EPILOG

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„Misa muss tief schlucken. Ich muss nur kurz das Buch holen, dann kann ich wieder zurück, denkt sie sich und ohne lange zu zögern, zieht sie sich langsam zurück. Ihr Herz pocht laut und das Adrenalin rauscht durch ihren Körper. Sie schleicht zwischen den Zelten hindurch, einige sind abgebrannt, andere nur zerstört. Das Feuer vom Schlachtfeld erhellt ihren Weg bis hierhin. Kurz vor ihrem Zelt bleibt sie stehen und versteckt sich hinter einem umgestürzten Wagen, dessen Räder noch glimmen.

Sie erkennt, wie einer der Männer aus dem Schloss in ihr Zelt geht. Sie hofft bloß, dass er das Buch nicht findet. Aber es ist nicht irgendein Fremder. Sie hat ihn zuvor schonmal gesehen. Es ist derselbe Mann, der damals nicht glauben wollte, dass sie die Prinzessin ist, als sie weggesperrt war. An seiner Seite steht ein breitschultriger Mann, der ihn offenbar beschützen soll.

Wut macht sich in Misa breit. Wäre nicht dieser Fleischklops, würde sie ihn jetzt einfach umbringen, denkt Misa zornig.

„Es kann nicht sein! Sie war hier. Sie kann nicht weit weg sein, wenn der Helios Sohn noch auf dem Schlachtfeld ist. Wenn es wirklich dieses dunkelhaarige Mädchen war, darf das der König bloß nicht mitbekommen", beschwert er sich. Doch der Wächter an seiner Seite bleibt stumm und starrt lediglich unbeeindruckt in die Dunkelheit.

Misa hält den Atem an, ihre Gedanken rasen. Er sucht mich... Er darf mich nicht finden, zumindest jetzt in dem Moment nicht. Nicht ohne Ean an meiner Seite. Aber das Buch... Sie zwingt sich zur Ruhe, während sie die Männer beobachtet.

Bevor die Männer das Zelt verlassen, zündet der Wächter eine Fackel an und wirft sie auf den Boden. Flammen züngeln sofort an der Zeltwand hoch. Die beiden Männer verlassen das Zelt, während das Feuer sich schnell ausbreitet. Misa wartet, bis sie sicher ist, dass die Luft rein ist. Ihr Herz hämmert gegen ihre Brust, als sie sich leise anschleicht und ins brennende Zelt huscht.

Die Hitze schlägt ihr entgegen, und die Luft im Zelt ist stickig und voller Rauch. Misa ignoriert das Stechen in ihren Augen und das Brennen in ihrer Kehle. Sie konzentriert sich auf das Buch, das neben ihrem Schlafplatz liegt. Mit zitternden Händen greift sie danach und spürt endlich das vertraute Leder des Buches unter ihren Fingern. Sie zieht es hastig hervor, ihre Finger umklammern es fest, als wäre es ihre einzige Rettung.

Doch als ihr Blick auf die andere Seite des Zeltes fällt, sieht sie zwei weitere Bücher. Das Geschenk von Ean. Sie hat es noch nicht geschafft zu Ende zu lesen und Ean hat es vermutlich in ihr Zelt gelegt. Die Flammen züngeln bereits bedrohlich nah an ihnen, die Hitze lässt die Luft flimmern. Alles in ihr schreit, die Bücher dort liegenzulassen und einfach zu fliehen. Doch sie kann nicht anders.

Misa rennt schnell hinüber, ihre Füße stolpern fast über die Trümmer und glühenden Kohlen auf dem Boden. Die Flammen lecken bereits an den Rändern der Bücher, als sie nach ihnen schnappt. In dem Moment, als ihre Finger das erste Buch berühren, spürt sie einen stechenden Schmerz. Die Hitze ist unerträglich und sie fühlt, wie die Haut auf ihrer Handfläche brennt. Das Brennen ist so intensiv, dass ihr beinahe schwarz vor Augen wird.

Sie beißt die Zähne zusammen, kämpft gegen den Schmerz an und zieht die Bücher hastig aus den Flammen. Die heiße Luft beißt in ihre Lungen, und der beißende Geruch von verbranntem Papier und Stoff erfüllt ihre Nase. Misa wirft einen Blick auf ihre Hand und sieht, wie die Haut rot und geschwollen ist. Blasen beginnen sich zu bilden, und der Schmerz pulsiert in Wellen durch ihren Körper. Trotz des Schmerzes klammert sie sich an die Bücher.

Sie muss hier raus, bevor das Zelt komplett zusammenbricht. Mit letzter Kraft kämpft sie sich durch die Flammen und stolpert aus dem brennenden Zelt. Frische Luft schlägt ihr entgegen, aber der Schmerz in ihrer Hand lässt sie kaum klar denken.

The LegacyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt