29. Systemfehler - Das Versteck im Schrank

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ᗪᗩS ᐯᗴᖇSTᗴᑕK Iᗰ SᑕᕼᖇᗩᑎK

[Shay Avyers]

Shay stoppte Giselle, bevor sie um die Ecke gehen konnte. Im letzten Moment entkamen sie dem verräterischen Winkel der Kamera. Zwar hatte Nathan versichert, dass Delta sie nicht verpetzen würde, sollten sie auf den Überwachungsaufnahmen zu sehen sein, allerdings war er nicht der Einzige, der Zugriff auf diese besaß. In dem Fall ging Sicherheit vor.

Dankend nickte die Oma ihr zu. Dann flüsterte sie so leise, dass man ihre Worte kaum vernehmen konnte: »Lass mich die Kamera ausschalten. Auf diesem Weg sind wird schneller. Wir haben schon genügend Zeit wegen den Nummern verloren.«

Das war ein gutes Argument. Je weniger Zeit sie auf den Fluren Helios verbrachten, desto weniger Gefahr liefen sie, entdeckt zu werden. Also nickte Shay, selbst wenn es mit einigen Risiken verbunden war. Aber eins war sicher, danach müssten sie sich umso mehr beeilen.

Sofort aktivierte Giselle ihre Superkraft. Die Luft um sie kühlte sich ab, als beherbergte ihre Aura die Personifikation des Winters. Dann schoss ein Strahl aus Eis auf die Kamera zu. Innerhalb von Millisekunden bedeckte sie eine hartnäckige Schicht aus Frost. Einige Funken fielen, als die Elektronik aufgrund der nassen Kälte versagte. Das war nicht das erste Mal, dass Shay Giselles Superkraft gesehen hatte. Allerdings hatte sie diese ursprünglich für weniger mächtig gehalten. Auf diese Weise ergaben ihre Erzählungen aus der Vergangenheit mehr Sinn. Nicht, dass sie weiterhin daran gezweifelt hätte.

Shay begann zu rennen. Giselle folgte ihr, wenngleich sie nicht an ihr Tempo heran kam. Schließlich standen sie vor der Tür der Krankenstation. Fragend blickte sie zu der Oma. Diese nickte bestätigend, also tätigte Shay die Klinke.

Das Innere der Krankenstation war leer. Keins der ingesamt zwölf Betten war belegt. Dementsprechend gab es keine Patienten. Allerdings saß weiter hinten ein Junge, welcher eins der leeren Betten als Unterlage für ein Gesellschaftsspiel nutzte. Gegenüber von ihm saß eine Frau mit lockigen Haaren und weißem Kittel. Sie spielten Schach. Es brauchte nicht viel, um zu verstehen, dass es sich bei den Beiden um Lambda und My handelte.

Leonora erhob sich, als sie hörte, dass Besucher die Krankenstation betraten. Im selben Moment weiteten sich ihre Augen. Vorsichtshalber trat sie einen Schritt zurück. Beschützend hob sie ihre Hände, um die Sicht auf ihren Sohn zu verdecken. »Ihr gehört nicht zu Helios, wer seid ihr?«

Shay raufte sich das Haar. »Wir sind nicht hier, um mit euch zu verletzen. Wir gehören zu Nathan.«

Die Ärztin öffnete ihren Mund, doch schloss ihn wieder. Hinter ihr spähte My hervor. »Mama, ich kenne diese Frau irgendwo her. Aber die Oma habe ich hier noch nie gesehen.«

»Ich bin die Tochter des Finsterkönigs«, erwiderte Shay. Es wäre besser, die Wahrheit sofort auszusprechen. In dem Fall wäre es wie ein Heftpflaster. Schmerzhaft, aber von kurzer Dauer.

Zögerlich senkte Lambda ihre Hände. »Du hast recht, Aulus. Das ist die Prinzessin.« Sie wandte sich zu Shay. »Dann hat Nathan dich über alles aufgeklärt.«

Die Silbermähne nickte. »Das hat er. Er meinte zwar, dass ihr euch uns nicht anschließen wolltet, aber er konnte nicht zulassen, dass ihr in die Schussbahn gerät. Der Kerl hat ein größeres Herz als gedacht. Dabei wollte er vorhin noch eine Nummer umbringen. Nun, ihr könnt nicht allzu loyal gegenüber meinem Dad sein. Ansonsten wären wir jetzt nicht hier.«

»Mama? Worüber sprechen die?« Aulus blickte zu seiner Mutter. Inzwischen hatte er sich von seinem Stuhl erhoben. Er schien die angespannte Atmosphäre zu verstehen. »Ist Nathan ein Verräter?«

Lambda zögerte. Allerdings hätte es keinen Sinn das Offensichtliche zu vertuschen. Also begann sie zu erklären: »Das ist er. Er kam vor einer Weile und hat mir angeboten, die Seiten zu wechseln. Ich habe abgelehnt, weil ich nicht riskieren konnte, dass der Finsterkönig Wind von seinem Vorhaben bekommt und Rache nimmt. Besonders, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie er dieses Monster töten möchte.«

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