SIEBENUNDZWANZIG

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Schmerzerfüllt packt Misa sich an den Kopf und öffnet angestrengt ihre Augen. Die Sonne steht hoch am Himmel und sie spürt eine tiefe Verwirrung darüber, wo sie sich gerade befindet. In ihrer Hand liegt ein Schwert und am Finger trägt sie den Ring mit der Lilie. Sie kann sich nicht genau erinnern, wann sie es geschafft hat, den Ring anzuziehen.

„Reißt dich zusammen, Freya! So wirst du keinen Krieg verhindern können", erklingt eine ihr bekannte Stimme. Es muss wieder ein Traum sein, stellt Misa fest.
„Das ist nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass wir seit Tagen ohne Pause trainieren! Ich habe dich nun oft genug besiegt, um sagen zu können, dass wir auf einer Stufe sind!", erwidert sie, doch sie spürt, dass diese Worte nicht ihre eigenen sind. 
Bei einem genaueren Blick stellt sie fest, dass es Eaden ist, der ihr gegenübersteht.

Er geht mit einem Grinsen auf den Lippen auf sie zu und packt sie mit einer kurzen Handbewegung am Hals. „Dass ich mich lache. Jeder Mann wäre in der Lage, dir die Kehle mit einem leichten Ruck umzudrehen", droht er ihr und an der Stelle, an der er sie gepackt hat, spürt sie plötzlich eine Hitze aufsteigen.

Ihr Blut brodelt vor Wut, doch trotz allem zwingt sie sich zur Ruhe, konzentriert sich und das Feuer verblasst. Sein Griff wird jedoch um einiges stärker und langsam greift sie in ihre Tasche, zieht einen Dolch heraus und rammt ihn ihm in die Seite.

Er weicht mit dem Dolch in seiner Hüfte zurück und zieht ihn, ohne zu zögern, heraus. Der Schmerz ist in seinem Blick zu sehen, doch er beginnt nur laut zu lachen.

„Freya! Was hast du wieder getan!", schreit eine aufgebrachte Stimme und ein Mädchen mit pechschwarzem Haar, das ihr bis über die Schultern reicht, rennt auf Eaden zu. Ihre Augen erinnern Misa sofort an- „Mirabelle! Da ist nichts dabei. Er dachte bloß, ich bräuchte eine Lektion, stattdessen hat er seine bekommen", rechtfertigt sie sich und verschränkt ihre Arme vor der Brust.

Mirabelle sieht viel älter aus. Misa schätzt sie auf sechzehn, vielleicht auch schon achtzehn. Ihre Augen leuchten wie beim ersten Mal, als Misa sie gesehen hat. Doch trotz allem sieht sie immer noch zart und zerbrechlich aus. Wie viel Zeit wohl zwischen der ersten Erinnerung und dieser vergangen sein muss? Mirabelle schenkt erstmal Freya einen verärgerten Blick und verpasst dann Eaden einen Schlag gegen den Kopf.

„Wann lernst du, dich zusammenzureißen? Ihr beide! Menschen sterben und ihr beide, die wir am meisten brauchen, bekriegt euch, als wäre es ein Spiel", ärgert sie sich und reißt ein großes Stück von ihrem Kleid ab. Es ist aus feinster Seide gefertigt, ganz anders als das, was Misa sie das erste Mal tragen gesehen hat. Auch Freya trägt Kleidung, die neu und aus den besten Stoffen genäht zu sein scheint. Erst jetzt fällt Misa auch die Umgebung auf.

Gebäude aus weißem, glänzendem Marmor erstrecken sich um sie herum. Die Architektur ist majestätisch, mit kunstvoll verzierten Fassaden und weiten, offenen Plätzen. Es erinnert sie an die Ruinen von Ana Poli...

Nachdem Mirabelle ihren Unmut geäußert hat, wendet sie sich mit besorgtem Blick an Eaden und prüft seine Verletzung. „Bist du in Ordnung?", fragt sie beunruhigt, während sie das Stück Stoff vorsichtig um seine Wunde bindet.

Sein Blick liegt sanft auf ihr und in Misa tut sich eine Unruhe auf. Oder eher gesagt, tut sich die Unruhe in Freya auf. Ihre Hände zu Fäusten geballt, während sie Mirabelle und Eaden betrachtet.

„Michael hat berichtet, dass der Norden sich nicht mehr lange mit den Friedensvereinbarungen zufriedengeben wird. Wir sollen uns auf Kämpfe vorbereiten. Du, Freya und Eaden werdet ganz vorne an der Front stehen", erklärt Mirabelle weiter. Sie legt ihre Hand auf Eadens Wunde und scheint sich einen kurzen Moment zu konzentrieren. Als sie ihre Hand wieder zurückzieht, ist die Wunde verheilt. Nur eine kleine Narbe bleibt zurück. „Danke", sagt Eaden mit einer rauen, aber zugleich sanften Stimme, als Mirabelle sich von ihm abwendet.

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