Am nächsten Morgen brachten Tom und Martin einen ganzen Berg Wäsche in eine Wäscherei in Exarchia. Auf dem Rückweg kauften sie an einem Kiosk Straßenkarten der Peloponnes. Rechtzeitig zum Frühstück trafen sie sich mit den anderen auf der Dachterrasse des Hotels am Strefi. Nikos hatte Neuigkeiten:
„Basilis hat angerufen. Er kommt gleich vorbei. Er konnte am Telefon nicht sagen, um was es geht."
„Ich kann's mir denken," stöhnte Tom. „Basilis heißt Arbeit, wetten?"
Keiner hielt dagegen.
„Tut mir leid, dass ich Eure Urlaubspläne durchkreuzen muss," entschuldigte sich Basilis. „Es sind mal wieder Papiere auf Kreta abzuholen, aber das könnte Andreas schon organisieren. Das Problem ist, dass wir dringend Geld nach Iraklion bringen müssen - die pfeifen auf dem letzten Loch. Die Leute in der Taverne am See brauchen auch für die Druckmaschine Ersatzteile, die wir hier haben. Und dann sind da noch ein paar Pläne für die Bunkerbauer in der Nähe von Souda. Das heißt also, heute Abend hin, morgen wieder zurück. Wer macht's?"
Alle meldeten sich, aber Tom erhob Einspruch:
„Meine Eltern sind auf Kreta. Ich möchte mit Nikos hinfahren und sie überraschen."
Der harmonische Abend mit Nikos' Eltern beflügelte ihn, so schnell wie möglich überall reinen Tisch zu machen.
„Was spricht dagegen, wenn wir alle fahren? Umso größer die Überraschung," meinte Xenia.
„Eigentlich nichts," sagte Tom. Ein privates Abendessen mit seinen Eltern und Nikos wäre ja trotzdem möglich. „Dann müssen wir die anderen in Agios Andreas aber auch fragen. Und dann können wir statt einer Woche Peloponnes einfach eine Woche Kreta machen. Oder sind die Papiere so eilig?"
„Es reicht, wenn Ihr die in einer Woche mitbringt. Die anderen Sachen sind eiliger."
Auch sonst hatte keiner etwas dagegen, eine Woche lang Kreta zu erforschen. Die Reisegruppe war dennoch überschaubar, denn viele mussten arbeiten oder zur Schule. Außer Nikos und Tom waren Dave und Anna, Martin und Xenia, Jürgen und Helena, Dimi und Ioanna dabei, und Theo natürlich auch. Ahmed erhielt die Erlaubnis, seinen Aufenthalt um weitere zwei Wochen zu verlängern, also würde er auch mitkommen. Dann hielten sie in Agios Andreas Kriegsrat.
Nikos telefonierte mit Herrn Lakis und reservierte drei Viererkabinen für die Fähre nach Iraklion, denn die Doppelkabinen waren ausverkauft. Dann bat er Andreas, ihnen Mietautos und Zimmer in dem Hotel in Rethymnon zu besorgen, wo die Australier schon einmal gewohnt hatten. Toms Eltern waren in einer Hotelanlage wenige Kilometer östlich des Städtchens untergekommen. Am Nachmittag brachten Jannis und sein Bruder die zwölf mit den beiden großen Taxis zum Hotel am Strefi. Basilis übergab ihnen das „Schmuggelgut" in zwei Taschen, die sie mit Kleidungsstücken auffüllten. Eine Stunde vor Abfahrt der Nefertiti waren sie an Bord.
Sie deponierten ihr Gepäck in den engen Kabinen, die keine Fenster hatten. Dave zog das kürzeste Streichholz und musste auf ihre geheime Fracht aufpassen, während die anderen vom obersten Deck die Ausfahrt aus Piräus genießen wollten. Anna leistete Dave natürlich Gesellschaft.
Tom und Nikos standen Arm in Arm an der Reling, als die Nefertiti sich mit einem tiefen Tuten von Piräus verabschiedete und „Die Kinder von Piräus" aus den Lautsprechern schallte.
„Morgen Abend um diese Zeit sitzen wir mit meinen Eltern beim Essen," seufzte Tom. „Ich fürchte, so entspannt wie mit Deinen wird das nicht."
„Sie werden Dir schon nicht den Kopf abreißen," beruhigte ihn Nikos.
Herr Lakis hatte ihnen geraten, das Abendessen im Restaurant des Schiffs einzunehmen, wo sich einiges geändert hatte. Wie auf der Tutanchamun war jetzt ein Buffet zu einem erschwinglichen Pauschalpreis aufgebaut. Musik gab es allerdings erst ab Juli, sodass sie nach dem Essen wieder auf das Sonnendeck gingen und sich den Wind um die Ohren pfeifen ließen, der in der letzten Stunde deutlich zugenommen hatte. Als sie gegen Mitternacht ihre Kojen aufsuchten, schwankte das Schiff mächtig. Diesmal erwischte die Seekrankheit Jürgen, und Martin testete, ob Mahers Medizin auch bei dieser Art Beschwerden half. Und wie sie half! Eine halbe Stunde später war Jürgen eingeschlafen.
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Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige Bestien
Historical FictionIm 6. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute" erleben Tom und seine Freunde während eines Besuchs am Suezkanal und in Ismailia die brutalen Auswirkungen des Nahostkrieges. Auf einer Autofahrt von Kairo zur libyschen Grenze geraten sie in eine Ausein...