„Man sagt mir, Sie mögen sowas," lächelte Herr Al-Aziz. Er hatte Tom, Nikos und Maher in einen Besprechungsraum im Keller der Botschaft gebeten, wo sie auf bequemen Ledersesseln rund um einen kleinen Tisch saßen, auf dem Teegläser, eine Zuckerdose und eine spiegelnde Silberplatte mit feinen Pralinen lockten.
„Maher, ich nehme an, Tom und Nikos haben Sie darüber aufgeklärt, was auf Sie zukommt," eröffnete Al-Aziz das Bewerbungsgespräch.
„Sie haben mir gesagt, dass ich nicht für den Geheimdienst, sondern für Ihre Gruppierung arbeiten soll, indem ich Nachrichten übermittele." antwortete Maher. „Sie sind Nasseristen, was mir sympathisch ist. Wir verdanken dem Rais so viel, Allah ist mein Zeuge. Ihre Organisation ist also quasi doppelt geheim. Habe ich das richtig verstanden?"
„Im Großen und Ganzen ja."
Maher ließ sein Gespräch mit Serhat vor seinem inneren Auge ablaufen:
„Ich habe zwei Fragen. Erstens, weiß der Geheimdienst, dass ich für Sie arbeite?"
„Nein. Sie werden nur mit Oberst Al-Numeiri und mit mir Kontakt haben. Wir werden Ihnen eine glaubwürdige Legende verschaffen. Wie die aussieht, erfahren Sie, wenn Sie ja gesagt haben."
„Ich könnte also nein sagen?"
„Jetzt noch. Nicht, wenn Sie einmal dabei sind."
„Meine zweite Frage. Mein Freund Serhat arbeitet auch für Sie. Er soll Papiere von Ägypten nach Libyen bringen. Das ist einfach, weil er in Kairo lebt und in Libyen forscht. Ich soll Sachen von Griechenland nach Ägypten bringen. Ich wohne aber auch in Kairo. Das heißt, wenn etwas abzuholen ist, muss ich erst nach Athen reisen. Bis die Papiere dann in Kairo wären, kann mehr als eine Woche vergehen."
„Sie haben das Problem erkannt, und deswegen haben wir uns Folgendes ausgedacht: Sie gehen wie geplant ein paar Wochen für Ihr Praktikum in die Oase. Es darf nicht auffallen, dass Sie plötzlich einfach verschwinden. Danach, also im Oktober, studieren Sie in Athen weiter. Medizin wird hier auch auf Englisch gelehrt. Wir besorgen Ihnen das nötige Visum."
Herr Al-Aziz legte eine Pause ein. Er wusste, dass Maher einiges zu bedenken hatte. Tom und Nikos erging es nicht anders. Es war ihnen zwar durchaus recht, dass niemand aus ihrer Gruppe diese Kurierdienste mehr leisten musste, denn das Personal war knapp. Trotzdem: warum wollten die Ägypter sie ihrerseits nicht mehr einsetzen? Tom fiel nur eine vernünftige Erklärung ein: Im Gegensatz zu der griechischen Gruppe, die die Zusammenarbeit jederzeit beenden konnte, hätten die Ägypter Maher in der Hand. Sie konnten ihm das Visum jederzeit entziehen und sogar sein Studium beenden. Ein solches Druckmittel hatten sie gegen die Griechen nicht.
Mahers Gedanken drehten sich um ein gänzlich anderes Problem. Er musste mit Tom sprechen und zwar ohne einen ägyptischen Zeugen.
„Ich möchte mich gerne mit Tom und Nikos beraten. Dürfen wir in einer halben Stunde wiederkommen?" fragte er. Al-Aziz gab sich großzügig:
„Selbstverständlich."
„Essen Sie nicht die ganzen Pralinen auf," ermahnte Tom ihren Gastgeber lachend und ging mit Nikos und Maher die wenigen Meter zum Syntagmaplatz, wo sich auf eine Bank setzten.
„Das ist ein Hammerangebot," eröffnete Tom das Gespräch, als Maher den Mund nicht aufbekam. „Ich vermute, sie wollen lieber Dich als uns einspannen, weil sie auf Dich mehr Einfluss haben."
„Sowas ist mir auch durch den Kopf gegangen," fügte Nikos hinzu. „Und er hat ausdrücklich gesagt, noch könntest Du nein sagen. Was denkst Du?"
Maher schüttelte den Kopf.
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Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige Bestien
Historical FictionIm 6. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute" erleben Tom und seine Freunde während eines Besuchs am Suezkanal und in Ismailia die brutalen Auswirkungen des Nahostkrieges. Auf einer Autofahrt von Kairo zur libyschen Grenze geraten sie in eine Ausein...