Kapitel 5

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Ein Alpha. Ein mächtiger Alpha stand hinter mir. Allein an seiner tiefen Stimme erkannte ich dies. Sobald ich den Klang seiner Stimme hörte, wollte ich mich ihn unterwerfen. Ein weiterer Grund, weshalb ich Wölfe hasste.

"Dreh dich um!"

Mein Körper gehorchte und ich stand mit dem Oberkörper vor ihm. Mein Kopf war immer noch gesenkt und das einzige was ich sah, waren seine schwarzen Schuhe. Er stand einige Meter von mir entfernt und trotzdem strömte er eine ungeheure Macht aus.

Ich hörte, wie er scharf ein atmete und den Atem anhielt.

"Sieh mich an."

Mein ganzer Körper sträubte sich. Ich versuchte mich gegen den Drang zu wehren, ihm zu gehorchen.

In Sekundenschnelle stand er genau vor mir und ich konnte trotz des Regens seinen unwiderstehlich guten Geruch wahrnehmen.

"Du sollst mich ansehen!", forderte er diesmal mit seiner Alphastimme.

Ich war so kurz davor, auf ihn zu hören und in sein Gesicht zu blicken. Aber ich kämpfte mit aller Macht dagegen an. Ich würde mir niemals von einem Alpha sagen, was ich zu tun hatte und was nicht. Vor allem von einem Mann, dessen Namen ich nicht einmal kannte.

"Ich sagte, du sollst mich verdammt nochmal ansehen!", knurrte er wütend.

Er legte seine Finger an mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. Blau traf grau.

Meine Welt schien in diesem Moment stehen geblieben zu sein. Ich nahm den Regen, die Kälte und meine Umgebung nicht mehr wahr. Allein er beschäftigte meine Gedanken.

Seine grauen Augen waren wunderschön. Sie glichen Diamanten, die einen unglaublichen Kontrast zu seinem schwarzen Haar bildeten. Der Mann gegenüber war groß. Ziemlich groß. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der zwei Köpfe größer war als ich. Er war definitiv größer als Shay oder Alec.

Sein Körper war definiert und man sah durch das durchnässte Shirt, welches an seiner Haut klebte, wie durchtrainiert er war. Ich hatte noch nie einen Mann gesehen, der so...perfekt war.

Er runzelte die Stirn und blickte mich wortlos an. War er wütend? Würde er mich töten, da ich den Befehl eines Alphas verweigert hatte?

"Gefährtin...!", hauchte er leise und ich hatte Mühe das Wort bei dem Regen überhaupt zu verstehen. Doch als mir bewusst wurde, welches Wort seinen Mund verlassen hatte, wurden meine Augen groß.

Nein. Ich ging einige Schritte zurück und machte direkt Bekanntschaft mit dem Baum hinter mir. Unglaubwürdig schüttelte ich meinen Kopf. Hatte er Recht? Waren wir Gefährten? Fühlte ich mich deshalb so von ihm angezogen?

Er fuhr sich verzweifelt durch sein nasses Haar und murmelte: "Verdammte Scheiße. Das darf nicht wahr sein."

Egal ob er mein Gefährte war oder nicht. Die Tatsache, dass er nicht zufrieden mit mir war, kränkte mich auf einer Art. Ich durfte es nicht zulassen. Ich wollte keinen Gefährten. Himmel, ich wollte erst Recht keinen Alpha an meiner Seite haben.

Der gutaussehende Mann trat einen Schritt auf mich zu und fragte: "Wie ist dein Name?"

Ich antwortete ihm nicht. Ich war immer noch damit beschäftigt, meinen Mageninhalt für mich zubehalten.

"Kannst du nicht reden?", fragte er und ich konnte den Hauch einer Wut darin erkennen.

"Du bist weder Mensch noch Wolf. Ein Halbwolf, der sich nicht verwandeln kann, nehme ich an? Großartig, das wird ja immer besser!", sagte er sarkastisch.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Noch so einer, der meine Herkunft nicht akzeptiert.

"Dann lass mich gehen!", sagte ich wütend.

Sein Blick wurde aufdringlicher und er schien zu lächeln. Es war kein freundliches, nettes Lächeln. Eher ein boshaftiges.

"Du kannst ja doch sprechen?", fragte er spöttisch.

"Lass mich gehen. Du willst das genauso wenig wie ich."

"Was zur Hölle tust du hier allein? In einem Wald? Meilenweit von der Zivilisation entfernt."

"Ich habe mich verlaufen und wollte gerade zurück."

Ich wollte einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung machen, jedoch hielten mich seine Worte zurück.

"Du gehst nirgendswo mehr hin."

"Was...was meinst du?"

"Ich wollte nie eine Gefährtin haben. Doch jetzt habe ich dich gefunden und kann dich nicht mehr gehen lassen."

"Willst du mich etwa entführen? Mich gegen meinen Willen mit zu dir verschleppen?"

"Gefährten leben zusammen."

"Ich komme nicht freiwillig mit dir!"

"Es regnet, du frierst. Wenn wir nicht ins Haus gehen, erkältest du dich womöglich."

"Bist du schwer von Begriff? Du kannst mich mal. Ich gehe nach Hause. Ich lasse mich nicht von dir verschleppen."

Er kam bedrohlich auf mich zu und packte mein Handgelenk. Seine Körperwärme war angenehm und ich sehnte mich bei dieser Kälte nach mehr.

"Hör mir mal genau zu. Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich an dir interessiert bin. Ich werde dich nicht wie eine Gefährtin behandeln. Doch jetzt habe ich dich gefunden und wenn dir irgendetwas passieren sollte, dann würde mich das brechen und schwächen und Schwäche kann ich mir überhaupt nicht leisten. Verstehst du?"

Ich dachte an Shay. Er kannte seine Gefährtin nur wenige Stunden und selbst nach sechs langen Jahren, nahm ihn das ziemlich mit. Seine Mate zu verlieren, ist das Schlimmste.

"Mir passiert nichts. Lass mich nach Hause. Ich passe auf mich auf!", flehte ich.

Mein Gefährte lächelte boshaft und obwohl sein Lächeln keineswegs echt war, fand ich sein Grübchen an der linken Seite bezaubernd.

"Jeder wird erfahren, dass du meine Mate bist. Du bist - seitdem ich deinen Geruch wahrgenommen hatte - in Gefahr. Bis heute hatte ich keine Schwachstelle. Jetzt bist du meine Schwachstelle, ob ich will oder nicht. Also muss ich dich beschützen."

"Wow, das klingt unglaublich romantisch!", sagte ich sarkastisch.

"Hör auf mich nun für deinen Vorteil zu benutzen und lass mich verdammt nochmal nach Hause gehen."

"Du bist meine Gefährtin und gehörst mir! Also wirst du unter meinen Dach leben, damit ich dich im Auge behalten kann!", knurrte er.

"Wie heißt du?", fragte ich wütend.

"Camden Delroy."

Blood Moon (Camden & Neela)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt