ACHTUNDDREIßIG

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Im gesamten Kerker hallen furchterregende Schreie und das Aufeinandertreffen von Klingen ist zu hören. Misas Tür wird aufgerissen, doch die Wache, die hineingestürzt kommt, kann niemanden in der Zelle antreffen. Zumindest bis er von der Seite einen Dolch direkt in den Hals gerammt bekommt. Die Wache packt sich panisch an die Kehle und zieht den Dolch raus. Blut stößt wie im Strömen aus der Wunde und er fällt leidend zu Boden. Misa steht bloß regungslos da und beobachtet den Mann beim Sterben. „Hexe", bringt seine raue, keuchende Stimme hervor, worauf sich langsam ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht bildet.

Weder weiß sie, wie lange sie in dieser Zelle eingesperrt war, noch, was hier gerade vor sich geht. Doch es amüsiert sie, endlich etwas anderes zu hören als die eintönigen Gespräche der Wachen vor ihrer Tür.

Misa nimmt sich ihren Dolch und sein Schwert, das er eben noch in der Hand hatte, und widmet ihm keinen weiteren Blick. Sie wischt das Blut des Dolches an ihrem Kimono ab, der die letzten Wochen, vielleicht auch Monate schon einiges mitmachen musste. Zerrissen, dreckig und nun auch blutverschmiert.

Ohne lange zu zögern, schaut sie sich in den Gängen um und als sie erkennt, dass der Gang frei ist, begibt sie sich langsam und vorsichtig in die Richtung, aus der die Schreie kommen. Man hört kein Aufprallen von Schwertern mehr, aber das Getuschel und die Frauenstimmen sind immer noch nicht zu überhören. Ihr Herz bebt und doch trotz allem hat sie nicht das Gefühl, als würde sie keine Angst haben. Das Adrenalin läuft ihr durch ihre Adern und sie fühlt sich so lebendig wie lange nicht mehr.

Als sie Schritte hört, versteckt sie sich hinter der Wand und wartet, bis die Person an ihr vorbeigelaufen ist. Ohne zu zögern, attackiert sie den Mann, als er mit dem Rücken zu ihr gedreht ist, doch er schafft es, ihre Klinge zu parieren.

Hätte Ean mal mehr Zeit, in die Übung mit dem Schwert gesteckt, ärgert Misa sich still für sich selbst. Sie hat sich überschätzt und das weiß sie, jedoch hört sie nicht auf, weiter auf ihn einzuschlagen, auch wenn er jeden Schlag pariert.

Die Zeit in der Zelle hat sie versucht, so trainiert wie möglich zu bleiben. Mit Liegestützen und Kniebeugen wollte sie vermeiden, in einem solchen Moment auf Hilfe angewiesen zu sein. Doch ohne etwas Kräftiges zu essen bringt nicht einmal das beste Training etwas. Trotz dessen legt sie ihre ganze Kraft in diese Schläge, worauf diese fester werden und ihre Schritte vorsichtiger. Ihr Gegner trägt eine Maske auf seinem Gesicht und Misa erkennt nur seine grün funkelnden Augen, die sie verängstigt anschauen.

„Wir sind hier, um euch herauszuholen! So wie die anderen Damen", kommt es eingeschüchtert von ihm, als Misa gerade dabei ist, ihn zu überwältigen. Sie macht keine ruckartigen Bewegungen mehr, jedoch nimmt sie ihr Schwert nicht runter und hält es ihm an die Kehle.

„Die meisten der Damen sind schon in Sicherheit. Wisst ihr, ob hier noch weiter Frauen sind, Mademoiselle?", fragt er sie mit schwerem Atem. Misa schüttelt den Kopf, schafft es jedoch nicht, ein Wort über ihre Lippen zu bringen. Sie hat schon so lange nicht mehr gesprochen. Er nimmt sein Schwert runter und steckt es in die Scheide, um Misa zu versichern, dass er ihr nichts Böses will. Auch seine Maske zieht er ab.

Vor Misa steht ein junger, gutaussehender Bursche. Seine schwarzen Haare fallen ihm leicht ins Gesicht und seine vollen Lippen werden durch seine Wangenknochen besonders betont. Sie nimmt ihr Schwert langsam runter, als ihre Blicke sich treffen und nicht voneinander weichen. Er mustert sie neugierig und bleibt dann bei den Blutflecken hängen.

„Seid ihr verletzt?", kommt es besorgt von ihm. Misa schüttelt den Kopf und hustet erstmal eine Weile, bis sie ein Wort herausbekommt. „Ich auf jeden Fall nicht und ihr werdet es auch nicht sein, wenn ihr mich raus begleitet", warnt sie ihn und er hebt unschuldig die Arme.

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