20. Systemfehler - Verletzte im Krankenhaus

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ᐯᗴᖇᒪᗴTZTᗴ Iᗰ KᖇᗩᑎKᗴᑎᕼᗩᑌS

[Noir Wapina]

Das Erste, was Noir spürte, als sein Bewusstsein zu rattern begann, waren Schmerzen. Dann das schwere Gefühl einer Bettdecke, die seinen Körper umhüllte und wohlige Wärme schenkte. Erst einige Sekunden später kamen die Erinnerungen zurück. Blitzschnell richtete er seinen Körper auf. Sein Herz donnerte gegen seinen Brustkorb wie Pferdehufe im Galopp.

Schrilles Piepen drang gegen sein Trommelfell. Instinktiv hielt sich Noir die Ohren zu. Seine Sicht war verschwommen und der Raum drehte sich, als säße er in der vordersten Reihe einer Achterbahn. Selbst die Kopfschmerzen waren gewaltig. So gewaltig, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Nur am Rande erkannte er das Wehen eines Kittels und freundliche Hände, die ihn zurück auf die Matratze drückten. Atemlos ließ er sich fallen.

Irgendwas wurde an den Tropf angeschlossen. Anschließend sprach man zu ihm, doch er verstand kein Wort. Nicht einmal die Gesichter der Ärzte konnte er vernehmen. Stattdessen vermischten sich ihre Gestalten mit dem Hintergrund, als hätte man einen Eimer Farbe über sie geschüttet. Oder wie das Verflüssigungstoul in einer Zeichenapp. Bedeckte irgendwas sein Auge? Es kam ihm so vor. Zumindest wirkte sein Sichtfeld seltsam eingeschränkt.

Es dauerte eine Weile bis das Schmerzmittel wirkte. Zwar schien er noch immer benommen, aber es war ein Gefühl, das er aushalten könnte. Dieses Mal konnte er mit Sicherheit sagen, da war irgendwas über seinem linken Auge. Ein dicker Verband, der sich so anfühlte, als sollte er ihn besser nicht anfassen. Erschöpft deutete er auf seinen Kopf. Der Arzt an seinem Bett verstand sofort. »Sie haben Glück gehabt, Herr Wapina. Die Wunde, welcher der Finsterkönig ihnen zugefügt hatte, hätte Ihnen ihr Augenlicht rauben können. Allerdings gelang es uns den Schaden zu minimieren.«

»Dann bin ich nicht blind?«, fragte er. Allein das Sprechen verlangte ihm alles ab. Ohne die Schmerzmittel würde er jeden Knochen in seinem Körper brüllen spüren.

Der Mann im Kittel schüttelte den Kopf. »Es gelang uns, ungefähr dreiundvierzig Prozent Ihrer Sehfähigkeit zu bewahren. Da ihr anderes Auge gesund ist, kann dieses ihre verminderte Sehkraft teilweise ausgleichen.«

»Gibt es irgendwas, um mein Auge ganz zu heilen?« Noirs Kehle fühlte sich trocken an, als hätte er Salzwasser geschluckt. Das war überhaupt nicht gut. Zwar besser als erblindet zu sein, aber definitiv schlechter als der Ursprungszustand.

»Es gibt Methoden und Kontaktlinsen mit denen wir versuchen können, ihre Defizite weiter auszugleichen, aber dafür müssen wir erstmal ihre Heilung abwarten.«

Noir starrte auf seine Hände. Sie waren kalt und weiß wie Schnee, sodass seine Adern sichtbar wurden. »Ich verstehe...«

»Sie werden weiter als Platinrang arbeiten können, falls es das ist, was Ihnen Sorgen bereitet«, versuchte der Arzt ihn zu beruhigen.

Das bereitete ihm keine Sorgen. Selbst wenn er auf dem Auge vollständig erblindet wäre, hätte er noch arbeiten können. Zumal er sich jeden Tag bewusst der Gefahr aussetzte, verletzt zu werden. Im Grunde war es ein Wunder, dass dies seine erste schwerwiegende Verletzung war. Zumal er gegen den Finsterkönig gekämpft hatte. Er hätte genauso gut drauf gehen können.

Noirs Gedanken drifteten ab, als er die Decke höher schob und sich weiter von den Worten des Arztes beschallen ließ. Er hatte es noch immer vor Augen. Alpha hatte ihm sein Gesicht gezeigt. Aber nicht nur das. Er hatte ihn auch gerettet, selbst wenn er nicht verstand warum. Offensichtlich war es dem Finsterkönig gelungen, Shays Körper zu übernehmen. Möglicherweise war dies die große Sache, die Helios Anführer seit Monaten plante. Jedenfalls wirkte die Beziehung zwischen Shay und ihrem Vater alles Andere als rosig. Dann traf ihn die Erkenntnis wie einen Schlag. Vor Schreck verschluckte er sich an seiner eigenen Spucke. Sein Herz machte einen Satz. Der Finsterkönig war hinter Shays Kräften her. Das musste es sein. Warum fiel ihm dies erst jetzt wieder ein? Die Fähigkeiten des Finsterkönigs waren für die Offensive perfekt. Selbst seine Defensive war stark, aber sobald man ihn verletzte, wäre er wie jeder andere Mensch. Aber nicht, wenn er Shays Regeneration besäße. Dann wäre er mehr als ein starker Gegner. Er wäre ein unzerstörbares Wesen. Ein göttliches Monster, das seine Seele mit Grausamkeit füllte.

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