Pakt mit Mephisto, dem Teufel, der ihm versprach, ihm zu zeigen, wie die Dinge so laufen. Und wenn Faust irgendwann mal genug hätte davon, Neues zu erfahren, dann würde Mephisto seine Seele kriegen. Daher auch das Zitat, was Joelle mir um die Ohren gehauen hatte: ‚Oh Augenblick verweile doch, du bist so schön.' Dann ging es dabei aber auch noch um Gretchen und eine Liebesgeschichte, aber die passte nicht so richtig dazu.

Mit anderen Worten: Ich war der Teufel, und sie war der Faust, und unser Pakt bestand darin, dass sie schwor, nicht aufzugeben, um eine gute Sklavin zu sein.

Auch das passte nicht so richtig zusammen, aber ich war gewillt, die logischen Schwächen ihrer Analogie zu übersehen. Immerhin hatte sie mich dazu gebracht, auf Wikipedia die Zusammenfassung zu Goethes Faust zu lesen. Ich hatte also wieder etwas gelernt. 

Die Violinistin und die Bassistin - eine lesbische LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt