10 Sünder

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In dem Zelt in der Nähe von Tripolis kam der Abend leichter in Gang als Tom befürchtet hatte. Serhat und Khaled hatten von ihren Gesprächen mit dem Saudi berichtet, und Tom, Nikos und Phil eine Strategie entwickelt, die erfreulicherweise aufzugehen schien denn Usama legte seine Scheu ab, oder war es Arroganz? Zuerst hörte er nur zu.

Die „Kämpfer" diskutierten über Palästina, und immer wieder steuerte Phil Weisheiten bei, die er in den Lagern der Palästinenser aufgeschnappt hatte. Der Saudi gelangte zu der Überzeugung, mindestens Phil müsste ein „hidden jihadist" sein, ein Schläfer des heiligen Krieges. Als solchen sah er den Kampf um Jerusalem schon lange - sein Lehrer hatte ihm die Zusammenhänge erklärt.

„Phil, darf ich mal Deinen Anhänger sehen?" fragte Usama schüchtern.

„Sicher, warte..."

Phil löste seine Halskette und gab sie dem saudischen Jungen, der lächelte:

„Das ist einer meiner Lieblingssprüche. Warum trägst Du das? Solltest Du das nicht verstecken?"

„Warum sollte ich diesen schönen Spruch verstecken? Das ist ein Geschenk von Tom."

Das Gespräch entwickelte sich besser, als ihre Planung vorsah. So einfach hatten sie es sich nicht vorgestellt. Nikos übernahm es, die ganze Geschichte des Anhängers zu erzählen, von Samir in Benghazi bis zu Ahmed im Souk von Tripolis.

Usama studierte intensiv das Muster des Teppichs vor seinen nackten Füßen. Es war still im Zelt. Fünf Paar Augen starrten ihn an. Er richtete sich auf:

„Du trägst das Buch zu Recht, Phil. Und Tom, Du wärst fast zum Märtyrer geworden. Danke, dass ich bei Euch sein darf."

Keiner wusste so genau, wie man mit dieser Art Pathos umgehen sollte. Schließlich raffte sich Tom auf:

„Usama, bitte vergiss nicht, dass wir von Anfang an alles zusammen gemacht haben. Nikos, Phil, viele andere, und sogar Gaddafi selbst haben geholfen, bei Samirs Rettung wie bei der Bestrafung der Täter. Wir sind eine Gruppe, Usama, und einer steht für den anderen ein. Wir machen alle unsere Aktionen zusammen, ganz wenige Leute, die sich absolut vertrauen."

„Das ist effektiv," stellte der Araber fest, und es klang fast so, als könne er das beurteilen. „Ihr seid also alle so wie Phil, so von der Weltanschauung her?"

„Von der Weltanschauung schon, sonst eher nicht. Das wäre nicht auszuhalten, wenn wir alle so wären wie der."

Usama verstand. Sie durften es nicht sagen, natürlich nicht, aber durch die Blume hatte Tom ihm zu verstehen gegeben, dass sie alle, wie Phil, heimliche Moslems, Verbündete der Palästinenser waren. Die gleiche Weltanschauung.

Nikos grinste in die Runde:

„So, Freunde, wir haben jetzt frei, und morgen fahren wir gemütlich zu dieser Musterfarm, also lasst uns mal einen rauchen. Ob uns jemand noch Tee besorgen kann? Ich frag mal Ali."

Usama rauchte tatsächlich mit - sie hatten vorher gewettet. Phil und Khaled gewannen. Die Welt im Inneren des Zeltes duftete sehr bunt. Hauptmann Hassan hatte offenbar eine gute Quelle.

„Wie unhöflich von uns," meinte Tom. „Die ganze Zeit reden wir von uns. Erzähl doch mal von Dir, Usama. Du scheinst auch kein langweiliges Leben zu führen."

Der Saudi schilderte nüchtern, ohne dabei zu prahlen, dass er aus einer sehr reichen Familie stammte, die ein internationales Baugeschäft besaß. Die Verwandtschaftsverhältnisse waren verwirrend. Er war einer der legitimen Erben des Konzerns, allerdings erst, wenn er volljährig wurde. Er besuchte eine Privatschule, wo auch Ausländer unterrichtet wurden, vor allem Engländer und Amerikaner.

Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige BestienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt