Ein unerwartetes Aufeinandertreffen

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Die Situation als angespannt zu bezeichnen, wäre noch freundlich ausgedrückt gewesen.
Als Hermine pünktlich zum Treffen mit Heilerin Thornbush erschien, setzte sie sich mit einer kurzen Begrüßung, aber ohne ein Lächeln auf den Besucherstuhl.
Sie legte die Akte schweigend auf den Tisch und begann das Gespräch, ohne die Heilerin zu Wort kommen zu lassen.
„Mrs Thornbush, ich habe die Akte gelesen, wie Sie es gewünscht haben. Und ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ich kein Interesse habe, in diesen Fall involviert zu werden. Ganz abgesehen davon, dass ich den Sinn darin nicht sehe. Außerdem-“
„Miss Granger-“
„Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Mal- Mr Malfoy nicht davon angetan ist, mit mir Kontakt zu haben“, fuhr Hermine ungerührt fort. Sie hatte keine Lust mehr auf Spielchen. Und sie war aus dem Alter raus, in dem sie sich duckmäuserisch verhielt, nur weil ihr Gegenüber älter war. „Ich kann daher nicht nachvollziehen, warum-“
„Miss Granger, bitte entschuldigen Sie, dass ich sie unterbreche. Ich bemerke und respektiere Ihren Unmut, und ich verstehe, dass Sie sich etwas überrumpelt gefühlt haben müssen...“
„Das kann man wohl so sagen“, grummelte Hermine leise.
„... und ich möchte Ihnen danken, dass Sie der Sache trotzdem eine Chance gegeben haben und Einsicht in die Akte genommen haben. Sollten Sie tatsächlich ablehnen, werde ich dies bedingungslos akzeptieren. Aber bitte, lassen Sie mich etwas Licht in die Sache bringen.“
Die Heilerin wartete, und Hermine starrte sie einen Moment schweigend an, ehe sie eine leicht genervte, aber auffordernde Geste machte, damit ihr Gegenüber weiter redete.
Sie war verflucht neugierig, das musste sie einfach zugeben.
Die Heilerin begann zu erklären, und Hermine hörte aufmerksam zu.
Thornbush erklärte, dass Malfoy bereits mit zwei Heilern Kontakt hatte. Das war nichts Neues, Hermine wusste es bereits aus der Akte. Was sie aber überraschte, war die Tatsache, dass der Kontakt zu dem ersten Heiler wohl schon statt gefunden hatte, als sie noch Hogwarts besucht hatten – und das war etwas, was Hermine nicht gedacht hätte. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es sie nach wie vor sowieso wunderte, dass er Heiler aufsuchte.
Des Weitern erklärte Thornbush, dass ihre beide Vorgänger unabhängig voneinander berichteten, dass Malfoy keine Fortschritte zeigte, da er dazu neigte, Maßnahmen zu hinterfragen und Ziele in Sitzungen sehr schnell zu durchschauen – um diese dann bewusst zu boykottieren.
Den Kontakt zum ersten Heiler hatte Malfoy von sich aus abgebrochen, da er der Meinung war, die Sitzungen würden zu nichts führen, der zweite Heiler riet irgendwann von seiner Seite aus seinem Patienten, die Sitzungen zu lassen, da Malfoy wohl dazu neigte, Maßnahmen ins Lächerliche zu ziehen.
Das klang für Hermine ziemlich stark nach Malfoy und fast hätte sie geschmunzelt. Tatsache war, er war vermutlich so intelligent, dachte sie still bei sich, dass ihm die Vorgehensweisen zu platt gewesen waren. Naja, und seiner Arroganz kam dies sicher auch zu Schulden, vermutete sie.
„Das Ministerium hat nun schließlich die Sitzungen bei mir angeordnet“, schloss Thornbush. „Man war der Meinung, dass, wenn Mr Malfoy nicht von sich aus Kontakt zu einem Heiler halten kann oder möchte, dass es dann eben Inhalt seiner Bewährungsstrafe wird. Aber, wie ich Ihnen bereits mitteilte, ist der Umgang etwas... schwierig. Ich kann Mr Malfoy nur helfen, wenn er spricht, und das tut er mit mir nicht und anscheinend auch mit sonst kaum jemanden – allerdings wohl mit Ihnen.“
Hermine wollte gerade fragen, was es mit den Sitzungen mit Heiler O'Neill auf sich hatte, als ein anderer Gedanke sich abrupt in den Vordergrund drängte.
„Moment“, sagte sie. „Sie wollen mir hier gerade sagen, dass er die Sitzungen bei Ihnen nicht freiwillig macht, und dann wundern Sie sich, dass er nicht mit Ihnen redet?“
Hermine konnte es nicht verhindern, dass ihr Ton sarkastisch wurde.
„Nun ja, grundsätzlich haben Sie natürlich Recht. Allerdings sollte Mr Malfoy klar sein, dass es nicht förderlich ist, seine Bewährungsauflagen zu boykottieren.“
Sie musste dringend mit Harry sprechen, schoss es ihr durch den Kopf.
„Wieso ist das Teil seiner Bewährungsauflagen?“
„Wie Sie in der Akte gelesen haben, ist Mr Malfoys Zustand instabil. Das Ministerium kennt sich mit solchen... Gemütszuständen aus. Es wird lediglich zu Mr Malfoys Wohl gehandelt. Man möchte ihm genügend Stabilität geben, um sicher zu gehen, dass er nicht unter falsche Einflüsse gerät.“
Hermine blinzelte.
„Sie meinen, es wird tatsächlich befürchtet, er könne sich irgendwelchen ehemaligen Todessern anschließen und- ja, und was? Irgendwelche schwarzmagischen Rituale durchführen? Muggelgeborene jagen? Der nächste Voldemort werden?“
Thornbush behielt eine neutrale Miene bei, aber Hermine konnte ihr trotzdem ansehen, dass sie ihr langsam lästig wurde. Und plötzlich fragte sie sich, ob Malfoy einfach nur als „schwierig“ betitelt wurde, weil er sich genauso wenig blenden ließ wie sie selber.
Und plötzlich fühlte sie fast so etwas wie Solidarität gegenüber Malfoy, so verrückt das auch war.
„Ich würde es nicht ganz so hart ausdrücken“, sagte die Heilerin ruhig. „Aber grundsätzlich: Ja. Das Ministerium weiß aus verlässlicher Quelle, dass es tatsächlich ehemalige Todesser und andere Schwarzmagier gibt, die wohl versuchen, Kontakt zu meinem Patienten aufzunehmen. Also, so ganz abwegig ist das ganze nicht.“
„Das ist lächerlich!“
Sie wusste selbst nicht, warum sie sich da so sicher war und warum sie hier im Prinzip dabei war, Malfoy in Schutz zu nehmen.
„Wenn es lächerlich ist, umso besser. Tatsache ist, dass Mr Malfoy mein Patient ist, und er hat Probleme, das ist nicht zu leugnen. Oder ist Ihnen während Ihres letzten gemeinsamen Schuljahres nichts aufgefallen?“
Sofort dachte Hermine an seine stille Art, in der Bibliothek zu arbeiten. Seinen Ehrgeiz im Unterricht, als wolle er beweisen, dass er mehr war als sein Name. Ihr Herz zog sich plötzlich zusammen, als sie daran dachte, wie er versucht hatte, keinen Ärger zu machen. Wie er anscheinend Dinge, die eindeutig nicht fair abliefen, hinunterschluckte. Merlin, er hatte sich sogar schlagen lassen! Konnte es möglich sein, dass er sein Leben hatte ändern wollen, aber die Chance nicht bekommen hatte? Dass er daher jetzt gefrustet war?
„Ich sehe, Sie wissen, was ich meinen könnte.“
Thornbushs Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie ärgerte sich, dass sie so in Gedanken versunken gewesen war, dass ihr Gesichtsausdruck zu leicht zu lesen gewesen war.
„Wie würde das ganze ablaufen?“, fragte sie vorsichtig. „Ich bin keine Heilerin.“
„Nein“, bestätigte Thornbush.
„Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich ihn heimlich aushorche!“, echauffierte Hermine sich.
„Aber wo denken Sie hin, Miss Granger? Natürlich nicht! Es wäre eine offizielle Anordnung des Ministeriums. Sie könnten sogar auf Honorarbasis angestellt werden.“
Keine Ahnung, was diese Thornbush oder das Ministerium dir versprochen haben, wenn du dich einmischst. Hermine konnte nicht anders, sie hatte Malfoys Satz im Kopf und spürte, dass sie sofort in Alarmbereitschaft war. Irgendetwas an der Sache gefiel ihr nicht.
„Sie können ablehnen, Miss Granger, niemand wird sie zwingen“, lächelte die Heilerin und Hermine begriff, dass ein Teil ihrer Gedanken sich wieder auf ihrem Gesicht gespiegelt haben mussten.
Und sie wusste: Sie hatte angebissen. Sie wollte wissen, was hier vor sich ging, und das konnte sie nur, wenn sie mitspielte.
Und außerdem, wenn sie ganz ehrlich mit sich war: Sie wollte wirklich mit Malfoy reden, so oder so. Sie wusste selbst nicht, was sie daran so reizte, aber sie wollte ihn wiedersehen. Und begreifen, was mit ihm los war. Denn er verhielt sich so anders als sie es von ihm gewohnt war.
„Ich mache es“, sagte Hermine, und einen Moment lang sah Heilerin Thornbush überrascht aus, aber dann lächelte sie.
„Prima. Ich freue mich, Miss Granger. Lassen Sie uns einen Termin vereinbaren, um alles genau zu besprechen.“
„Eine Frage habe ich noch, Heilerin Thornbush“, sagte Hermine. „Was macht Sie so sicher, dass ich bei dieser Sache helfen kann?“
„Oh, sicher bin ich natürlich nicht, Miss Granger. Aber ich merke, Mr Malfoy ist Ihnen nicht gleichgültig – und das ist schon mal eine gute Voraussetzung.“

Happiness does not wait (Dramione Story) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt