„Das war Rettung in letzter Sekunde," beichtete Tom Nikos, als die beiden ihr wenig zurückhaltendes Beisammensein in dem geschichtsträchtigen Gelände mit einem Joint feierten.
„Ich dachte, bevor unsere Flitterwochen komplett in die Hose gehen, passe ich lieber ein bisschen auf Dich auf," erklärte Nikos.
„Schlimm genug, dass es nötig war. Verdammt, meine Verlobte ist die schärfste Frau, der ich jemals begegnet bin."
„Und Du liebst sie immer noch."
„Ja. Das wird sich auch nicht ändern. Aber es wird sich auch nicht mehr ändern, dass wir zusammen sind."
Die anderen hatten mittlerweile das ganze riesige Ruinenfeld nach Tom und Nikos abgesucht. Aufsteigende Rauchwolken verrieten schließlich ihr Liebesnest.
„Es gibt Leute, die kriegen nie genug," grinste Thassos, als er sie im Gras liegend, milde vor sich hin lächelnd, aufstöberte. „Wir müssen los, die Pferde wollen saufen. Da hinten ist ein kleiner Fluss. Also, auf jetzt!"
Die Pferde tranken, und Toms Magen grollte immer vernehmlicher. Den anderen erging es ähnlich.
„Hat jemand eine Idee, wohin wir mit den Pferden können und trotzdem was zu essen kriegen?" fragte Tom.
Ilias studierte die Karte. Sie wollten ohnehin auf einem anderen Weg zurückreiten, möglichst nicht durch die Berge. Sie einigten sich auf eine Route, die durch mehrere Dörfer am westlichen Fuß des Gebirgsausläufers führte. Irgendwo müsste es einen Bäcker geben, und ein Kafenion, wo sie ihren Kaffeedurst stillen konnten. In den Dörfern, meinte Ilias, seien die Menschen noch an Reiter gewöhnt.
Er behielt recht. In einem kleinen Ort, der sich an den Hang schmiegte, kauften sie den Keksvorrat des Bäckers auf, und sein Schwager brachte ihnen Kaffee auf die Obstwiese hinter dem Haus, wo sie mit den Pferden rasteten. Tom wunderte sich. Das Dorf sah anders aus als die anderen Dörfer in dieser Gegend. Die Häuschen waren alle in einem ähnlichen Stil gebaut und waren nicht alt. Ilias erklärte ihm, manche dieser Dörfer seien entstanden, als die Griechen aus der heutigen Türkei vertrieben wurden. Erst seit dieser Zeit wurde die Gegend so intensiv landwirtschaftlich genutzt, besonders durch den Tabakanbau.
„Du kannst hinkommen, wo Du willst," resümierte Tom. „Wir waren in El-Alamein, rundherum wirklich nichts als Sand, und da haben sich zehntausende Soldaten gegenseitig umgebracht. Hier genauso: die Griechen, die Römer, die Bulgaren, die Türken. Immer gibt es Krieg. Und wofür?"
„Bei den Römern ging es um den Kaisertitel. Das musst Du Dir vorstellen: erst ermorden sie Caesar, dann streiten sie sich um seine Nachfolge. Mehrere Männer wollen Kaiser werden, und statt dass sie sich gegenseitig die Köpfe einhauen, schicken sie tausende in den Tod. Und wenn es demnächst in Zypern losgeht, dann geht es doch auch nur darum, dass diese schrägen Figuren in Athen an der Macht bleiben. Enosis, toll," ergänzte Nikos.
Am Abend war dann Grill- und Scheunenparty angesagt, und die ging bis ins Morgengrauen. Der sonntägliche Ausritt in die Berge im Nordosten fand daher in kleiner Besetzung statt. Die halbe Belegschaft streikte. Die Knochen taten weh, die Muskeln erst recht. Nur Tom, Nikos, Thassos, Samir und Ahmed hatten noch nicht genug. Sie ritten über schmale, dunkle Pfade in die Berge. Bis zum späten Nachmittag trafen sie weder Menschen noch größere Tiere. Trotz der Nähe zur Zivilisation kamen sie sich wie in der völligen Wildnis vor.
Es war ein heftiger, ein erholsamer Gegensatz zu dem Gewühl und der Hektik, dem Lärm und Gestank, die sie in Kairo und Athen erlebt hatten. Toms Laune hätte besser nicht sein können. So hatte er sich diesen Urlaub vorgestellt.
„Könnt Ihr nicht am Freitag noch mal herkommen?" bettelte Samir. Die Urlauber hielten Kriegsrat.
„Okay, wir fahren nach Kavala und nach Thassos, und am Wochenende kommen wir wieder," versprach ihm Nikos schließlich.
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Die richtigen Leute Band 6: Blutrünstige Bestien
Historical FictionIm 6. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute" erleben Tom und seine Freunde während eines Besuchs am Suezkanal und in Ismailia die brutalen Auswirkungen des Nahostkrieges. Auf einer Autofahrt von Kairo zur libyschen Grenze geraten sie in eine Ausein...