14. Systemfehler - Licht gegen Schatten

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ᒪIᑕᕼT GᗴGᗴᑎ SᑕᕼᗩTTᗴᑎ

[Shay Avyers]

Besaß sie überhaupt eine Chance? Sie gegen den Platinrang? Der Platinrang gegen sie? Noir war mächtig, selbst wenn er gegen Alpha nicht die beste Performance abgelegt hatte. Letztendlich ging es auch darum, welche Fähigkeiten man besaß. So könnte ein Goldrang, der mit Feuer kämpfte, von einem Silberrang, der Wasser handhabte, besiegt werden. Technik und Strategie spielten ebenfalls eine große Rolle.

Um ehrlich zu sein, das sah überhaupt nicht gut für sie aus. Selbst wenn sich Silberfalke ihrer erbarmte und sie nicht tötete, welches Leben müsste sie dann führen? Wie könnte sie ihrem Vater jemals wieder unter die Augen treten? Sein Name besaß so viel Gewicht. Man erwartete so viel von vor. Hatte sie überhaupt jemals die Chance besessen, allen Anforderungen gerecht zu werden? Sie hasste es, dass sie mit dieser Superkraft geboren worden war. Ihre Fähigkeit mochte selten sein. Die Wenigsten besaßen regenerative Kräfte und wenn, waren diese an Bedingungen geknüpft. Womöglich war sie die Einzige, die Heilung in dieser Stärke erfuhr, aber was brachte es, wenn sie ihren Gegner nicht mal berühren konnte? Was würde sie für die Kraft ihres Vaters geben? Einfach alles.

Shay fühlte sich, als würden die Blicke des Finsterkönigs auf ihr lasten. Anspannung verteilte sich in ihrem Körper. Sie durfte nicht versagen. Alles hing von diesem Sieg ab, doch tief in ihrem Inneren hausten Alphas Worte. Sie ist es nicht wert, Thronfolgerin zu sein. Auch, wenn es schmerzte, er lag im Recht. Sie könnte es nicht mal, mit einem Engel aufnehmen, wie sollte sie dann über diese regieren? An seiner Stelle hätte sie dasselbe gesagt. So viel Training, so viel harte Arbeit, um vom Platinrang in Grund und Boden gestampft zu werden.

Trotzdem würde sie nicht kampflos untergehen. Sie musste die Zähne zusammen beißen. Selbst wenn es keine Hoffnung gab, selbst wenn ihr Vater sie verstoßen würde, lieber wehrte sie sich bis zum bitteren Schluss. Keinesfalls war sie bereit für diesen Kampf. Keinesfalls malte sie sich einen Triumph aus, doch wenn alles endete, so wollte sie wenigstens als Schurkenprinzessin sterben. Das war ihre Hinrichtung und der Platinrang war ihr Henker.

»Ich bedaure, dass es soweit kommen musste. Selbst, wenn du ein Attentat plantest und die Tochter des Finsterkönigs bist, so bleibst du ebenfalls Opfer dieser Geschichte.« Noir presste die Lippen zusammen. »Aber ich kann dich nicht aus dieser Misere retten, noch besitze ich die Kraft dazu. Letztendlich bist und bleibst du eine Schurkin. Dementsprechend wirst deine gerechte Strafe erhalten. Zumal ich meine Cousine retten muss.«

Silberfalke war ein erstaunlich verständnisvoller Mann. Die Meisten hätten versucht, ihr den Kopf ohne weitere Worte abzuschlagen. Sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Sie mochte ein Opfer von Alphas Machenschaften sein, aber die Umstände erlaubten keine angenehmeren Verhandlungen. Schließlich war sie eine Schurkin. Eine Schurkin, die bereits gemordet hatte. Selbst, wenn ihr der Anschlag nicht gelungenen war, sie war keineswegs frei von Schuld. Der Fakt, Eroths Tochter zu sein, steigerte diese Sünden lediglich.

»Du musst dich nicht rechtfertigen.« Shay hob ihre Fäuste. »Ich bin nur eine Schurkin und du bist nur ein Held. Wir werden niemals auf derselben Seite stehen.«

Noir schloss die Augen, während er einen tiefen Atemzug nahm. Dann öffnete er sie wieder. Shay konnte die Entschlossenheit auf seinem Gesicht erkennen. Seine Cousine sollte dankbar für ihn sein. Niemand würde sich jemals auf diese Weise für sie einsetzen.

Fäden schossen auf sie zu. Shay sprintete nach links und hechtete durch eine Lücke in den Seilen. Doch Noirs Superkraft nahm sofort Verfolgung auf. Schweiß perlte von ihrer Stirn. Sie musste den Abstand irgendwie verringern, aber seine Magie war sowohl offensiv als auch defensiv. In ganzen Stücken bei ihm anzukommen, war unmöglich. Glücklicherweise musste sie das nicht.

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