DREIUNDZWANZIG

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Misa wacht in einem Zelt neben Lurra auf. Die Sonne scheint durch einen kleinen Schlitz ins Zelt, jedoch bekommt Lurra immer noch kein Auge auf.
Misa steht also vorsichtig auf, ohne sie weiter zu stören. Sie trägt immer noch die Sachen von gestern, da ihr Klamotten zum Wechseln fehlen.
Und auch wenn sie das Frühstück verschlafen hat, ist vom Alkohol, außer dem Nachgeschmack, nichts mehr zu spüren.

Als sie sich im Lager umsieht, sind alle schon am Arbeiten. Ein paar Damen stellen schon das Mittagessen auf den Tisch, andere sind dabei, die Wäsche zu waschen.
Weiter weg, außerhalb der Zelte, entdeckt sie Aidon, der mit weiteren Männern trainiert.
Misa ist kurz verwundert, als Ean nicht unter ihnen ist, auch spürt sie heute am Morgen mehr Blicke auf sich als sonst. Erschrocken schaut sie sich direkt ihre Haare an, die jedoch immer noch pechschwarz sind. Lurra hat sich diesmal besonders bemüht, dass die Farbe in den Haaren bleibt.
Im nächsten Moment überlegt Misa direkt, ob sie gestern nicht etwas Bescheuertes getan hat und wird direkt ganz rot. Sie legt ihre Hände auf ihre Wangen und sieht sich um, ob Ean hier irgendwo ist und kann direkt entspannt ausatmen, als sie ihn nirgendwo in der Nähe entdeckt.
Ihre Nervosität steigt, als sie sich mehr Gedanken drum macht und sie beginnt auf ihren Nägeln zu kauen. Am liebsten würde sie ihm nun komplett aus dem Weg gehen, doch das erklärt trotz allem nicht die Blicke, die auf ihr liegen.

Sie schreckt zurück, als sie jemand am Arm greift und will direkt rennen, als sie sieht, wer es ist.

„Prinzessin, wir müssen dringend reden", hört sie seine ernste Stimme. Sie schüttelt den Kopf und er zieht sie mit, ohne noch was zu sagen, in das nächstbeste Zelt. Ihr Herz fängt an, noch schneller zu schlagen. Und sie weiß nicht, wie sie ihm das erklären soll.

Ich könnte so tun, als würde ich mich nicht erinnern, kommt es ihr in den Kopf. Doch ihm geht es um ganz andere Dinge.

„Ich habe mit Cyrus geredet. Er hat mich drum gebeten, ihm mit dem Drachen zu helfen", erklärt er, ohne es noch weiter herauszuzögern und ihr fällt direkt eine Last von den Schultern, dass es nicht um das gestrige Thema geht.
„Wärt ihr damit einverstanden, dass der Aufenthalt länger dauern könnte?" Misa zögert nicht und nickt direkt überzeugt, ohne darüber nachzudenken, was er gerade gesagt hat.

„Die Menschen brauchen deine Hilfe. Wieso sollte ich etwas dagegen haben?", fügt sie hinzu und schaut ihn munter an. Er seufzt enttäuscht, als hätte er mit was anderem gerechnet.

„Wollt ihr mir noch etwas sagen, Prinzessin?", hinterfragt er, als er bemerkt, wie sie gerade dabei ist, aus dem Zelt zu flüchten. Sie bleibt stehen und schüttelt nervös den Kopf. Ohne ihr weiter Beachtung zu schenken, gibt er bloß ein kurzes resigniertes Nicken von sich und verlässt das Zelt, ohne weiter darauf einzugehen.
Sie wartet einen Moment, bis sie auch herausgeht. Von der Seite entdeckt sie Lurra, die müde auf sie zukommt. Ihre Haare liegen zerzauster als sonst und ihre Klamotten haben noch Flecken von gestern.

Misa will gerade etwas sagen, als Lurra sie mit engen Augen ansieht. „Sag nichts. Lass uns einfach etwas essen und hier weg." Lurra weiß noch nichts von ihrem Glück, dass der Aufenthalt sich verlängert.

Misa und Ean sind schon fast fünf Monate unterwegs und sie haben immer noch nichts Genaues über das Buch herausgefunden. Das Einzige, was sie herausgefunden haben, sind bloß Vermutungen. Es ist, als ob es nicht hierher gehört. Bald ist Neujahr und Misa kann dies das erste Mal außerhalb des Schlosses erleben. Und nicht nur das. Sie wird endlich zwanzig.

Die gesamte Reise scheint bloß eine Erkundung Caeliums zu sein. Misa hat viele neue Orte gesehen, lernte neue Menschen kennen, doch ihrem Ziel ist sie noch nicht nähergekommen.

Nach dem Essen geht Misa zurück in ihr Zelt und nimmt sich ihr Buch heraus. Sie blättert langsam durch alle Seiten, nicht nur einmal, sondern mehrmals. Vorsichtig streicht sie mit ihrem Finger über die Wörter und erschreckt, als das Buch plötzlich andere Buchstaben zeigt.
Es ist in ihrer Muttersprache geschrieben, aber es enthält keine Geschichte, wie sie erwartet hat. Stattdessen scheint es eine Zusammenfassung zu jedem einzelnen Element zu sein. Ihr Herz schlägt wild in ihrer Brust, während sie darüber nachdenkt, ob sie es jemandem zeigen oder es lieber für sich behalten soll.

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