22 Beichte Teil 1

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Dass die vier Männer wieder ansprechbar waren, war erst am Nachmittag der Fall. Ohne dass Nikos eingeladen hätte, fanden sich alle zu einer Vollversammlung in Agios Andreas ein. Natürlich waren die Ereignisse der Nacht das erste Thema. Dann sahen sie sich die Fotos aus Ägypten an, deren Qualität ganz gut war, bedachte man, dass sie mit einer winzigen Kamera aufgenommen wurden.

„Komisches Gefühl, das so zu sehen," meinte Martin. „Wie Gemälde in einer Galerie. Wir waren doch da, und es war wirklich schrecklich."

„Ich finde das schlimm genug," meinte Xenia.

„Schon, aber es ist eben nur Papier."

Martin hatte inzwischen zusammen mit Dave die Post durchgesehen.

„Mein Reisebericht wird in zwei Folgen in unserer Lokalzeitung abgedruckt, an zwei Samstagen im Juli. Sie geben immerhin 300 Mark. Die Reportage über den Suezkanal und vier der Fotos sind an eine Nachrichtenagentur gegangen, die haben pauschal 500 gezahlt. Hans hat das in London eingestielt," berichtete er.

„Weißt Du, ob das schon irgendwo gedruckt worden ist?" fragte Tom.

„Nein, aber Hans hat versprochen, er behält das im Auge und gibt uns Bescheid."

Ihr Testballon hatte mehr eingebracht, als sie vermutet hatten. Schließlich war das nur ein Abfallprodukt ihres vom Geheimdienst bezahlten Ausflugs. Wenn sie das beruflich machen würden, müsste man davon leben können, meinte Martin.

„Einstweilen wird das wohl ein Hobby bleiben," bremste Nikos die sich ausbreitende Euphorie. „Wir machen ab dem Herbst alle hauptberuflich was anderes, und eine Menge Zeit geht auch für die Gruppe drauf."

„Lasst uns das erst mal nebenbei machen," stimmte ihm Martin zu. „Wenn jemand ein interessantes Thema hat, soll er schreiben, und Hans versucht, das zu verkaufen. Oder Billy, wenn er wieder in Deutschland ist. Mal abwarten, wie sich das entwickelt. Wenn sich das lohnt, gründen wir die Firma. Ich hätte jedenfalls große Lust, das nach dem Studium ganz zu machen."

Sie einigten sich darauf, dass der jeweilige Autor die Hälfte des Honorars behalten dürfte, während die andere Hälfte in die Kriegskasse ihrer Gruppe fließen sollte. Die war, wie Nikos berichtete, trotz der hohen Ausgaben für Telefon und Mietwagen immer noch ganz gut gefüllt.

„Ich möchte mal was Grundsätzliches ansprechen," sagte Xenia. „Ich habe mir heute morgen fast den Fuß gebrochen, weil ich in Eurem Zimmer auf was Hartes getreten bin. Tom, wieso trägst Du eine Pistole?"

„Die haben wir dem deutschen Agenten abgenommen," wich er aus.

„Warum hast Du sie nicht Basilis gegeben? Wir sind uns immer einig gewesen, dass wir sowas nicht machen. Mein Opa würde sich im Grab rumdrehen, wenn er das wüsste."

„Damit eins klar ist," sprang Nikos seinem Freund zur Seite, „niemand von uns wird eine Waffe tragen. Die kommt in die Kiste, in der ich Toms Sachen aufhebe, die Uniform und sowas. Ist ein Souvenir, mehr nicht."

Die Diskussion wurde kontrovers. Die Mehrheit blieb bei ihrer vor langer Zeit verabredeten Gewaltlosigkeit, aber es gab einige Gegenstimmen, die durchaus Argumente hatten. Tom war überrascht, als ausgerechnet Sophia, unterstützt von ihrem Bruder Georgios und Stella, ihr Prinzip in Frage stellte:

„Wir sind mehr als einmal in brenzligen Situationen gewesen. Denkt mal an die Überfälle in Kastoria, oder die Geiselnahme auf der Peloponnes. Ich finde, wir sollten uns wehren können. Ich meine, wir wollen ja nicht einen Bürgerkrieg anzetteln, aber auf so gefährlichen Aufträgen wäre es schon besser, man hätte eine Waffe."

Nikos widersprach vehement:

„Also erstens, Eure Geiselnahme hätte das nicht verhindert. Ihr seid betäubt worden, und schon hätten die Kidnapper die Pistole gehabt. Zweitens sind wir aus allen Situationen auch so rausgekommen. Und drittens, stellt Euch bitte mal vor, Phil hätte damals statt einen Baseballschläger eine Pistole gehabt. Dann wäre Zeljko jetzt vielleicht tot, und Phil im Gefängnis."

Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige BestienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt