16. Systemfehler - Vaters Plan

66 6 17
                                    

ᐯᗩTᗴᖇS ᑭᒪᗩᑎ

[Shay Avyers]

Kopfschmerzen weckten Shay aus ihrem Schlaf. Unruhig drehte sie sich auf die andere Seite. Etwas Schweres umhüllte ihren Körper. Erst nach einigen Momenten verstand sie, dass es sich um eine Decke handelte. Folglich lag sie auf einem Bett. War sie nicht vor wenigen Sekunden noch auf dem Schlachtfeld gewesen?

Panisch richtete sie sich auf. Ihr Atem ging flach. Das grelle Licht ließ sie das Gesicht verziehen, aber sie erkannte genug, um zu bemerken: sie fand sich nicht mehr im Kampf. Doch was war geschehen? In ihrem Kopf herrschte Chaos. Gehirnmatsche, in der alle Erinnerungen wirbelten, wie in einem Eintopf. Eine Schweißperle sammelte sich an ihrem Kinn. Richtig, sie hatte mit Mawts Hilfe versucht, Phönix' Denkmal in die Luft zu jagen. Allerdings hatte sich ihr Partner als Zombie herausgestellt, der von Alpha, einem Lakai ihres Vaters gesteuert wurde. Das Ganze sollte ein Test sein, ob sie wert wäre, in die Fußstapfen des Finsterkönigs zu treten. Daraufhin hatte sie sich mit Noir duelliert und war von diesem haushoch geschlagen worden. Aber war war anschließend geschehen? Sie glaubte, sich an ihren Vater zu erinnern. Dann waren dort diese Schmerzen und das Gefühl die Kontrolle zu verlieren. Allein der Gedanke daran, ließ ihren Puls explodieren. Es war ein beängstigendes Gefühl. Etwas, das sie nie wieder erleben wollte.

Ein Schluchzen ließ sie aufhorchen. Vorsichtig blickte sie zum Bettrand. Dort saß Giselle. Krokodilstränen rollten über ihre Wangen und bevor Shay reagieren konnte, fiel man ihr um den Hals. Die Schurkenprinzessin erstarrte, bevor sie sich an das seltsame Gefühl gewöhnte. Man hatte sie verletzt und das nicht gerade wenig. Obwohl sie geschlafen hatte, fühlte sie sich immer noch müde. Kein Wunder, dass die Oma sich um sie sorgte. Das musste das erste Mal sein, dass jemand aufgrund ihrer Verletzungen weinte. Unverdient war es trotzdem. Immerhin war sie nicht ihre echte Enkelin... Shay betrachtete die Oma in ihren Armen. Ihr Oberkörper zitterte und die Tränen wollten einfach nicht stoppen. An der Stelle war es eigentlich auch egal, oder? Zögerlich erwiderte sie die Umarmung. Wäre Helios doch nur ein bisschen mehr wie sie. Nur ein klein wenig.

»Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als dich dieser junge Mann zu mir brachte.« Giselle kämpfte mit ihren Worten. »Ich dachte, ich hätte auch dich verloren.«

Shay presste die Lippen zusammen. Ein unschönes Gefühl umlagerte ihr Herz. Fühlte sie sich schuldig? Vielleicht ein wenig. »Ich wusste, auf welches Risiko mich einlasse. Aber ich habe überlebt, also musst du dir keine Sorgen mehr machen.«

Die Oma löste ihre Umarmung. Ihre Hand berührte Shays Wange zärtlich. In ihren Augen stand Erleichterung. Ihr Blick war so liebevoll, dass die Silbermähne nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. »Ich weiß, Schatz, aber wenn man jemanden liebt, kann man nicht anders, als sich Sorgen zu machen.«

Shay schüttelte den Kopf. »Du wusstest vorher, was mein Plan war und dass ich mich absichtlich in Gefahr begebe.«

»Dich zu unterstützen und sich um sich zu kümmern, steht in keinem Widerspruch zueinander.« Giselle griff sich ein Taschentuch und putzte sich die Nase ab. Ihre Augen waren vom vielen Weinen gerötet und noch immer erkannte Shay das Schimmern von Tränen.

»Nun, wenn du das sagst.« Shay stellte ihre Füße auf den Boden und betrachtete die Oma. Dann erwischte sie sich bei einem kleinen Lächeln. »Keine Sorge, nächstes Mal werde ich vorsichtiger sein.«

»Das will ich wohl hoffen, junges Fräulein.« Giselle verschränkte die Arme vor der Brust. Anschließend erweichte ihre Mimik. »Möchtest du etwas essen oder trinken? Ich habe noch Hühnersuppe von gestern.«

»Suppe klingt gut. Sag mal, Oma, du meintest vorhin, ein junger Mann hat mich zu dir gebracht. Ist er noch da?«

Giselle nickte. »Er sitzt im Wohnzimmer und trinkt eine Tasse Kaffee. Ich habe ihn gefragt, woher ihr euch kennt, aber er war seltsam verschwiegen.«

PROJEKT ÄONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt