Eine Viertelstunde lang war es ganz still. Dann klopfte es. Tom flüsterte, leise, aber laut genug, um verstanden zu werden:
„Das ist der Henker. Gib mir die Pistole. Sowas hasst der." Er steckte die Waffe wieder hinten in seinen Gürtel. „Komm rein!"
Martin und Dave traten ein, und Tom flüsterte wieder leise, aber laut genug:
„Der Henker." Sein Tonfall wurde unterwürfig. „Meister der Klinge, ich grüße Sie. Bruder, sei auch Du mir willkommen. Darf ich Ihnen meinen Freund Alex vorstellen?"
Martin fing den Ball auf. Mit tiefer, rauer Stimme und schwerem griechischen Akzent sagte er:
„Sei gegrüßt, Schlitzer Tom. Alex, angenehm. Nett, dass Ihr an mich gedacht habt. Heute könnt Ihr wieder etwas lernen."
Er begutachtete die beiden Gefangenen.
„Ein sauberer, sehr, sehr schöner Schnitt hier am Hals, Tom. Nicht zu tief, schnurgerade. Ganz meine Schule. Glückwunsch. Hat er ausgepackt?"
„Ja, sie suchen die Frau vom letzten Mal. Sie wissen, die Schwarzhaarige unten am Hafen."
„Mit der Du Unhold geschlafen hast. Pfui Teufel. Du musst Dich mehr beherrschen. Und sieh mal, dieser hässliche Kratzer, den der hier an der Hand hat. Wie unsauber. Ich sehe Panik, kein planvolles Handeln."
„Entschuldige, Meister, sie haben uns mitten im Sex gestört."
„Dann sei Dir verziehen. So, bitte zieht die Männer nun aus. Ich hasse es, durch Kleidung zu schneiden. Die Sachen kann man doch weitergeben. Es gibt so viele Arme in dieser Stadt. Seht mal nach, ob sie sonst noch was Brauchbares haben."
Der Horror lähmte die beiden Agenten. Was hatten diese Verrückten mit Politik zu tun? Nichts, gar nichts. Das waren einfach nur völlig irre Sadisten, und sie würden sie eiskalt ermorden. So wie sie das mit Melinda gemacht hatten. Widerstand war zwecklos – nicht nur, weil die Killer in der Überzahl waren, sondern auch, weil sie bewaffnet waren. Und weil sie verrückt waren. Total irre. Wenn sie eine Überlebenschance haben sollten, mussten sie erst mal tun, was immer ihnen gesagt wurde, und hoffen, dass sich eine Fluchtmöglichkeit ergab.
Tom und Nikos fanden einen Autoschlüssel, ein Schlüsselbund und zwei Portemonnaies mit gerantiert falschen Ausweisen.
„Der Henker hat drei Fragen: Wo wohnt Ihr, was für ein Auto habt Ihr, und wo steht es?" fragte Martin mit Schauderstimme. „Und hier kommt Eure Belohnung: für jede wahre Antwort dürft Ihr zehn Minuten früher sterben. Jede Lüge verlängert Euer Leiden." Er kicherte gemein. „Tom, ich zeige Dir bei der Gelegenheit, wie man das steuert."
„Danke, Meister, das würde mich sehr glücklich machen."
„Glücklicher als mit Alex zu schlafen?"
„Man soll Privates nicht mit Geschäftlichem vergleichen. Ist aber beides sehr schön."
„Gute Antwort. Aus Dir wird mal einer. Also, drei Antworten."
Das Auto stand unterhalb des Hotels, und die Adresse der Wohnung kannte Martin. Beziehungsweise der Henker:
„In der Wohnung hast du mit Melinda geschlafen, Tom. Fahr hin und sieh nach, was Du findest. Nimm meinen Gehilfen mit."
„Meister, ich würde Ihnen lieber assistieren."
„Das sollst Du doch. Ich werde ihnen keinen Tropfen Blut abnehmen, solange Du nicht wieder da bist."
„Danke, Meister. Ich beeile mich."
„Warum denn? Ich liebe es, wenn sie zittern."
Die Spione überlegten, ob sie betteln sollten. Nein, noch nicht.
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Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige Bestien
Historical FictionIm 6. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute" erleben Tom und seine Freunde während eines Besuchs am Suezkanal und in Ismailia die brutalen Auswirkungen des Nahostkrieges. Auf einer Autofahrt von Kairo zur libyschen Grenze geraten sie in eine Ausein...