37 Die Geschichte von Sophia und Maher

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Die Arztpraxis stellte sich als ein Zimmer in einer privaten Altbauwohnung im Zentrum Athens heraus. Der Orthopäde, der bis zu seiner Pensionierung in einem großen Krankenhaus gearbeitet hatte, betreute nur noch wenige Privatpatienten. Während Tom und Nikos im Wohnzimmer mit seiner Frau plauderten, untersuchte er Panos akribisch und führte ein langes Gespräch mit ihm. Die Lebensgeschichte des jungen Mannes beeindruckte ihn. Dann gab er allen im Wohnzimmer eine Zusammenfassung:

„Wir haben uns geeinigt, dass Panos moderne Prothesen bekommt. Sie werden in einer Werkstatt angefertigt, die ich seit Langem kenne. Die ersten vier Wochen lernt er in einer speziellen Einrichtung in Loutraki laufen, danach muss er mehrmals in der Woche zum Training in einer Praxis in Athen. Ich habe ihm gesagt, dass das alles in allem ein Jahr dauern wird. Er hat mir gesagt, Ihr bezahlt das?"

Nikos bestätigte die Abmachung:

„Ihr Sohn meinte, das kostet so um die 10.000 Dollar. Wenn sich das in diesem Rahmen bewegt, bezahlen wir das. Panos gibt uns das Geld später zurück. Allerdings müssen wir es aus der Schweiz holen, und niemand darf wissen, dass das Geld von uns kommt."

„Ich habe mir Leute mit Konto in der Schweiz immer etwas anders vorgestellt," lächelte der Doktor. „Ich frage lieber nicht, wie es da hinkommt. Ich kenne die Werkstatt und das Sanatorium in Loutraki gut genug. Wenn ich sie nett bitte, nehmen sie das Geld auch, ohne zu wissen, woher es kommt."

„Wann würde das Geld gebraucht?" fragte Nikos.

„Das liegt bei Euch. Sobald Ihr es habt, können wir anfangen."

Auf dem Weg nach Agios Andreas war es in dem Mustang sehr still. Panos versuchte, sich ein Leben mit künstlichen Beinen vorzustellen, und Tom und Nikos wurde bewusst, dass es ihr vorletzter Abend zusammen war. Sie hielten an der Kapelle und stellten Kerzen auf. Panos saß mit geschlossenen Augen in seinem Rollstuhl, während Tom und Nikos knieten. Der Pope nickte ihnen stumm zu, als sie mit roten Augen nach einer halben Stunde sein Kirchlein verließen.

Je näher sie Sandys Garten kamen, umso zappeliger wurde Panos. Tom und Nikos hoben ihn in den Rollstuhl und schoben ihn zum Grill, wo die anderen auf sie warteten.

„Kommt alle her," rief Panos und wedelte wild mit den Armen. Als alle um seinen Rollstuhl versammelt waren, rief er:

„Ich bekomme neue Beine."

Einer nach dem anderen umarmte ihn, und er erzählte ihnen in allen Einzelheiten von seinem Arztbesuch. Jannis und die beiden deutschen Ehepaare, die einen Ausflug nach Mykenä und Epidavros unternommen hatten, kamen dazu. Jannis lud alle Anwesenden für den nächsten Abend zu einem Abschiedsessen für Tom nach Rafina ein.

Maher ging mit Sophia ins Haus und überbrachte ihr die neusten Nachrichten. Ihr erster Kommentar fiel sarkastisch aus:

„Jetzt haben wir den Salat. Du willst mit mir zusammen sein, und ich kann mir nicht mehr vormachen, dass es nur eine Woche Spaß ist. Und verlobt bin ich auch noch."

„Und Du liebst Tom."

„Ja, aber ich liebe Dich auch. Das glaubst Du mir nicht, ich weiß, aber es ist so..."

Sie unterbrach sich selbst, und Maher ließ sie nachdenken. Wenn sie sich für ihn entscheiden würde, gingen die Probleme sofort los. Er wäre in ihrer Familie vermutlich ebensowenig willkommen wie sie in seiner. Für sie ging es nicht nur um eine Entscheidung zwischen Tom und ihm, sondern auch um eine Entscheidung zwischen ihrer Familie und ihrem neuen Partner. Dasselbe galt für ihn gleichermaßen.

Sie schwiegen lange, dann sagte er leise:

„Das war die Geschichte von Maher und Sophia, stimmt's?"

Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige BestienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt